Ungleichheit

Steuern für Reiche und reiche Konzerne

16. April 2021, 8:06 Uhr | kopfnuss@ict-channel.com
© AdobeStock/Andrey Popov

Ausgerechnet Amazon-Chef Jeff Bezos und der IWF fordern ein bisschen weniger Ungleichheit bei der Besteuerung. Droht nun das Ende der Armut und bricht die Wohlfahrt für alle aus? ICT CHANNEL-Kopfnuss lotet aus, was dahinter steckt.

Bertolt Brechts Zitat »Erst kommt das Fressen, dann die Moral« ist falsch. Im Hyperkapitalismus muss es heißen: »Erst kommt das Fressen, dann noch lange, lange gar nichts«. In den USA gibt es Ökonomen, die vom Staat fordern, er solle Milliardäre finanziell unterstützen. Und das ist jetzt leider kein Witz! Dass Superreiche keine Steuern zahlen (und auch nicht zahlen sollten) versteht sich da von selbst. Ihre quasi auf volkswirtschaftlichen Naturgesetzen basierende Rabulistik ist der nicht unerfolgreiche Versuch, die staatliche Gemeinwohlaufgabe auf den Kopf zu stellen und Transferleistungen von unten nach ganz oben fließen zu lassen. Frei nach dem schlichten Motto: Wenn es den Reichen gut geht, geht es auch den Armen gut.


Mehr Therorie braucht man als Volkswirt nicht zu wissen. Vielleicht noch die missionarische Gabe besitzen, der tumben Masse glaubhaft zu versichern, dass Besitz zu nichts verpflichten könne und die grenzenlose Freiheit des Kapitals die allgemeine Wohlfahrt schon irgendwie mit sich bringen werde. Wer nichts hat, solle im Übrigen froh sein, nichts verlieren zu können. Die Akkumulation von Vermögen dagegen ist mit schrecklichen Verlustängsten verbunden. Dass Geld mehr Last als Lust ist, dafür gibt es fürs tumbe Volk schließlich einprägsame Dichtungen, wie das Märchen von Hans im Glück. Von aller materiellen Last befreit  -  und freilich allzu naiv um seinen Lohn betrogen - geht es für den am Ende besitzlosen Hans doch sehr gut aus: »So glücklich wie ich, gibt es keinen Menschen unter der Sonne«, heißt es bei den Gebrüdern Grimm.


IWF und Amazon-CEO für Steuereröhungen
Dem Hans des 21. Jahrhunderts, und nicht nur ihm, dämmert dagegen allmählich, dass er vorgeführt wird. Wenn er Meldungen wie diese liest: Der »IWF fordert höhere Steuern für Reiche« oder dass Jeff Bezos sich für höhere Unternehmenssteuer ausspricht und US-Präsident Joe Biden ermuntert, Bundessteuern auf 21 bis 28 Prozent zu erhöhen. Ist der Amazon-Chef etwa vom Blitz getroffen? Ein solcher Schlag soll ja, überlebt man ihn, zur spontanen Entdeckung eines Gewissens führen (siehe Apostelgeschichte 9, 1-9, vom Saulus zum Paulus). Man darf beim reichsten Mann der Welt indes ein anderes Damaskus-Erlebnis vermuten: Ich gebe, damit du mir nicht zu viel nimmst - respektive nicht alle Steuerschlupflöcher stopfst.


Reaganomics ausgedient
Warum also nicht ein paar Dollar von all den akkumulierten Milliarden dem Fiskus in die Hosentasche stecken? Zumal sich Bernie Sanders anschickt, vor die Werkstore zu ziehen und sie mit Postern wie »Back to 70% Tax« zu plakatieren. So hoch nämlich war Anfang des 20. Jahrhunderts der Spitzensteuersatz in den USA, bevor in den 80er Jahren US-Präsident Ronald Reagan die Sätze für Reiche massiv senkte und die wegbrechenden Staatseinnahmen durch Ausverkauf von Staatsvermögen finanzierte. Das Haushaltsdefizit erreichte dennoch ein Rekordhoch.  

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