Hersteller gehen massiv gegen Graumarkt vor

13. Mai 2004, 0:00 Uhr |

Hersteller gehen massiv gegen Graumarkt vor. Mehrere IT-Hersteller versuchen derzeit den wachsenden Graumarkt durch stärkere Kontrollen auszutrocknen. Fujifilm ging vergangene Woche sogar juristisch gegen Händler vor. Branchenkenner geben der diffusen Preispolitik der Unternehmen sowie zahlreichen Rabattaktionen die Hauptschuld am wachsenden Warenfluss über dubiose Vertriebskanäle.

Hersteller gehen massiv gegen Graumarkt vor

Graumarktware macht immer mehr Herstellern und Distributoren das Geschäft schwer. Denn der wachsende Preis- und Margendruck verleitet auch seriöse Händler dazu, sich mit den vermeintlich günstigeren Produkten aus dubiosen Vertriebskanälen einzudecken. Eine Reihe von Herstellern hat jetzt Aktionen gestartet, um die Warenflüsse über nicht-autorisierte Vertriebskanäle einzudämmen.

Die Fuji Foto Film Europe GmbH ging jetzt sogar juristisch gegen Verkäufer von Graumarktware vor. Der Digicam-Hersteller erwirkte einstweilige Verfügungen gegen Händler, die in Deutschland Digicams verkauft hatten, die ursprünglich für Nordamerika bestimmt waren. Dubiose Hardware-Broker hatten die Dollar-Schwäche ausgenutzt und in den vergangenen Monaten verstärkt Digitalkameras aus den USA importiert. Mehrere Händler mussten daraufhin die Grauware aus ihrem Angebot nehmen und den Vertrieb der Importe komplett einstellen. Geschädigt werden vor allem die Endkunden, betont Fujifilm. Die könnten Garantieansprüche nur mit Vorlage der Originalgarantiekarte geltend machen. Weil diese bei den Grauimporten ganz fehlten oder lediglich als Kopie beilagen, haben Endkunden lediglich einen Anspruch gegen den Händler, bei dem sie das Gerät erworben haben. Der muss dann allerdings für die europaweit vorgeschriebene zweijährige Gewährleistung geradestehen. Denn die europaweite Herstellergarantie greift nur bei Vorlage der Originaldokumente.

Als Hauptkanäle für Graumarktwaren fungieren Subdistributoren und Broker, die weltweit nach günstigen Produkten fahnden. Während die Gewinne aus Währungsschwankungen oft durch die Transportkosten wieder wettgemacht werden, bieten vor allem die unterschiedlichen Preise der Hersteller in den einzelnen Ländern einen großen Anreiz für die europaweite Verschiebung der Waren.

Kamerahersteller Pentax hat deshalb ein europaweit einheitliches Preis- und Konditionensystem eingeführt, um zu verhindern, dass Händler sich über Graumarkt-Kanäle billig eindecken und die Ware zu Dumpingpreisen verschleudern. Seit April werden die Kameras Resellern aus allen Kanälen nur noch zu einem einheitlichen Listenpreis angeboten. Pentax will allerdings Händlern, die zusätzliche Leistungen wie beispielsweise Ladengeschäft, umfangreiches Pentax-Portfolio oder Serviceangebote bieten, rückwirkend Vergütungen gewähren, um ihr Engagement zu belohnen. Damit soll die Balance zwischen den Vertriebskanälen gewährleistet und die Attraktivität von Re- und Grauimporten reduziert werden. Ein europaweites Vertriebs-Controlling soll die Einhaltung des neuen Preis- und Konditionensystems sichern. Ein neues Tracking-System ermöglicht zudem die Rückverfolgung von Produkten bis zu deren Ursprung.

Auch der koreanische Elektronikkonzern LG Electronics hat angekündigt, ab sofort bei der RMA-Abwicklung die Seriennummern der Produkte zu scannen und Garantie nur noch dann zu gewähren, wenn es sich um Ware aus regulären Kanälen handelt.

Mehr Kontrolle für Partner

Der Computerriese Hewlett-Packard hat vor kurzem ein Programm gestartet, um Approval-Missbrauch bei Projektgeschäften und Graumarktware zu verhindern. Damit reduzierte Ware, die für einen bestimmten Kunden vorgesehen war, nicht mehr in andere Vertriebskanäle gelangt, verlangt HP von seinen Händlern und Distributoren, Endkundennachweise. Sie sind verpflichtet, bis zu sechs Monate rückwirkend die Lieferung von HP-Produkten mit Sonderpreisen an bestimmte Endkunden zu belegen. Auf Basis von Lieferscheinen, Endkundenrechnungen und -bestellungen kann HP dann den Verwendungszweck dieser Produkte genau nachvollziehen. Partner, die die geforderten Belege binnen 30 Tagen nach Auslieferung nicht vorlegen können, droht der Ausschluss aus Marketing- und Incentive-Maßnahmen sowie dem HP-Partnerprogramm. Unberechtigt erhaltene Rabatte werden ebenfalls zurückgefordert. Genauso verfährt der Hersteller, wenn HP-Produkte ohne Autorisierung in ein Land oder eine Region importiert werden.

Rabattaktionen nähren Graumarkt

Ob die Aktionen der Hersteller etwas bewirken, wird in der Branche allerdings bezweifelt. Marianne Nickenig, stellvertretende Geschäftsführerin beim Distributor Algol, hält die Maßnahmen für rein kosmetischer Natur, die das Problem nicht mal am Rande kratzen würden. Ihrer Meinung nach wird der florierende Graumarkt von vielen Herstellern nicht nur stillschweigend geduldet, sondern sogar bewusst genährt, um die Absatzzahlen hochzutreiben: »Wenn zur Erfüllung der Umsatzprognosen am Quartalsende noch ein paar Millionen fehlen, wird die notwendige Stückzahl dann eben mit großzügigen Rabatten noch an einen Broadliner verkauft.«

Die Hauptschuld gibt Nickenig aber der diffusen Preispolitik und den zahlreichen Promotion- und Rabattaktionen der Hersteller. »Wenn einige Hersteller ihre Gold-Partner günstiger beliefern als die Distribution, ist die Versuchung groß, die Produkte weiter zu verkaufen. Auch günstige Konditionen für Projektgeschäfte verlockten Systemintegratoren dann eben statt zehn gleich 20 Switches zu ordern.«

Dabei wäre eine effektive Kontrolle für die Hersteller nicht allzu schwer. Als Musterbeispiel nennt Nickenig den Komponentenhersteller Extreme Networks, der dank eines intelligenten Seriennummern-Systems und einer konsequenten Preispolitik kaum Möglichkeiten für Graumarktgeschäfte lässt. »Extreme-Produkte finden sie kaum auf dem Graumarkt«, so Nickenig. So hält der Hersteller die Preise stabil, was auch Distributoren und Resellern zugute komme.

Preisgünstige Produkte aus dubiosen Kanälen machen auch der Distribution zunehmend zu schaffen. »Immer mehr Wiederverkäufer versuchen, mit dem Verweis auf billigere Graumarktware den Einkaufspreis zu drücken«, erklärt Santiago Catrufo, Vertriebsleiter beim Distributor Wave. Dabei kann Wave-Firmensprecher Björn Bartsch Partnern nur davon abraten, die schnelle Mark mit Graumarktprodukten zu machen: »Der Händler muss dem Kunden zwei Jahre die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistung garantieren. Bringt der Kunde ein defektes Produkt zurück, bleibt der Händler darauf sitzen. Denn der Distributor erkennt anhand der Servicenummern, ob das Produkt bei ihm gekauft wurde und verweigert den Umtausch.« Auch die Hersteller würden, von Ausnahmen abgesehen, solche Produkte nicht austauschen. Auf der sicheren Seite seien Kunden eben nur, wenn sie bei seriösen Distributoren kauften.

_________________________________________

INFO

Algol Deutschland GmbH
Heinrich-Pesch-Straße 10, D-50739 Köln
Tel. 0221 96373-0, Fax 0221 96373-33
www.algol-deutschland.de

Fuji Photo Film Europe GmbH
Heesenstraße 31, D-40549 Düsseldorf
Tel. 0211 5089-0, Fax 0211 5089-344
www.fujifilm.de

Hewlett-Packard GmbH
Herrenberger Straße 140, D-71034 Böblingen
Tel. 07031 14-0, Fax 07031 14-2999
www.hewlett-packard.de

LG Electronics Deutschland GmbH
Jakob-Kaiser-Straße 12, D- 47877 Willich
Tel. 02154 492-0, Fax 02154 4287-99
www.lge.de

Pentax Europe GmbH
Julius-Vosseler-Straße 104, D-22527 Hamburg
Tel. 040 56192-0, Fax 040 56192-247
www.pentax.de

Wave Computersysteme GmbH
Philipp-Reis-Straße 9, D-35440 Linden
Tel. 06403 905040-00, Fax 06403 905040-09
www.wave-computer.de


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+