Zahlungsgewohnheiten

Kontakt- und bald gänzlich bargeldlos

1. Juni 2021, 7:23 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Bluedesign

Wirecard ist untergegangen, aus dem Gefängnis sieht Ex-CEO Markus Braun seine Vision aber immer mehr Wirklichkeit werden. Corona hat den Weg zu einer Karten- und Smartphone-Zahlung geebnet. Jetzt muss der Handel überall beglückt werden.

Die Luftnummer des Markus Braun wäre ohne bargeldlose Bezahlung im Online- und Offlineraum nicht möglichgewesen, weshalb der Ex-Chef der wegen Betrug in die Insolvenz geschlitterten  Wirecard die Vision einer Gesellschaft  ohne Bargeld gerne vortrug. Buchgeld war die Geschäftsgrundlage seines kapitalen Verbrechens, aber auch ohne den Vorsatz dreister krimineller Energie halten Befürworter von Papier-  und Münzgeld bargeldlose Transaktionen für den Anfang vom Ende anonymer Bargeldzahlungen. Sie werden es sehr bedauern, dass eine Pandemie der bargeld-kontaktlosen Bezahlung den Weg bereitet hat. »Kontaktloses Bezahlen wird durch Corona zum Standard«, hat der Bitkom ausgerufen.


Ein winziger Chip auf Plastikkarten schickt sich an, auch Microbeträge an der noch so kleinsten Ladenkasse und am Automaten zu begleichen, ohne die Karte in einen Schlitz zu stecken. Wozu noch Bargeld, wenn bereits jetzt neun von zehn Konsumenten hierzulande dem Übertragungsstandard Near Field Communication (NFC) das Vertrauen schenken? Selbst die Kirchen und wahrscheinlich bald schon Bettler gehen mit der Zeit. »Digitale Kollekte« gibt es als Eintrag auf Wikipedia, seit vor einigen Jahren die ersten Kirchen Opferstock und Klingelbeutel zu Kassensystemen aufgerüstet haben.


»Kontaktloses Bezahlen ist seit Beginn der Corona-Pandemie zum absoluten Standard geworden – und wird das auch bleiben. Es ist bequem, schnell und mit Smartwatch oder Smartphone dank biometrischer Schutzmaßnahmen wie Fingerabdruckscanner besonders sicher«, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder und wirbt mit dieser Meldung für die Digital Finance Conference seines Verbands.  Dort treffen sich technologische Vorreiter, Vertreter klassischer Banken, vor allem aber auch Fintechs, um über dezentrale Finanz- und Blockchain-Lösungen, digitale Souveränität oder Plattformen in der Finanzlandschaft zu sprechen. Auch das Thema Nachhaltigkeit darf nicht fehlen.


Ein Drittel aller Konsumenten hierzulande habe in der Corona-Pandemie erstmals das so praktische kontaktlose Bezahlen ausprobiert, so der Bitkom. Und noch eine Grenze aus Sicht von Bargeldbefürwortern wurde überschritten: Zehn Prozent hätten zum ersten Mal mit Smartphone oder Smartwatch bezahlt. Auch das geht natürlich kontaktlos.


Wahlfreiheit – aber nicht für den Händler
Derart ermutigt von der Masse, könnten Bargeldfreunde schon bald eine weitere Grenzüberschreitung, wenn nicht gar Übergriffigkeit hinzunehmen haben. Den Zwang nämlich, dass der Gesetzgeber alle Geschäfte gesetzlich verpflichtet, mindestens eine elektronische Bezahlmöglichkeit anzubieten. Es sei »überfällig«, so der Bitkom-CEO, »dass Kundinnen und Kunden überall echte Wahlfreiheit beim Bezahlen bekommen. Digitales und kontaktloses Bezahlen sollte flächendeckend genauso akzeptiert werden wie Cash«.


Der allerletzte Tabubruch wäre die Abschaffung des Bargelds. Man wird sich zumindest gedanklich mit einer solchen ökonomisch-kulturellen Jahrtausendrevolution auf der rein virtuellen Digital Finance Conference beschäftigen.

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