Kopfnuss

Tote Hose im Nokia-Village: Handy-Produktion auf Transsylvanisch

10. November 2009, 6:27 Uhr |

Heute geht es uns wie dem altehrwürdigen Orakel von Delphi, das sich auch furchtbar gefreut haben dürfte, wenn eine seiner Prognosen tatsächlich einmal eintraf.

Vor gut einem Jahr – anlässlich der Verlegung der Nokia-Handy-Produktion nach Jucu in Rumänien inklusive Werksschließung in Bochum – orakelte die Kopfnuss nämlich Folgendes: Die Einwohner des neuen rumänischen »Nokia Village« werden sich nicht allzu lange am neuen Handy-Wunderland erfreuen können. Der finnische Hersteller würde nur eben die versprochenen EU-Subventionen abholen und die Produktion dann flugs in ein noch kosteneffektiveres Gebiet (Mongolei?) verlegen. Mutmaßten wir seinerzeit.

Für die armen Rumänen kam es dann aber noch viel schlimmer: Nokia blieb. Und zwar ohne auch nur eines seiner vielen absurden Versprechen einzulösen. Dabei hatten sich die Bewohner der vermeintlichen transsylvanischen Boom-Town ihre Zukunft golden ausgemalt, für die urplötzlich arbeitslos gewordenen Nokia-Angestellten in Bochum nichts als Häme übrig. Jetzt fängt die Fernsehkamera eines ARD-Reportage-Teams hämisch Bilder von geduckt schleichenden Arbeitslosen in der Nokia-Wüste ein. Wellblechhütten statt Pracht- bauten, Sklavenhaltung statt Arbeitswunder. Von 3.500 versprochenen Arbeitsplätzen wurde nicht einmal die Hälfte geschaffen, Kündigungen gebe es anstelle von Neueinstellungen. Traurig zeigt der Bürgermeister der Gemeinde auf einen verwahrlosten Kinderspielplatz: »Der wurde auch nie fertig gestellt.« Immerhin glauben Experten, dass Nokia vorerst nicht umziehen, sondern weiter untätig in Jucu verbleiben werde.

Wenn auch das Wirtschaftswunder ausbleibt, so hat das Siebenbürgener Land doch seit kurzem mit Herta Müller immerhin eine Literaturnobelpreisträgerin, die »mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit« (so die Laudatio der schwedischen Akademie) zeichnet. Also frei nach Goethes Tasso (»Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt – gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide«) wünschen wir uns alsbald von Frau Müller eine poetisch solide Aufarbeitung dieser Vorgänge.


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