Hermann Ramacher - Gründer und Chef von ADN

Der visionäre Märkte-Macher

3. Juli 2014, 0:30 Uhr | Martin Fryba
Hermann Ramacher: »Ich brauche Überzeugungstäter. Junge, engagierte Mitarbeiter, gerne auch Quereinsteiger, die Erfahrungen aus anderen Branchen mitbringen« (Foto: ADN)

Der Ökonom Hermann Ramacher hätte als beschlagener Systemtheoretiker eine glänzende Karriere in der Wissenschaft hingelegt. Stattdessen lotet der Distributions-Chef seit 1994 das Potenzial innovativer Technologien aus, um für Hersteller und Systemhäuser neue IT-Märkte zu erschließen.

Ausgelacht haben sie Hermann Ramacher, als er mit einem Thin Client unter dem Arm in den 90er Jahren Resellern Server-based-Computing schmackhaft machen wollte. Im Mainstream des PC-Zeitalters »dumme« Clients verkaufen zu wollen und zentralen Terminalstrukturen das Wort zu reden, qualifizierte jemanden dazu, als Spinner zu gelten. Solche Verrückten laufen zu allen Zeiten herum – hierzulande und vor allem in den USA. In Bochum Mitte der 90er Jahre dürften viele, die Hermann Ramacher nicht näher kannten, den Firmengründer der jungen Firma ADN dazugezählt haben. Leute, die nie in den USA waren und die im Boom der jungen IT-Branche prächtig mitschwammen – mehr aber auch nicht.

Im Silicon Valley lacht heute niemand mehr über Pioniere, die ihre Ideen in Cloud-Plattformen umsetzen oder wie Tesla-Gründer Elon Musk von Elektromobilität schwärmen. Ramacher ist kein Internet-Pionier, er hat kein eigenes Produkt und mit der grünen Energierevolution hat er nur am Rande zu tun. Sollte sie sich etwa als Vermarktungsvorteil für ein Produkt herausstellten, das seine Firma vertreibt. Dann allerdings kann Ramacher und sein Team ein solches Produkt groß machen. Es braucht einen wachen Verstand, ein sicheres Urteilvermögen und Mut, nicht dem Mainstream zu folgen, sondern auf Märkte zu setzen, die heute noch nicht da sind. Das klappt nur, wer die Mechanik dieser Märkte analysiert, wer vieles in Frage stellt, wer gelernt hat, dem Zeitgeist nicht unreflektiert zu folgen. Ramacher bekam die Gelegenheit sich das theoretische Rüstzeug dazu perfekt anzueignen.

Er hat Anfang der 70er Jahre in den Werken des populären amerikanischen Ökonomen John Kenneth Galbraith die manipulativen Mechanismen der modernen Industriegesellschaft studiert. Wer dient wem? Die Wirtschaft dem Menschen oder vielmehr umgekehrt? Die »Technokratie«, kühl und nüchtern kalkulierend, ziehe sich die Konsumenten so heran, dass stets das »System« genährt werde. Wachstum weniger für den Menschen, sondern um seiner selbst Willen und zur dauerhaften Erhaltung und Stabilität einer kleinen politisch und ökonomisch bestimmenden Kaste. Der junge Doktorand der Wirtschaftswissenschaften war an der Uni Duisburg-Essen »mitten drin« im Diskurs, den die Generation der 68er losgetreten und in die Mitte der Gesellschaft getragen hatte. Linke Vordenker wie Galbraith, die zum Entsetzen einer konservativ geprägten Ökonomenzunft den ungezügelten Kapitalismus entlarvten und die sozialen Auswirkungen grenzenlosen Wachstums beschrieben, gaben Ramacher und Teilen der neuen, kritischen Studenten-Generation Nahrung. Wie das »System« eine »Gesellschaft im Überfluss« (so der Titel des 1959 erschienenen Bestsellers von Galbraith) organisiert, hatte Ramacher ebenso analysiert wie Galbraiths Theorien eines durch Werbung angeheizten Massenkonsums, die der berühmte Ökonom in seinem späteren Werk »Die moderne Industriegesellschaft« beschrieben hatte.

Als wissenschaftlicher Assistent war der damals 28-jährige Bochumer Teil eines Forschungsteams, das sich mit einem auch heute noch aktuellen Thema beschäftigte: Obsoleszenz von Waren. Also den berühmten Sollbruchstellen, die die grauen Herren über die Produktionsmittel damals wie heute in ihre Waren einbauten. Geplanter Verschleiß, auch dieses Kalkül war den Apologeten des zum Dauerkonsumenten degradierten Individuums recht, um endlich die Wirtschaft aus den zyklischen Krisen, verursacht durch Stagnationsperioden, zu befreien. Ideologien, Theorien, Thesen und Anti-Thesen: Die kritische Sozialwissenschaft der Frankfurter Schule, vor allem Jürgen Habermas mit seiner epochalen Theorie des kommunikativen Handelns, beeinflusste den jungen Ökonomen Ramacher und seine Generation der in den frühen 50er Jahren geborenen Intellektuellen.


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