Michael Schickram stirbt mit 53 Jahren

Grenzenlose Neugier eines IT-Pioniers

15. Juli 2020, 15:42 Uhr | Martin Fryba
© Schickram IT

Für Zukunft und Innovationen unterwegs in der Welt, in Schwandorf zuhause: Mit Michael Schickram verliert die IT-Branche einen der besten Kenner neuester Technologie, der sich trotz ansteckender IT-Begeisterung stets den Blick für Grenzen bewahrt hat.

Vor wenigen Wochen fand eines unserer regelmäßigen Telefonate statt, bei dem Michael Schickram und ich über die IT-Branche sprachen, spekulierten, Thesen austauschten und wieder verwarfen. Mit kaum einem zweiten so kundigen Brancheninsider wie Michael konnte ich neue, inspirierende Einsichten austauschen. Es ist nicht so, dass Michael, aufmerksamer und stets bestens informierter Leser der Channelpublikationen, jedem Journalisten auf die Schulter klopfte. Er tadelte bisweilen mit seinem messerscharfen Verstand und guten Argumenten Artikel, widersprach freundlich unaufgeregt, wo der Verfasser die Dinge nicht so lange und gründlich durchdacht hatte, wie es ein ruhiger, besonnener Michael Schickram zu tun pflegte.


»Ein heimatverbundener Provinznapoleon, ein bodenständiger Verächter von Buzzwords und Trendkasperleien«, schrieb mein Kollege Samba Schulte 2018 über den Schwandorfer IT-Unternehmer. Aber ein »Napoleon«? Und Provinz, das nach Hinterwäldler klingt? Ein Gen für Macht und Mächtigkeit, für Bühnenglanz oder gar Narzissmus fehlte Schickram gänzlich, und er wird es nicht vermisst haben – als Unternehmer, Vorgesetzter, Familienvater und Mensch. Dafür war jede Menge Platz für Neugier auf Zukunftstechnologie wie Quantencomputing und Tatendrang, angeregt durch Star Wars und die Romane von Perry Rhodan. Das führte ihn in die Welt hinaus und immer wieder zurück zu seinem kleinen Team nach Schwandorf und seinen teils beachtlich großen Kunden in der Region Oberpfalz.


Loyaler Partner
Keine globale Partnerkonferenz seiner wichtigsten Hersteller HPE und HP, keine Schulung zu innovativen IT-Lösungen versäumte »Zertifizierungs-König« Schickram (CRN), mochte die Anreise nach Las Vegas oder ins Silicon Valley noch so beschwerlich sein. »Michael Schickram war einer unserer loyalsten Partner mit der höchsten Anzahl an Zertifizierungen«, sagt Gerry Steinberger von HPE über den »IT-Pionier«, der 1991 noch als Student der Wirtschaftsinformatik mit seinem Freund Andreas Feller sein Systemhaus gründete.


Der heutige Bürgermeister von Schwandorf schätzte Schickrams grenzenlose Neugier, die immer auch Grenzen einer den Menschen aus der Bahn schleudernden Technologieentwicklung reflektierte. Always-on, die ständige Erreichbarkeit im vernetzten Mobility-Zeitalter, das missbilligte sein Kompagnon. Digitaler Burnout, der mit dem Smartphone als Massenprodukt längst die Massen erreicht hat, war noch unbekannt, als Schickram schon damals seinen Mitarbeitern sagte, sie dürfen Samstag und Sonntag geschäftlich nicht erreichbar sein, erinnert Feller.


»Herz und Seele der Schickram IT«
Drei Dekaden anhaltende Verbundenheit mit den beiden Hewlett Packard-Konzernen, trotz so mancher Tiefen, die Michael Schickram mit »seinem« Konzern durchstanden hatte, kommt nicht von ungefähr. Der Erfindergeist von Bill Hewlett und David Packard faszinierte ihn, das mathematische Genie teilte er mit den Gründern dieses Weltkonzerns - und gibt es hoffnungsvoll an seinen ebenso leidenschaftlich Schach spielenden 11-jährigen Sohn weiter.


Und noch eine Gabe hatte Schickram, die man jedem Buzzword-Manager und Marketier in der an Buzzwords so unerträglich reichen IT-Branche wünschen würde. »Michael konnte sich für innovative IT Lösungen begeistern, wie kein zweiter, und vor allem konnte er komplexeste Zusammenhänge einem weniger technisch vertrauten Gesprächspartner verständlich erklären«, sagt Anton Braun. Für ihn war Michael nicht nur »Herz und Seele der Schickram IT«, sondern »einer der ehrenwertesten Menschen, denen ich je begegnet bin«. Stets zu seinem Wort stehend, Vertrauenswürdigkeit als Wert vorlebend, waren Braun und Schickram weit über berufliche Interessen hinaus in Freundschaft verbunden.


Scharfer Zahlenverstand und didaktisches Talent
Branchenkollegen ein Stück weit voraus sein mit Technologie, die in ein, zwei Jahren marktreif sein wird, war bei Schickram keine Vorteilskalkulation, sondern geteilte Leidenschaft, die er nämlich im Partnernetzwerk seines bevorzugten Distributors weitergab. Umso schmerzlicher nun sein Verlust. »Wir verlieren nicht nur unseren ANW Beirat, sondern vor allem einen Freund, einen wunderbaren und liebenswerten Menschen, ein Mitglied der ALSO Familie«, sagt Simone Blome-Schwitzki von Also Deutschland.


Mein letztes Telefongespräch mit Michael endete so ganz anders als alle anderen zuvor. Wir spekulierten nicht über die Zukunft, sondern philosophierten über die Zufälle des Lebens, über Weggabeln, die für uns gestellt wurden und die wir uns später selber stellten. Mathematiklehrer, wie sein Vater, hätte er werden können. Gar nicht auszudenken, was sein scharfer Zahlenverstand und didaktisches Talent aus Hunderten von Schülern gemacht hätte!


Zufälle gibt es immer, es kommt auf die Intuition an, ob man aus Begegnungen gegenseitig dauerhafte, manchmal sogar freundschaftliche Verbundenheit schaffen kann. 2006 führte mich eine Einladung zum 15-jährigen Firmenjubiläum von Schickram&Feller nach Schwandorf, wo ich Geschäftsführer Michael Schickram zum ersten Mal traf. Wie stolz er war, dass Menno Harms, langjähriger Vorsitzender der Geschäftsführung von Hewlett Packard, in seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender zum kleinen Partner in die Oberpfalz reiste und die Laudatio hielt. Seinen spürbaren Stolz durfte ich Jahre später noch ein Stück größer machen.
 

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Michael Schickram
Michael Schickram und Meg Whitman, im Februar 2012 auf der HP Partnerkonferenz in Las Vegas
© ICT CHANNEL

»Meinst Du, wir können sie einfach so stören?«
Im Februar 2012 in Las Vegas haben wir gemeinsam die begeisternde Keynote der gerade frisch zum CEO gekürten HP-Chefin Meg Whitman gehört. Wenig später stellte sich Whitman demonstrativ und »Reseller nah« in die Schlange am Buffet, nur wenige Tische trennten uns von der »Lady«, die zuvor den Saal »rockte«, wie ein US-Partner Whitman stürmisch dankte nach der trostlosen kurzen Ära Leo Apotheker.


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Michael Schickram ist am Montag mit 53 Jahren in seiner Heimatstadt Schwandorf unerwartet verstorben. Er hinterlässt Frau und einen elfjährigen Sohn.


Gedanken und Erinnerungen an Michael Schickram können im digitalen Kondolenzbuch geteilt werden, das Also aufgelegt hat. »Wir werden alle Posts aufbereiten und in gedruckter und gebundener Form seiner Familie und den Mitarbeitern übergeben«, teilt Also mit.


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