Die IT im Griff

7. September 2007, 15:59 Uhr |

Servicemanagement – Die Verbesserung der Prozesse in den Unternehmen stellt das Geschäftssystem in einen neuen Managementkontext. Die IT-Serviceketten sollten Ende-zu-Ende zu überwachen und bei Bedarf zu steuern sein. Dementsprechend offensiv wird von den Herstellern IT-Servicemanagement auf den den Markt gerückt.

Einige Offerten gehen mit Business-Servicemanagement noch weiter. Darüber können, so die Anbieter, jederzeit die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen technischer Probleme auf Prozessebene dargestellt werden. Doch Servicemanagement ist nicht gleich Servicemanagement. Und die umfassende Managementlösung muss für die Unternehmen umzusetzen und zu leisten sein. Gradmesser für deren Einsatz ist der Fortschritt bei der Verbesserung der Geschäftsprozesse. »Je mehr Geschäftsprozessketten oder Teile darin automatisiert werden, desto stärker wird der Druck auf die Unternehmen, ein umfassendes Servicemanagement zu etablieren«, gibt Gerhard Haberstroh, Marketing-Manager HP-Software Deutschland, zu bedenken.

Er führt dafür die notwendige Ende-zu-Ende-Prozesssicht sowie die wachsende Ablaufsensibilität der Prozesse auf. »Idealerweise sollte die Servicemanagementlösung schon vor den Verbesserungsmaßnahmen eingeplant und installiert werden«, so Haberstroh. Damit gehe das Unternehmen nicht unvorbereitet das Wagnis einer weitgehenden Prozessautomatisierung ein. Denn spätestens dann seien Performance- und erst recht Verfügbarkeitseinbußen innerhalb der Ablaufkette von Beginn an nicht mehr tolerabel.

Frühzeitig entscheiden
Jörg Reith, Manager und Management-Consultant bei Logica-CMG, bestätigt: »Zuerst die Geschäftsabläufe verbessern und sich erst danach Gedanken über deren Überwachung und Steuerung zu machen, ist nicht mehr zeitgemäß. Prozessverbesserung und Servicemanagement müssen Hand in Hand gehen.« Das setze aber voraus, dass die Entscheidung für eine Servicemanagementlösung schon vor dem Start der Verbesserungsmaßnahmen getroffen und eingeplant werde. »Die Architektur und der Zuschnitt des Rahmenwerks müssen sich am Zielprozessbild sowie dem organisatorisch und personell Machbaren orientieren.« Denn nur dann sei das Unternehmen vor einer teuren Fehlausrichtung und Überdimensionierung gefeit. Dazu empfiehlt der Berater den Unternehmen, vorab ihre IT zu konsolidieren, um das Servicemanagement nicht unnötig aufzublähen.

Applikationsbereich bereinigen
Was das für die Unternehmen heißt, macht Peter Schirmanski, verantwortlich für die globale Leistungserbringung des Applikationsmanagements bei Siemens IT Solutions and Services, am heterogenen Anwendungsbereich deutlich. »Wir empfehlen vorab eine Standardisierungsoffensive, also die bestehenden Applikationen über Industriestandards wie SAP, Siebel oder Microsoft soweit wie möglich zu bereinigen.« Diese Vorarbeit sei für die Unternehmen aus mehreren Blickwinkeln heraus wichtig:

um sich die Pflege und Wartung der Anwendungen und Datenbanken zu erleichtern,
um die Betriebskosten der Applikationsbetreuung zu verringern,
um für das Management der Applikationen als unmittelbare Träger der Geschäftsprozesse einen hohen Durchdringungs- und damit Effizienzgrad zu erreichen,
um später flexibel entscheiden zu können, ob das Applikationsmanagement in Eigenregie durchgeführt oder aus Kostengründen an einen Dienstleister ausgelagert werden soll.

»Wollen Firmen zudem noch Offshore-Standorte einbinden, um die Kosten zu senken, können die anvisierte Applikationsumgebung und ihr Management gar nicht einfach genug sein«, plädiert Schirmanski für eine strikte Konsolidierung auf diesem Feld. Für Unternehmen, die weiterhin auf einen großen Anteil an Indivualsoftware setzten, falle dagegen – ob Eigenbetrieb oder Outsourcing – das Applikationsmanagement zwangsläufig kompliziert, risikobehaftet und kostspielig aus. Nach Schirmanski ist es für die Unternehmen ausgesprochen lohnend, das Applikationsmanagement durch die Brille des Servicemanagements anzusteuern. »Denn es ist sinnvoller, mit kleineren Einheiten zu beginnen, bevor man den ganz großen Wurf wagt.«

Allerdings helfe auch im Reich der Applikationen und deren Management den Unternehmen nur die umfassende Sicht weiter, gibt er zu bedenken. »Denn nur unter dieser Voraussetzung können Geschäftsabläufe über Applikationsgrenzen hinweg verbessertt und immer wieder über Change-Management flexibel veränderten externen oder internen Rahmenbedingungen angepasst werden.« Die übergreifende Applikationssicht, so Schirmanski, könne in den Unternehmen aber nur ablauf- und managementtechnisch mit Leben erfüllt werden, wenn die Fachabteilungen als Applikationsbezieher an einem Strang zögen. Das funktioniere am besten über eine fachbereichsübergreifende personelle Verantwortung.

Durchgehend im Griff
Norbert Drecker, Leiter des Competence-Centers bei Evidian in Köln, hält dagegen wenig von einer nur ganzheitlichen Applikationssicht und einer Soll-Bruchstelle zwischen den Applikationen und der darunter liegenden Infrastruktur aus Netzwerk, Rechnern und Storage. »Mit der Verbesserung der Geschäftsprozesse wächst die Abhängigkeit der Unternehmen von einer funktionierenden IT. Dazu gehören nicht nur die Anwendungen, Datenbanken und Workflows, sondern auch die anderen IT-Domänen einschließlich der PCs«, argumentiert er. Er plädiert deshalb für eine umfassende Servicemanagementsicht und -integration wie unter Evidians »Open Master«. »Nur wenn alle Fehlerereignisse innerhalb der IT gemessen und auf ihre Ursachen und Auswirkungen hinterfragt werden, entsteht an der zentralen Konsole ein realistisches Bild, inwieweit bestimmte Services oder Prozesse betroffen sind.«

Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Korrelationsmaschine und CMDB (Configuration-Management-Data-Base) im Herzen der Servicemanagementlösung. »Die Korrelationsmaschine wird vermehrt dazu gebraucht, Events unterschiedlicher IT-Domänen in Bezug zu setzen und auf diese Weise komplexen Problemen auf die Spur zu kommen. Die CMDB muss die Einträge und Zusatzinformationen zu allen eingesetzten Hard- und Softwaresystemen enthalten, um im Problemfall automatisch wie manuell richtig reagieren zu können.« Außerdem, so Drecker weiter, sei die breite Informationsbasis der CMDB notwendig, um über zu hinterlegende Modelle die Folgen von IT-Problemen und -Problemkonstellationen geschäftsnah auf Service- und Prozessebene abzubilden.

Allerdings räumt Drecker ein, dass die Fehlerhäufigkeit auf Applikationsebene höher als innerhalb der Netzwerk-, Server- oder Speicherinfrastruktur ausfällt. »Hier sorgen redundante Auslegungen für eine stabilere Verfügbarkeit und Performance.«

»Die Unternehmen verspüren beim Applikationsmanagement den höchsten Leidensdruck im Rahmen der Prozessverbesserung«, räumt HP-Manager Haberstroh ein. Das liege nicht nur an der höheren Fehlerhäufigkeit auf Applikationsebene. »Die Anwendungen, Datenbanken und Workflows sind der Motor für die Geschäftsprozesse. Fällt er aus, oder läuft er zwischenzeitlich nicht rund, wirkt sich das unmittelbar auf die geschäftlichen Abläufe in Form von betriebswirtschaftlichen Einbußen aus.«

Flexibel ausbaufähig
Mehr als ein Einstieg ins Servicemanagement sei das Applikationsmanagement für die Unternehmen dennoch nicht, unterstreicht Haberstroh. »Denn für werthaltige Informationen auf Service- und Prozessebene müssen letztlich alle IT-Säulen mit all ihren Elementen überwacht, gemessen, analysiert und bewertet werden.« Zudem gelte es, den gesamten Lebenszyklus der IT-Services – von der Planung über die Einführung bis hin zum Betrieb – konsequent auf die Geschäftsziele auszurichten. Nur dann lasse sich der Wertbeitrag der IT systematisch steigern, wie dies über Modelle wie »CobiT« (Control-Objectives for Information and Related-Technology) oder BTO (Business-Technology-Optimization) angestrebt wird.

Wichtig für den schrittweisen Aufbau der Gesamtlösung sei, dass der Hersteller wie HP Software dafür seine umfassende Servicemanagementarchitektur konsequent modular, in Form von Building-Blocks, ausgerichtet habe. »In diesem Fall haben es die Unternehmen selbst in der Hand, wann und in welcher Reihenfolge sie die verbleibenden IT-Domänen integrieren und damit Zug um Zug ihr Servicemanagement vervollständigen.« Diese Migration in Etappen erlaube den Unternehmen zudem, die Investitionen und notwendigen strukturellen Veränderungen budgetschonend und organisationsverträglich auf einen längeren Zeitraum zu verteilen.

Reith bestätigt: »Wichtig ist für die Unternehmen, dass sie ihre Lösung sukzessiv ausbauen können.« Er rät, mit der Verwaltung der Anwendungen zu beginnen. Zumal die Anwendungen und ihr gezielter Einsatz Dreh- und Angelpunkt der Geschäftsprozessverbesserung und -anpassung seien. In diesem Zusammenhang macht er darauf aufmerksam, auf die Desktop-Managementfunktionalität zu achten. »Die Arbeitsplatzsysteme sind das Endglied der Ablaufketten. Demzufolge sollte sowohl die zentrale Softwareverwaltung auf den Desktops als auch ihre Überwachung integrativer Bestandteil des Applikationsmanagements sein.« Danach empfiehlt er, die Server, Speicher und Datenbanken, die als Verarbeitungsinstanzen beziehungsweise Datenzulieferer für die Applikationen fungieren, ins Servicemanagement einzubeziehen.

Bevor im letzten Projektschritt die Integration der Netzwerkinfrastruktur ins Auge gefasst werden sollte. Diese planvolle Integration von oben nach unten, so Reith, müsse allerdings schon bei der Auswahl der Plattform vorausbedacht werden. »Es ist wichtig, dass das IT-Rahmenwerk für die künftige Ausrichtung des Servicemanagements alle notwendigen Integrationsschnittstellen zu den bereits installierten Server-, Storage- und Netzwerk-Managementsystemen bietet.« Das schütze bestehende Investitionen und erspare den Unternehmen hohe Neuinvestitionen und aufwändige Projektierungs- und Anpassungsmaßnahmen.

Durchgehend oder mit Sollbruchstelle
Marc-André Wülfrath, Leiter globales Operations-Management bei Siemens IT Solutions and Services, rät hingegen den Unternehmen, die Sollbruchstelle zwischen Applikationsmanagement und dem darunter angesiedelten Rechner-, Storage- und Netzwerkmanagement zu tolerieren. »Die Applikationen und ihr Management sind Wegbereiter für qualitativ bessere und gleichzeitig Kosten sparende Geschäftsprozesse. Ein professionelles Change-Management, um die Abläufe immer wieder neuen Bedingungen anzupassen, ist darin eingeschlossen.

Und im Applikationsmanagement schlummern für die Unternehmen mit Abstand die größten Einsparungen und der größte Mehrwert.« Die Überwachung und Steuerung unterhalb der Applikationsschicht könne wie bisher durch separate Element-Managementsysteme abgedeckt werden, weil hier der Überwachungs- und Eingriffsbedarf und damit auch die Rentabilität von Neuinvestitionen, Integrations- und Anpassungsaufwänden weit geringer ausfallen. »Werden beide Welten – die Applikationen und Infrastrukturen – getrennt behandelt, können die Unternehmen zudem Auslagerungsentscheidungen einfacher treffen..Sie können flexibel, also ohne durchgehende Hersteller-Plattformbindung, die Teile der IT auslagern, die für sie mit zu hohen Eigenkosten verbunden sind.«
hs@networkcomputing.de


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