Zahlungsmoral in der Corona-Krise

Wahrer Zahltag verspätet sich

31. Mai 2021, 11:50 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/MQ-Illustrations

Die Unsicherheit der sonst so sicher mit Zahlen hantierenden Auskunfteien ist in jedem ihrer Sätze zu spüren: Die Lage sei »paradox«, die Zukunft »vermeintlich« rosig. Der glasklar urteilende Buchhalter muss spekulieren und jede seiner Analysen mit »es dürfte« und »es drohe« einleiten.

Will man von allen bundesdeutschen Unternehmen und allen erwachsenen Bundesbürger ein Röntgenbild ihres finanziellen Gesundheitszustands machen, wird man auf den Datenschatz von Wirtschaftsauskunfteien nicht verzichten können. Den größten Schatz ihrer Art besitzt Creditreform: In ihrem Rechenzentrum sind Daten zu knapp fünf Millionen Unternehmen in Deutschland sowie weit über 100 Millionen personenbezogene Datensätze zu über 60 Millionen Bundesbürgern gespeichert. Darunter immer wieder einige nicht korrekte Informationen, die meisten Datensätze allerdings lassen oder ließen, muss man seit der Corona-Pandemie besser sagen, valide Aussagen zu wichtigen Finanzkennzahlen zu. Nun allerdings können sich mit Debitoren und Kreditoren befasste Buchhalter immer weniger auf Statistik und Ratings verlassen, die ihnen Auskunfteien regelmäßig übermitteln.


Die offiziellen Zahlen, beispielsweise zum Insolvenzgeschehen 2020, sind absurd.  Würde man sie für bare Münze nehmen, man hätte in Europa so wenige ungesunde Pleitefirmen wie zuletzt vor 30 Jahren. Gleiches Bild ergibt sich bei der Zahlungsmoral deutscher Unternehmen. Sie habe sich im ersten Quartal 2021 »leicht verbessert«, stellt Creditreform fest. Über alle Branchen hinweg betrage der  Zahlungsverzug 10,1 Tage, einen Tag weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Ergo: Es werde wieder pünktlicher bezahlt, sagt Patrik Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Um gleich darauf zu betonen, dass dies gar nichts zu bedeuten hat. »In der größten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg spiegeln sich die Corona-Krise und die erwarteten Liquiditätsengpässe weiterhin nicht in der Zahlungsmoral«, so Hantzsch.


Wie beim Insolvenzgeschehen so gelte auch bei der Zahlungsmoral: »Zur Stabilisierung haben vor allem die massiven staatlichen Hilfsmaßnahmen beigetragen, durch die große Mengen Liquidität an die Unternehmen ausgereicht wurden«.


Suspendierter Wettbewerb bleibt wohl im Superwahljahr ausgesetzt
Zudem dürften sich die Unternehmenslenker mittlerweile an die Krise gewöhnt und ihr Risiko- als auch ihr Forderungsmanagement an die dauerhafte Ausnahmesituation angepasst haben, mutmaßt Creditreform. Vor der Krise hätten sich viele Mittelständler mit ausreichend Liquidität versorgt, um in der heraufziehenden Krise handlungsfähig zu bleiben. Dies sei aber weniger ein Zeichen der Gesundung, »denn es droht beim Auslaufen der Corona-Hilfen eine drastische Verschlechterung des Zahlungsverhaltens in besonders vom Umsatz abhängigen Bereichen«, mahnt Hantzsch.


Die aktuell positive Zahlungsmoral ist trügerisch und brüchig, wie die Insolvenzstatistik auch. Kaum eine Partei wird im Superwahljahr 2021 das Ende staatlicher Konjunktur- und Hilfsprogramme ausrufen wollen. Niemand kann daher vorhersagen, wann die Auskunfteien aus ihren Statistiken wieder ein getreues Abbild der Wirtschaft zeichnen können.


Weil Creditreform den wahren Zahltag einstweilen in die Zukunft verlegen muss, lautet der Ausblick für Gesamtdeutschland daher: »mäßig bis verhalten«. Begründung: Die Situation der Unternehmen »dürfte sich unter realen Wettbewerbsbedingungen deutlich verschärfen«.

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