Corona verschärft Armutsrisiko

Verblasste Leistungsgesellschaft

12. März 2021, 11:10 Uhr | Martin Fryba
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Armut trotz Job in der doch so boomenden IT-Branche? Ja, es gibt sie auch hier. Generell beobachtet das Statistische Bundesamt seit dem Ende der 90er Jahre, dass das Armutsrisiko steigt, Armut sich verfestigt. Das neue Statussymbol ist nicht mehr das Auto, sondern Homeoffice.

Der aktuelle Sozialbericht der Bundesrepublik Deutschland belegt einmal mehr, wie weit die Einkommensschere in Deutschland seit Ende der 90-er Jahre mittlerweile auseinandergegangen ist. Die Corona-Krise ist nicht die Ursache von Armut in einem der reichsten Länder der Welt. Sie verschärft aber die Einkommensungleichheit erheblich und sie zementiert wohl auch, was der eben veröffentlichte Sozialbericht der Bundesrepublik Deutschland an Zahlen belegt: Wer einmal arm ist, kommt aus dieser Armut immer schwerer heraus. Nicht einmal jeder zweite schafft es. Der Anteil der dauerhaft in Armut verbleibenden Menschen habe sich seit 1998 verdoppelt, heißt es im Datenreport 2021. Selbständige, Niedrigverdiener, Geringqualifizierte und Alleinerziehende »kämpften mit finanziellen Schwierigkeiten«.

Besserverdienende im Homeoffice
Homeoffice ist der neue Kristallisationspunkt, an dem man zwischen prekären und gut situierten Berufen und Gehaltsklassen unterscheiden kann. Vor einem Jahr noch »Randphänomen«, wie der Datenreport schreibt, liege der Anteil der Beschäftigten, die von Zuhause arbeiten, bei knapp 30 Prozent. Diese Beschäftigten in typischen Büroberufen wie Marketing oder Finanzdienstleistungen würden überwiegend zur Gruppe der oberen Einkommen gehören. Dagegen würden weniger als sechs Prozent der Beschäftigten aus dem unteren Drittel der Einkommensverteilung im Homeoffice arbeiten. Fazit: Homeoffice nutzen vor allem Besserverdienende.

Nicht mehr das Auto in der einstweilen immobilen Gesellschaft ist Statussymbol, sondern Nachbarn zeigen zu können, nicht jeden morgen aus dem Haus gehen und sich auf den Weg zur Arbeit machen zu müssen. Homeoffice ist Ausweis eines besseren, besser bezahlten Lebens.


Ungleichheit wird zum Thema
Das hohe Ausmaß sozialer Ungleichheit wird in der Breite der Bevölkerung wahrgenommen. Dass sich der Staat für den Abbau von Einkommensunterschieden einsetzen soll, befürworten mittlerweile drei von vier Bundesbürgern im Westen (2002 lediglich jeder zweite) und 80 Prozent in Ostdeutschland. Ökonomen wie Thomas Piketty haben mit ihren Büchern dazu beigetragen, das  Bewusstsein für Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen zu schärfen. Weniger bei konservativen Ökonomen freilich, die Piketty wahlweise für einen Marxisten oder Sozialromantiker halten und seine Thesen vehement bestreiten. Doch mehr und mehr Menschen auch aus oberen Einkommen erkennen die soziale Sprengkraft, die ein demokratisches Gemeinwesen bedroht, das zunehmende Ungleichheit ignoriert.


Prekäre IT-Jobs
Manager wie der Chef der IT-Verbundgruppe Synaxon, Frank Roebers, verschließen auch mit Blick auf die eigene Branche und Klientel nicht die Augen vor einer Prekarisierung. Roebers fordert seine korporierten Fachhändler auf, Arbeit zu prekären Löhnen nicht mehr anzubieten, nötigenfalls das Geschäftsmodell zu wechseln. Bei Löhnen unter 2.000 Euro brutto (etwas höher in Ballungsräumen),  die es bei rund 15 bis 20 Prozent der Synaxon-Partner durchaus gäbe, sieht Roebers grundsätzlichen Handlungsbedarf.


Prekär bezahlte Job in der IT-Branche, das mag für viele Beschäftigte in diesem allgemein doch sehr gut zahlenden Wirtschaftszweig überraschend sein. Doch es gibt sie auch hier, wo man sie in diesem so prosperierenden Sektor nicht vermuten würde.


Leistung muss sich lohnen, muss so entlohnt werden können, dass Wirtschaft und Gesellschaft weiter auf sozialen Frieden in einem freiheitlichen Gemeinwesen aufbauen können. Das ist die Botschaft von Roebers, die auf viel Zustimmung unter den IT-Partnern fiel. Eine Leistungsgesellschaft, die Leistung nur noch so honorieren will, dass immer mehr Beschäftigte immer weniger haben, tritt Leistung mit Füßen.

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