EU will Herkunftsbezeichnungen neu regeln

Deutsche Industrie bangt um »Made in Germany«

5. September 2013, 9:45 Uhr | Martin Fryba
Knackpunkt Herkunftsbezeichnung in einer globalisierten Industrie. EU-Definitionen für den Warenursprung sorgen für Aufregung. (Bild: Fotolia - Openwater)

Ein Sieg italienischer Lobbyarbeit oder Schutz vor unfairen Wettbewerbern? Wenn die EU eine Pflicht zur Kennzeichnung des Warenursprungs einführt, sind in jedem Fall alle Hersteller in der EU Verlierer – ganz besonders aber die deutschen Unternehmen.

AVM, Lancom, Tarox, Wortmann: Obwohl ein Großteil der Weltproduktion von ITK-Produkten längst aus asiatischen Fabriken stammt, ist die Liste deutscher IT-Hersteller immer noch groß, die mit dem Qualitätssiegel »Made in Germany« werben und dies ihrer Meinung nach völlig zurecht tun dürfen. Zwar stammen nahezu alle Komponenten in ihren Produkten aus Asien, doch Produktentwicklung, Qualitätsvorgaben, Design, Endfertigung – also wesentliche Teile der Wertschöpfungskette, finden hierzulande statt. Geht es nach der EU-Kommission, so müssen diese Hersteller womöglich die Herkunftsbezeichnung ihrer Produkte bald ändern. Dann nämlich, wenn sie in einem komplizierten und aufwändigen Verfahren nicht nachweisen können, dass wesentliche Teile des Mehrwerts ihrer Waren in Deutschland erbracht werden.

Übersteigen die aus dem Ausland bezogenen Komponenten beispielsweise mehr als 55 Prozent des Mehrwerts, was bei IT-Produkten leicht der Fall ist, dürfte auf den Produkten nicht mehr »Made in Germany« stehen. Schlimmer noch: Wird die bislang freiwillige Kennzeichnung der Warenherkunft in der EU Pflicht, wie es die Pläne der Kommission vorsehen, müsste AVM seine beliebte Fritzbox womöglich unter dem Label »Made in China« verkaufen.

Nicht nur IT-Unternehmen hierzulande schlagen Alarm, die gesamte deutsche Industrie fürchtet um ihr Qualitätssiegel, das auf Druck Großbritanniens 1887 als Pflichtbezeichnung eingeführt worden war, um damals minderwertige Waren aus Deutschland von britischen Qualitätsprodukten abzugrenzen. Schon bald danach hatte sich »Made in Germany« aber als Ausdruck vorbildlicher deutscher Ingenieurskunst durchgesetzt. Ein Wettbewerbsvorteil bis zum heutigen Tag, der den Erfolg der deutschen Exportwirtschaft erst ermöglicht hatte, sagen manche Experten. »Das Label muss unangetastet bleiben«, warnt denn auch Jürgen Varwig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ).

--- forum[x] ---Die Pläne der EU-Kommission, Definitionen für die bislang ungeregelte Herkunftsbezeichnung aufzustellen und die Kennzeichnung verpflichtend für Hersteller in den Mitgliedsstatten einzuführen, trifft auf massiven Widerstand in der deutschen Industrie. Die EU orientiert sich bei der Neufassung am komplizierten Zollrecht und will die bislang geltenden Ursprungsregeln für Waren ändern. Ziel ist es, den Ursprung gefährlicher Erzeugnisse besser rückverfolgen zu können und überdies eine klare Entscheidungsgrundlage für mögliche Antidumpingmaßnahmen bei Importen aus Drittländern zu schaffen. Soweit die Theorie. In der Praxis tut sich die EU mit der gesetzlichen Bestimmung zur Herkunftsbezeichnung aber keinen Gefallen.


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