Erfunden

22. Januar 2004, 0:00 Uhr |

Erfunden. Chefsache sei es, das Thema Innovationen, verkündet der Kanzler. »Wir wollen eine Partnerschaft für Innovation gründen und machen«, geht Gerhard Schröder gegenüber einer der großen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten bei der Grammatik gleich mit gutem Beispiel voran.

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An dem Innovationsgipfel im Kanzleramt hatten neben Schröder unter anderem auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Außenminister Fischer teilgenommen. Ein technikfreundliches Klima also, setzte sich doch Clement stets für die innovationsfreudige Einführung von Studiengebühren an den Universitäten ein, und auch Fischer erschloss der deutschen Industrie durch Rüstungs- und Atomexport ganz neue Geschäftsfelder. Auch findige Spitzenvertreter der Wirtschaft waren dabei: Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer, der in Ingolstadt im vergangenen Jahr ganz neue Beschäftigungsmodelle für seine überflüssigen Mitarbeiter entwickelte: Sie werkeln nun für einen Automobilkonzern in einer Auffanggesellschaft. Dazu unterbot er mit Finanz-Hilfe vom Arbeitsamt alteingesessene Systemhäuser soweit, dass diese ihren Laden dicht machen mussten. Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke trug ebenfalls zum kreativen Klima im Kanzlerbungalow bei: Geheime Tagebuchaufzeichnungen belegen, dass er wegen der wettbewerbsunfreundlichen Situation auf der letzten Meile nach einem opulenten Abendmahl schon ein oder zwei mal erst nach heftigen Blähungen einschlafen konnte. So sehr beunruhigt Spitzenmanager der Innovationsstau!

Die Lösung aller Probleme ist das von der Regierung geplante »Einsteinjahr 2005«. Es soll Verständnis und Begeisterung für Wissenschaft und Forschung wecken. Die »Innovationspartner« planen unter anderem eine große Einstein-Ausstellung in Berlin. Nicht zu vergessen die anvisierten Projekte für Schüler und Jugendliche: Erst wenn in jedem Kinderzimmer, wenn in jedem Pausenhof und auf jeder Jungentoilette in den Jugendzentren die Plakate von Britney Spears und Christina Aguilera durch den lustigen Herrn Einstein mit seiner weit heraushängenden Zunge ersetzt sind, wollen die pfiffigen Top-Entscheider ruhen. Erst wenn Einsteins berufliche Stationen ? »Hilfslehrer« und »Technischer Experte dritter Klasse« ? in der allgemeinen Einstein-Hysterie die absoluten Wunschberufsziele sind, keimt Hoffnung für Deutschland. Denn dann wird es nicht mehr lange dauern, bis die Sprösslinge wie seinerzeit Einstein ebenfalls in ihrer Freizeit ähnlich relevante Theoreme entwickeln wie der gebürtige Ulmer mit der speziellen Relativitätstheorie.

Vielleicht geht die ganze Entwicklung aber einfach auch in eine ganz andere Richtung und die veralberte Jugend streckt dem Kanzler ? ganz nach Einsteins Vorbild ? bei nächster Gelegenheit einfach mal die Zunge raus.


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