»Wir werden keinesfalls über den Preis verkaufen«

15. Januar 2004, 0:00 Uhr |

»Wir werden keinesfalls über den Preis verkaufen«. Den IT- und TK-Messen weht ein eisiger Wind entgegen. Auch beim Messeweltmeister Deutschland und selbst für die verwöhnte Cebit (18. bis 24. März). Unternehmen reduzieren ihre Messepräsenz. Andere, darunter auch HP, bleiben der Veranstaltung fern. CRN-Mitarbeiter Wolfgang Kühn sprach mit Ernst Raue, zuständiges Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG, über den Zustand der Messelandschaft.

»Wir werden keinesfalls über den Preis verkaufen«

CRN: Herr Raue, was ist los mit der Cebit?

Raue: Der Cebit geht es gut.

CRN: Meinen Sie das ernsthaft?

Raue: Im Vergleich zu allen anderen Messen im ITK-Umfeld setzen wir uns sogar noch einmal vom Wettbewerb ab. Dass einzelne Firmen aussteigen, haben wir schon immer gehabt. Andere erweitern ihre Ausstellungsfläche und neue neue Firmen kommen hinzu. Wir haben die stabilste und größte Messe weltweit. Im ITK-Bereich ist die Cebit mit über 300.000 Quadratmeter unangefochten die Nummer eins.

CRN: Vor zwei Jahren gab es mehr Bewerber als Ausstellungsfläche. Jetzt gibt es mehr Fläche als Aussteller. Ungewöhnlich viele große Unternehmen, so unter anderem Hewlett-Packard, bleiben der Cebit fern.

Raue: Es ist immer die Frage, ob das ein strukturelles Problem der Cebit ist oder ob Unternehmen, wie beispielsweise HP, sich grundsätzlich anders aufstellen und eine andere Kommunikationsstrategie fahren. Bei HP ist es so, dass Frau Fiorina weltweit für 350 Millionen Dollar Werbung macht. Dem sind Veranstaltungen wie die Cebit zum Opfer gefallen.

CRN: Aber bei HP müsste es Sie doch besonders schmerzen, gehört doch dieses Unternehmen mit seinem festen Messestand in der Halle 1 zu den Institutionen der Cebit?

Raue: Ich glaube nicht, dass man sich heutzutage noch auf Institutionen verlassen kann. Außerdem ist die Fläche von HP direkt von Microsoft und Fujitsu Siemens übernommen worden. Das zeigt, dass andere Unternehmen voll auf die Cebit setzen. Die Entscheidung zum Fernbleiben von HP ist direkt aus den USA gekommen. Das Deutschland-Management hätte vielleicht anders entschieden.

CRN: Sie hoffen also, dass HP im kommenden Jahr wieder dabei sein wird?

Raue: Ich gehe davon aus. Die Gespräche zwischen uns und HP haben diese Möglichkeit in keiner Weise ausgeschlossen. Außerdem ist HP auch 2004 mehrfach auf Partnerständen präsent.

CRN: Werden die ITK-Messen in den kommenden Jahren noch weiter an Bedeutung verlieren? Ist die Position Deutschlands als Messeweltmeister gefährdet?

Raue: Die Bedeutung einer Messe ist natürlich von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Wenn ein Unternehmen sparen muss, dann zumeist bei den Marketingaufwendungen. Ob das immer klug ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber es ist nun einmal so. Auf der anderen Seite halte ich vorschnelle Sparmaßnahmen bei Messe-Engagements für fatal. Denn wo soll Neugeschäft herkommen, wenn nicht über den Marktplatz Messe? Nirgends außer auf Messen trifft man innerhalb weniger Tage so viele potenzielle Kunden.
In diesem Jahr wird die Cebit etwa zehn Prozent verlieren. Die Systems hatte 2003 etwa 50 Prozent, die Telecom 60 Prozent und die Comdex 90 Prozent gegenüber 2002 verloren. Das zeigt, dass wir eine ausgezeichnete Position einnehmen.
Im übrigen wird sich die Situation der ITK-Messen mit einer Erholung der Konjunktur wieder bessern. Davon bin überzeugt, denn es gibt keine bessere und vor allem auch effektivere Plattform für Kundenanbahnen. Auch die Rolle Deutschlands als so genannter Messeweltmeister sehe ich nicht in Gefahr. Denn die Flaute hat im Prinzip nahezu alle Messestandorte in den Industriestaaten erfasst, außer in Asien.

CRN: Im vergangenen Jahr wurde endlich ein Fachhandelszentrum eröffnet. Wie entwickelt sich der Planet Reseller?

Raue: Damit haben wir, zusammen mit Ihrer Event-Abteilung, im vergangenen Jahr schon einen Treffer gelandet. Wie wichtig der Planet Reseller für uns ist, sehen Sie auch daran, dass wir für diesen Handelsanlaufpunkt kräftig investiert haben. Dieser neue Fokus ist bei Ausstellern und Besuchern sehr gut angekommen und wird sich in diesem Jahr noch verbessern.

CRN: Wie viele Aussteller erwarten Sie zur Cebit?

Raue: Das können wir jetzt noch nicht sagen. Wir haben es mit einer Verlagerung der Anmeldefrist zu tun, wie andere Messen auch. Früher war der Anmeldeschluss im Juli, also acht Monate vor Messebeginn. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Mit Sicherheit werde ich erst Anfang Februar sagen können, wie viele Quadratmeter Ausstellungsfläche konkret verkauft worden sind.
Wir erwarten noch eine Vielzahl an Ausstellern für Gemeinschaftsstände. Obwohl viele dieser vor allem kleineren Firmen ihre Teilnahme in Aussicht gestellt haben, kann ich erst darüber reden, wenn ich sie wirklich unter Vertrag habe.
Besonders erfreulich ist die Beteiligung aus Asien. Aus Taiwan beispielsweise haben wir 700 Aussteller, das sind mehr denn je. Zögerlich hingegen verhalten sich deutsche IT- und TK-Firmen. Zahlreiche Unternehmen gibt es gar nicht mehr, denken wir an die hohe Insolvenzquote in Deutschland. Allein im letzten Jahr sind rund 2.000 ITK-Firmen in Deutschland aus dem Markt ausgeschieden.

CRN: Werden Sie kurz vor Beginn der Cebit freie Ausstellungsflächen zu Sonderpreisen anbieten, um doch noch die eine oder andere Firma von einer Messeteilnahme überzeugen zu können?

Raue: Wir werden auf keinen Fall über den Preis verkaufen. Denn damit würden wir den Wert der Cebit und damit den Brand beschädigen. Eher werden wir eine Halle nicht belegen und die anderen verdichten, als dass wir den Marktplatz Cebit über den Preis zerstören.

CRN: Sie rechnen also fest damit, dass zur kommenden Cebit eine Halle weniger geöffnet sein wird?

Raue: Eine von 27 Hallen, das ist gut möglich. 2003 hatten wir die Aussteller großzügiger verteilt. Aber für Aussteller und Besucher ist es besser, wenn die Hallen dichter belegt sind. Wenn eine Halle nicht geöffnet wird, dann wird das die Halle 9 sein.


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