Nachhaltigkeit durch Digitalisierung

Fridays for Future erfasst die Tech-Wirtschaft

30. November 2020, 10:29 Uhr | Jan Nintemann / Martin Fryba
Jan Nintemann, Geschäftsführer von Global Fairs
© Global Fairs TT-Messe

Die Klimaleugner im Business-Anzug muss Jan Nintemann nicht erreichen. Ihr gestriger Pfad führt sie ohnehin nicht in die Zukunft. ITK-Unternehmen gestalten den grünen Weg für eine nachhaltige Ökologie und Ökonomie. Ein Kommentar.

Die Fridays for Future-Bewegung sorgte und sorgt dafür, dass die Klimakrise erstmals in das Bewusstsein der breiten Weltöffentlichkeit dringen konnte. Der Klimawandel, maßgeblich durch CO2-Emissionen getrieben, ist neben der digitalen Transformation das Thema Nummer eins in mehr oder weniger allen wirtschaftlichen Sektoren - und somit insbesondere auch in den Techbranchen. In allen Sparten - Consumer Electronics, Home Appliances, IT und IoT, Telekommunikation sowie SmartHome/SmartBuilding – spielt Energieeffizienz eine immer wichtigere Rolle. Was mich wundert: In nahezu allen Branchen und in der Kommunikation ihrer fachlichen Organe steht die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda, während die Klimakrise oftmals nur selten bis gar nicht erwähnt wird. Und wenn, dann spricht man hier und dort gelegentlich über Nachhaltigkeit - das klingt irgendwie positiver und nicht so bedrohlich. Ganz so, als würde das Klimathema den Marktteilnehmern der jeweiligen Branche wirtschaftlichen Schaden zufügen.

Wind of Change
Es ist in Wirklichkeit genau andersherum. Den Schaden werden jene Unternehmen haben, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen, die die Veränderung des Marktes nicht reflektieren  wollen. Sie überlassen es anderen, den Wandel zu gestalten, die Chancen anzupacken, die der Klimaschutz eröffnet. Wir können eine solche Entwicklung aus anderen Branchen studieren: 1990 bei der Entstehung des damals neuen entmonopolisierten Telekommunikationsmarktes.

Die Schnellsten wie Agfeo und  Auerswald oder auch Neueinsteiger im Telecom-Segment wie Panasonic wurden in ihrem jeweiligen Segment Marktführer. Es waren nicht die größten Unternehmen des damaligen deutschen Telekommunikationsmarktes, die als Gewinner des neuen liberalisierten Marktes hervorgingen. Diese »Regel« gilt  genauso auch heute in Zeiten der Digitalisierung und des Klimawandels.

Unternehmen sollten schnellstens beginnen, die absehbar zwangsläufig eintretenden Marktveränderungen aufgrund des Klimawandels als Chance zu begreifen - und nicht als Bedrohung - dies tun sie bei der digitalen Transformation doch auch. Wir müssen und sollten den Wandel unseres Wirtschaftens und Handelns hin zu einer klima- und umweltgerechten Art und Weise nicht als Großunternehmens-getriebene Entwicklung denken. Ganz nach dem Motto: »Die machen das schon!« Genau das ist eben nicht der Fall, wie uns die Autobranche lehrt. Klimaschutz ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, sie wird zu einer zukünftig mehr und mehr von Behörden regulierten neuen Handlungsstruktur mit Vorgaben, die sich holistisch bis in alle Lebens- und Unternehmensbereiche hinein auswirken werden – Stichwort »New Green Deal« der EU.

Seriös betrachtet, ist dies ja kein Umstand, über den man grundsätzlich völlig gegensätzlicher Meinung sein könnte, sondern Tatsachen geschuldet, die sich auf den wohl gründlichsten und am längsten währenden wissenschaftlichen Analyseprozessen unter Beteiligung der meisten Wissenschaftler weltweit begründen. Wer sich diesen Erkenntnissen verschließt, verschließt die Augen vor der Realität und der Zukunft. Eine solche Verhaltensweise sollte man den Entscheidungsträgern von Unternehmen nicht empfehlen.

Bei den zu erwartenden Veränderungen wird es einen Wettlauf zwischen den regulierenden EU- und nationalen Behörden und den Unternehmen in den Märkten kommen, da es Firmen geben wird, die die Zähigkeit der politischen Prozesse bezüglich des Umbaus in eine klimagerechte Welt nicht abwarten wollen. Es können nahezu alle Branchen und Sektoren langfristig wirtschaftlich profitieren, wenn sie sich schnell auf Umwelt-, Ressourcen- und klimaschonende Produkte und Lösungen einlassen, die parallel einhergehen mit einem veränderten, sprich umweltbewussteren Konsumentenverhalten, welches ja schon längst eingesetzt hat.

Smart City – Smart Building
Bestimmten nämlich in der Vergangenheit neben dem Markenimage maßgeblich das Verhältnis von Preis und Nutzungsleistung den Erfolg eines Produktes am Markt, so werden es in Zukunft Klima- und Umweltkriterien sein: je umweltschonender ein Produkt, desto wettbewerbsfähiger gegenüber der Konkurrenz, desto größer der Vermarktungserfolg. Oder aber die Unternehmen verharren eigenwillig in der ausschließlich auf Profitmaximierung ausgerichteten gestrigen klimafeindlichen Welt, an der sie so lange festhalten werden, wie es irgendwie möglich ist. Diese Firmen verlieren nicht nur kostbare Entwicklungszeit in klimagerechte Produkte und Lösungen, sondern sie bereiten auf diese Weise den Pfad ihres eigenen Endes vor.

Schon jetzt müssen sie sich immer mehr auch gegen das Image eines Klimaleugners wehren, denn mit ihrem Verhalten tragen sie auch die Mitverantwortung für gegenwärtige und zukünftige vermeidbare Klimabelastungen. Das hat - neben der Autobranche - von allen wirtschaftlichen Sektoren am wirkungsvollsten die Finanzbranche längst verstanden.


In der Autowelt hat sich seit der »Abgas-Wende«  2015 einiges getan - immerhin steht die Kfz- und Mobility-Welt hierzulande für rund  25 Prozent der CO2-Emissionen. Vernetzen sich zum Beispiel verschiedene intelligent gesteuerte mobile Verkehrskonzepte in der Smart City, können CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden.

In der Gebäudewelt, die derzeit für einen noch größeren CO2-Fußabdruck steht als die ganze mobile Welt, nämlich etwa 35 Prozent, sieht es ganz anders aus. Die in der Baubranche tätigen Unternehmen wissen, mit welchen Materialien in welcher Bauweise der geringste Temperaturverlust erzielt und die unterschiedlichsten Wetterverhältnisse mittels smarter Gebäudetechnik zu einem optimalen energetischen Ergebnis führen. Ein klimaneutrales Gebäude-Management ist möglich - aber nur, wenn KI-getriebene Smart Home- und Smart Building-Steuerungssysteme installiert sind. Das ist bei den allermeisten Gebäuden und Wohnungsnutzungen (Bestandsgebäude) jedoch nicht der Fall. Andererseits aber gibt es von vielen Anbietern längst geeignete marktreife Produkte und Lösungen für Smart Home, Smart Building - und auch für Smart Living. Eine Riesenchance für den stationären und auch installierenden Handel.

Denn die Konnektivität von allen möglichen Haushalts-, Unterhaltungs- und Kommunikationsgeräten auf der einen und smarten Klima-, Licht- und Security-Steuerungsprozessen auf der anderen Seite ist eine Herausforderung für jeden Anwender - und auch für die Einzelhändler und Systemintegratoren, die fit für diese neuen Betätigungsfelder gemacht werden müssen. Die digitale Vernetzung von Wohnungen, Gebäuden, ja ganzer Städte in Verbindung mit der neuen IP-KI-gesteuerten mobilen Welt bildet sozusagen die Basis der neuen spannenden Formel der Techbranchen: Nachhaltigkeit durch Digitalisierung.

Datenschutz First
Dass hier der Datenschutz zu einer lästigen Nebensächlichkeit verkommt, darf aber nicht passieren. Datenschutz sollte das Herzstück aller smarten ITK-gesteuerten Technologien werden. Neueste Marktforschungen stellen fest, dass bis zu 30 Prozent  der Bevölkerung vor Smart Home-Installationen zurückschrecken, weil - mit Recht - befürchtet wird, dass hier in großem Stile private- oder Unternehmensdaten »abgesaugt« werden und smarte Home- und Gebäudetechnik als Einfallstor von Cyberkriminalität eingestuft wird.

Klima-Studio-Konferenz
Der holistische Ansatz, der ja allen Nachhaltigkeitskonzepten zugrunde liegt, stemmt sich bei der exponentiell wachsenden Klimakrise, die uns plötzlich nah und real erscheint, hierbei immer mehr gegen die totale Ab- und Aufspaltung einzelner Fachgebiete und die Aufteilung in viele unterschiedliche technologische Ansätze und Branchen-Sektoren mit ihren vielen einzelnen technischen Ausläufern - quer durch alle Wertschöpfungsstufen des jeweiligen Markt-Segmentes. Durch den Wettbewerb neigen die Sparten der jeweiligen Unternehmen zuallererst dazu, untereinander zu konkurrieren.

Dabei wird das technische und vertriebliche Vermarktungspotential nicht ausgeschöpft, wenn Synergien unterbleiben und gemeinsam effiziente Vermarktungsstrukturen zur schnelleren Durchsetzung am Markt nicht geschaffen werden. Messen sind hier traditionell die Orte, die die Marktteilnehmer eines Segments zusammenbringen und ihr Thema treiben.

Wann ein Zukunftsthema nicht mehr noch Zukunft ist, sondern es sich im Markt mit Produkten und Lösungen zu etablieren beginnt, dafür waren und bleiben Messen vor Ort und künftig wohl Hybrid-Formate beste Indikatoren. Sie fangen bescheiden, aber immerhin an wie etwa die Klima-Studio-Konferenz auf der IFA 2020 Special-Edition. Und wachsen mit der Bedeutung ihres Marktes und/oder differenzieren sich thematisch aus.

Dieses vielfältige, meist technologisch begründete Spartendenken in den besten Zeiten der Computermesse CeBIT trug auch maßgeblich mit zum Niedergang der einst weltgrößten IT-Messe bei, weil die abgespalteten Technologien sich dann erfolgreich rasch eigene Messeplätze schufen: etwa Orgatec, Drupa oder Light+Building - oder auch der MWC.

Was geht mich das »Welt-Phänomen« an?
Gerade die aus der Froschperspektive verengte Betrachtungsweise eines Ingenieurs und eines ganzen technischen Branchensektors verliert den Blick auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer doch inzwischen weitestgehend digital vernetzten Handlungs- und Wirkungsweise. Dies mag auch eine Ursache dafür sein, dass der Klimawandel nur als ein das ganze große System betreffendes »Welt-Phänomen«  wahrgenommen wird - umso leichter fällt es dann den Entscheidungsträgern einer Sparte, den Klimawandel als nur zu einem verschwindend geringen Anteil des eigenen Sektors zu deklarieren. So, als ob dieses »Problem« ihre jeweilige Branche gar nicht tangiere. Genau diese Fehleinstellung aber bremst die wirtschaftliche Entwicklung in eine grüne und klimafreundliche Welt und wirkt immer mehr als ein Bremsklotz für den grünen Fortschritt.  

Jan Nintemann ist Geschäftsführer von Global Fairs. Sein Unternehmen vereint auf dem Reseller-Park der IFA den ITK-Channel. Es bot auch jahrelang im Fachhandelsforum Planet Reseller der CeBIT Herstellern eine Channel-Plattform. Jan Nintemann unterstützt mit Kooperationspartner Smart Home Initiative Deutschland e.V. dessen 2019 neu geschaffene Plattform »Klima-Konferenz am Rande der IFA«.

 

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