Von ClickOps zu Network as a Service

Cloud-Netzwerk „to go“

4. August 2022, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Setzte man sich früher gerne auf einen Kaffee oder zumindest einen schnellen Espresso zusammen, so dominiert heute das hastig – und immer mit Blick aufs Smartphone – im Gehen geschlürfte Kaffee-Mischgetränk im Pappbecher: Das Prinzip „to go“ erobert die Welt. Zugleich erobert es – Stichwort „Cloud“ oder „as a Service“ – die Welt der IT. Die ganze Welt der IT? Nein, ein kleines gallisches Dorf voller widerspenstiger Netzwerkadministratoren widersetzt sich eisern der Dominanz des „Ich will alles auf Abruf“-Gedankens. Doch zunehmend scheint manuelles Netzwerk-Management ebenso aus der Zeit gefallen wie einst Asterix’ modernisierungsfeindliches Dorf am Rande des römischen Imperiums.

Wir schreiben das Jahr 2016 n.Chr. Gartner-Analyst Andrew Lerner prognostiziert: „Im Jahr 2020 werden nur 30 Prozent der Netzwerk-Betriebsteams das Command Line Interface (CLI) als primäre Schnittstelle verwenden, gegenüber 85 Prozent am Jahresende 2016.“ Fünf Jahre später wagte der Marktforscher den Blick zurück und musste zugeben: Die damalige Prognose einer schnell voranschreitenden Automation im Netzwerk-Management hatte sich als reichlich optimistisch erwiesen. „ClickOps“ – der manuelle Betrieb – ist nach wie vor die beliebteste Variante der Netzwerkverwaltung: „Weniger als 35 Prozent der Unternehmensnetzwerk-Aktivitäten sind heute automatisiert“, erklärte Lerner Ende Februar mit Bezug auf eine Erhebung unter Gartners Klientel.

„Während der Automatisierungsgrad insgesamt (bestenfalls) nur mittelmäßig ist“, so Lerner, „gibt es einen kleinen Prozentsatz von Unternehmen (und ich spreche nicht vom Typus AWS, Facebook und Google), die mehr als die Hälfte ihrer Netzwerkaktivitäten automatisieren.“ Einige dieser Vorreiter beschränken laut dem Gartner-Mann sogar den manuellen CLI-Zugriff auf die Netzwerkgerätschaft. Lerner wendet sich dabei übrigens gegen die Vermutung, Netzwerkteams würden sich aus Angst vor Jobverlust gegen eine Automatisierung sträuben: Dies entspreche nicht Gartners Erfahrung.

Wie aber gelangt ein Netzwerkteam von der Konfiguration per CLI zum hochautomatisierten Netzwerkbetrieb? „Wir empfehlen die Automatisierung von ‚Quick-Win‘-Aktivitäten wie Troubleshooting, Baselining und Archivierung“, sagt Lerner. Als konkrete Beispiele nennt er:

  • das automatische Befüllen von Trouble-Tickets mit Netzwerkinformationen;
  • die Erstellung einer automatisierten Netzwerkverfügbarkeits-Baseline, etwa die Überprüfung der Betriebszeit für bestimmte Dienste oder Anwendungen;
  • die Erstellung einer automatisierten Netzwerk-Performance-Baseline, zum Beispiel mittels automatisierter Tests, um aufzuzeichnen, ob die Latenz für bestimmte Dienste oder Anwendungen unterhalb des Schwellenwerts bleibt;
  • die automatisierte Archivierung der Gerätekonfigurationen und des Netzwerk-Betriebszustands;
  • sowie das automatische Aktivieren/Deaktivieren von Netzwerküberwachungs-Tools während Änderungen am Netzwerk.

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„Durch die Pandemie entstand der Bedarf an flexiblen Arbeitsumgebungen, ohne dabei auf Performanz und Sicherheit verzichten zu müssen“, so Olaf Hagemann, Director of Systems Engineering DACH bei Extreme Networks.
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Wi-Fi 6 und Automatisierung

„Die zwei größten Trends im Enterprise Networking sind der Ausbau der Wireless-Infrastrukturen durch WiFi 6 und die Automatisierung für das Netzwerk-Infrastruktur-Management, wo Predictive-Analytics-Systeme eine zentrale Rolle spielen“, sagt Falko Binder, Head of Enterprise Networking Architecture bei Cisco Deutschland. Eine solche Lösung hat Cisco Anfang Mai unter dem Namen „Predictive Networks“ vorgestellt: Cisco verkündete, eine Technologie entwickelt zu haben, die eine „Predictive Maintenance“ (vorausschauende Wartung) für Unternehmensnetzwerke ermöglicht.

Per KI-Technik sollen sich künftig Netzwerkprobleme vorhersagen lassen, noch bevor sie auftreten, so das Versprechen. Der IT-Ausrüster hat dazu eine sogenannte Predictive Analytics Engine entwickelt, die er als SaaS-Angebote für sein gesamtes Netzwerkportfolio verfügbar machen will.

Laut Cisco ist „Predictive Networks“ die erste Lösung ihrer Art für den KI-gestützten, vorausschauenden Netzwerkbetrieb. Auf KI – vor allem in der ML-Variante (Machine Learning) – setzen inzwischen allerdings praktisch alle großen Netzwerkausrüster, darunter HPEs Netzwerktochter Aruba mit Aruba AI, Extreme Networks mit ExtremeCloud IQ CoPilot oder auch Juniper mit seiner Netzwerk-Management-Lösung Mist (Englisch für „feiner Nebel“ – ein für deutsche Ohren etwas unglücklich gewählter Produktname).

Reisende auf dem langen Weg von ClickOps zum automatisierten Netzwerkbetrieb mussten letzthin mit einigen zusätzlichen Hürden kämpfen: 2020 brachte die Corona-Pandemie einen Tsunami neuer Home-Office-Nutzer. Das verteilte, inzwischen meist hybride Arbeiten führte zwar die entscheidende Rolle des Netzwerks vor Augen, zugleich aber mussten aufgrund der plötzlich hohen Priorität sicherer Home-Office-Nutzung andere IT-Projekte hintanstehen – von Lieferengpässen aufgrund von Sand im globalen Logistik-Getriebe ganz zu schweigen.

Dieses Jahr verpasste dann Putins Ukraine-Krieg der Weltwirtschaft und damit auch dem IT-Markt einen Dämpfer: Anfang Mai schätzte IDC, dass der Krieg dem ITK-Weltmarkt dieses Jahr einen Verlust von 5,5 Milliarden Dollar bescheren wird. Statt der zuvor erwarteten fünf Prozent soll das globale ITK-Business nun nur noch vier Prozent wachsen, das in Europa nur zwei statt der vormals prognostizierten 3,7 Prozent. Obschon dieser Rückgang laut IDC vorrangig den Consumer-Markt trifft: Auch manches Projekt der Netzwerkmodernisierung und -automatisierung dürfte hier unter die Räder geraten – oder zumindest auf die lange Bank geschoben werden.


  1. Cloud-Netzwerk „to go“
  2. Das Netzwerk als Dienstleistung
  3. Steigende NaaS-Nachfrage

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