Heimvernetzung: Konvergenz von IT und UE

22. Januar 2004, 0:00 Uhr |

Heimvernetzung: Konvergenz von IT und UE. Netzwerk-Technik erobert in Riesenschritten den privaten Anwendungsbereich. Neue Absatzchancen ergeben sich daraus nicht nur für Fachhändler. Die Konzeption und Einrichtung moderner Heimnetze könnte sich sogar zum Standbein für Systemhäuser entwickeln.

Heimvernetzung: Konvergenz von IT und UE

Spätestens seit Comedy-Star Kaya Yanar auf allen Kanälen für den drahtlosen Internetzugang von AOL wirbt (»Hast Du Problem, oder was?«), hat es jeder verstanden: Auch zu Hause kann man ganz einfach ? ohne Kabelsalat ? das Internet nutzen. Hersteller wie der AOL-Lieferant Zyxel, aber auch AVM (»Blue Fritz!«), Devolo (»dLAN«) und viele andere konnten dank passender Produkte und einer soliden Vertriebsbasis im Carrier- und Channel-Geschäft bereits im vergangenen Jahr vom Trend der Heimvernetzung profitieren. Am Fachhandel geht der Run auf drahtlose Internet-Anschlüsse vorerst jedoch vorbei: »Dabei handelt es sich größtenteils um Carrier-Geschäft«, weiß Michael Kramer, Geschäftsführer von Zyxel Deutschland. Einzig auf steigende Notebook-Absätze kann sich der Handel im Rahmen der Heim-Computerei freuen: Nach der Prognose des Marktforschungsinstituts IDC werden in diesem Jahr weltweit rund 50 Millionen Geräte verkauft. Dies bedeutet gegenüber den fast 40 Millionen Notebooks vom letzten Jahr einen Zuwachs von über 25 Prozent. Der Anteil der Notebook-Nutzer soll von 21 auf 23 Prozent ansteigen.

Das Wettrennen beginnt

Immer deutlicher wird, dass mit dem drahtlosen Internetanschluss für jedermann erst der Anfang gemacht ist. »Smart Home wird 2004 eines der ganz wichtigen Themen für unseren Konzern«, bemerkte kürzlich T-Com Bereichsvorstand Christian Berg gegenüber CRN. Die Aussage des Telekom-Managers kam weder zufällig, noch unüberlegt. Was die Telekom als eines der größten Unternehmen Deutschlands jetzt aufgreift, umfasst weitaus mehr als das kabellose Notebook von Fernsehstar Yanar. Auch andere Großkonzerne haben sich »Smart Home« schon groß auf die Fahnen geschrieben: Intel kündigte kürzlich an, 200 Millionen Dollar in Unternehmen zu investieren, die innovative Hard- und Softwaretechnologien für das digitale Zuhause entwickeln. Der »Intel Digital Home Fund« will die Nutzung digitaler Inhalte wie Musik, Fotos und Videos auf unterschiedlichen Geräten für jedermann vorantreiben. Andere Giganten kriegen es angesichts solcher Vorhaben bereits mit der Angst: Kunitake Ando, Chef des japanischen Elektronikkonzerns Sony, warnte kürzlich in einem Zeitungsinterview eindringlich vor einem Vordringen von Microsoft und Intel in den Consumer-Bereich. Andernfalls könne hier eine ähnliche Monokultur wie im PC-Sektor entstehen. Die Ambitionen des skandinavischen Mobilfunkers Nokia erfreuen Ando da sicherlich: Vor wenigen Tagen kündigte Nokia-Multimedia-Chef Anssi Vanjoki an, im Laufe des Jahres Firmen aus dem Multimedia-Bereich zu akquirieren. Dafür verfügen die Finnen über eine mit 12 Milliarden Euro prall gefüllte Kriegskasse.

Auf ihre Laptops und Desktops sollen ? und wollen ? die Privatkunden insbesondere MP3-Dateien und MPEG-Filme herunter laden. Allein dadurch eröffnet sich ein neuer Milliarden-Markt, der neben den geladenen Daten auch neuartige Hard- und Software umfasst. Das zeigt allen voran der Erfolg von Apples »iPod«-MP3-Player und des »iTunes«-Musicstore in den USA. Seit Einführung des »iPod« verkaufte der kalifornische PC-Hersteller weltweit rund zwei Millionen Geräte zum Endpreis von 350 bis 550 Euro. Der »iTunes Music Store« setzte seit seinem Verkaufsstart letzten Sommer über 30 Millionen MP3-Dateien zum Stückpreis von 99 Cent ab. Auch hierzulande wird Apple wohl noch in diesem Jahr an den Start gehen. Bereits im Web vorhanden ist die T-Online-Marke »musicload.de« ? bis dato allerdings mit einem kleineren Angebot als iTunes und ohne ähnliche Erfolgsmeldungen.

Bei der Aufrüstung der guten Stube zum High-Tech-Studio ist das drahtlos angebundene Notebook freilich erst der Anfang. Heim-Server sollen als zentraler Speicher für komplette MP3- und Film-Sammlungen dienen ? und ebenso als Schaltzentrale für die Heimelektronik einschließlich »weißer Ware«. Mit einigen der heute bereits lieferbaren technischen Lösungen lässt sich beispielsweise die Heizungs- oder Alarmanlage steuern, die Beleuchtung ein- und ausschalten oder aber die Spülmaschine fern bedient in Gang setzen. Nach einer Prognose von Datamonitor sollen bereits 2005 rund 20 Millionen europäische Haushalte mit intelligenter Haustechnik ausgestattet sein.

Wunderbare weiße Ware

Der deutsche Multi Siemens geht das Heim-Thema folgerichtig bereits von seiner Hausgeräte-Sparte her an. Im Dezember 2003 stellte er das System »serve@ home« vor. Dabei handelt es sich um eine kleine Leitzentrale, die zahlreiche Hausgeräte via Powerline-Technik verbindet. Zunächst sollen mit der Zusatzfunktion Herde, Kühl-Gefrier-Kombinationen, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Trockner und Klimageräte aus der Oberklasse ausgestattet werden. Die Geräte verfügen über einen kleinen Einschubschacht, in die eine Box eingebaut wird. In der Box befindet sich eine Art Modem, das Daten über die Steckdose auf die Frequenz des Netzstroms von 50 Hertz aufmoduliert. Ein Gateway filtert die Daten aus dem Stromnetz und übernimmt zentral über eine WLAN- oder andere Funkverbindung die Kommunikation mit Tablet-PC, Laptop oder Mobiltelefon. Die Anwender können über eine Windows-Oberfläche auf alle angeschlossenen Geräte zugreifen.

Möglich sind dadurch Warnmeldungen, etwa wenn sich ein Kind ein Eis aus dem Gefrierschrank geholt und die Tür nicht fest geschlossen hat. Wenn ein Gerät ausfällt, kann der Kundendienst eine Fernüberprüfung vornehmen, was bei kleineren Fehlern die teure Anfahrt eines Technikers erspart. Die Vorbereitung zur Vernetzung der Geräte kostet 50 Euro Aufpreis. Sie haben den Einschubschacht und können daher auch später nachgerüstet werden. Das komplette Bediensystem schlägt allerdings noch mit stolzen 3.999 Euro zu Buche; was jedoch einen Tablet-PC im Wert von 2.500 Euro beinhaltet. Da »serve@home« auf einem offenen Standard beruht, lassen sich in Zukunft auch Heizung, Beleuchtung oder Jalousien an die Vernetzung anschließen.

Ziel der Smart-Haus-Technik ist es nicht nur bei Siemens, das Leben der Bewohner noch komfortabler und luxuriöser zu machen. Ein gewichtiges (Verkaufs-)Argument für die Anschaffung der neuartigen Technologie wird es sein, deutlich spürbar Energie sparen zu können, die Sicherheit im Haus zu erhöhen und neue Dienstleistungen nutzen zu können. Pilothäuser mit neuer Technik wurden bereits weltweit aufgebaut und in Betrieb genommen. Experimentiert und geforscht wird unter anderem in den USA, in Japan, Schweden, Holland, der Schweiz ? und auch in der Ruhrgebietsstadt Duisburg. Dort wurde im April 2001 das Innovationszentrum Intelligentes Haus, kurz »In Haus« eröffnet.

Standards sind wichtig

Das als typisches Doppelhaus, wie es äußerlich betrachtet überall im Land zu finden ist, ausgelegte »In Haus« besteht aus einem Wohnhaus-Bereich mit Home Office. Auch Bad, Küche und Hobby-Keller sind mit modernem Equipment ausgestattet. Vor der Tür steht ein voll vernetzter VW Passat. Selbst der Garten verfügt über eine »intelligente« Infrastruktur, die für Beleuchtung und Bewässerung sorgt. Das von rund 60 Industrieunternehmen unter der Leitung des Duisburger »Fraunhofer Institutes für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme«, kurz IMS, konzipierte Projekt soll nicht nur zeigen, was technisch bereits realisierbar ist. Kernziel ist es, die einzelnen technischen Komponenten sinnvoll zusammenzuschließen und auf einander abzustimmen. »Wir wollen herausfinden, wie sich die unterschiedlichen Geräte, Komponenten und Infrastrukturen, die zum Teil auf ganz unterschiedlichen Standards der Gewerke beruhen, funktionell zu einem Gesamtsystem verknüpfen lassen«, erläutert IMS-Projektleiter Klaus Scheer.

Ein Schwerpunkt sind auch hier neue Funktionen zum Energiesparen: In den Zimmern messen Sensoren die Raumtemperatur, Feuchtigkeit und Luftqualität. Die motorisch gesteuerten Drehkippfenster des Hauses öffnen und schließen sich vollautomatisch, so dass sich dass Haus beispielsweise bei Gewitter selbstständig wetterfest macht. Verlassen die Bewohner das Gebäude, schaltet in den Wintermonaten die Heizung automatisch auf reduzierten Betrieb. Der Energieverbrauch und die Stromkosten werden zudem durch eine aktive Laststeuerung reduziert: So startet die ? ultraleise ? Waschmaschine etwa zur Nachtzeit. Die Hausbewohner erhalten ständig Einblick über die Verbrauchswerte und können auf den Verbrauch Einfluss nehmen.

Viele ganz alltägliche Gegenstände verfügen im »In Haus« über neue Funktionalität: Lichtschalter reagieren auf bloße Berührung oder Infrarotsignale. Über eine Steuereinheit kann man vordefinierte Szenarien wie Abendstimmung oder Mittag aktivieren ? und schon stellen sich Licht und Jalousien entsprechend ein ? die Musikanlage spielt die zur Tageszeit passenden Lieblingsstücke. Die intelligente Badewanne kann nach individuellen Parametern gefüllt werden, zeigt die Badetemperatur an, hat eine Kindersicherung, Verbrühschutz und meldet sich, wenn sie wie gewünscht gefüllt ist.

Gemeinsam mit Geräteherstellern, Lieferanten und Dienstleistern (z.B. Sicherheitsunternehmen, Versorgungsbetriebe, Handwerker) werden im Duisburger »In Haus« zahlreiche Dienste rund um Haus und Haushalt angeboten. Dazu zählen zum Beispiel Sicherheitslösungen, Fernsteuerung, Fernwartung und die Fernablesung von Strom-, Gas- und Wasserverbrauch. Auftretende Störungen können direkt an die jeweiligen Gerätehersteller oder an örtliche Handwerksbetriebe übermittelt werden.

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Kommentar

ITK-Fachhändlern und kleinen Systemhäusern bietet das Thema »Smart Home« jetzt gute Einstiegs- und mittelfristig gute Expansionsmöglichkeiten. Gegenwärtig gibt es kaum Dienstleister, die aus einer Hand Netzwerktechnik, Sicherheitstechnik, Gebäude- und Energietechnik ins private Heim integrieren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Reseller müssen über Server-Hardware, Software und Verkabelung ebenso Bescheid wissen wie über Lichtschalter, Alarmanlagen und neueste Waschmaschinenmodelle. Wer verstanden hat, dass das »Smart Home« beim drahtlosen Internet-Zugang erst beginnt, hat gute Aussichten für ein neues Standbein mit langfristig guten Margen. Denn Media Markt & Co. kann bekanntlich nur billig, aber nicht den hier erforderlichen Rundum-Service bieten. Selbstredend ist es wichtig, sich heute noch auf den Kundenkreis der »Early Adopter« zu konzentrieren, die moderne Technik als Bereicherung empfinden und die sich mit dem Argument der Energie- und Kosteneinsparung zu höheren Anfangsinvestitionen bei der Einrichtung ihres Eigenheims verlocken lassen.


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