CRN-Interview mit Tobias Gerlinger von Owncloud

»Sensible Daten gehören nicht in amerikanische Clouds«

27. September 2019, 10:17 Uhr | Daniel Dubsky
Tobias Gerlinger, CEO von Owncloud
© Owncloud

Es gebe durchaus deutsche oder europäische Alternativen zu amerikanischen Clouds, betont Tobias Gerlinger, CEO von Owncloud, im Interview mit CRN. Die würden zudem nicht nur einen besseren Datenschutz bieten, sondern sich auch flexibler den Bedürfnissen von Kunden anpassen lassen und damit dem Channel mehr Integrationsmöglichkeiten bieten.

CRN: Herr Gerlinger, müssen Daten ausgetauscht werden, setzen Unternehmen oft auf E-Mails, Cloud-Services, FTP-Server oder gar USB-Sticks. Warum ist eine dedizierte Enterprise-File-Sharing-Lösung die bessere Wahl?

Tobias Gerlinger: Weil eine Enterprise-Filesharing-Lösung alle positiven Eigenschaften der genannten Technologien verbindet – und ohne deren Nachteile auskommt. Enterprise Filesharing – on-premises wie mit Owncloud oder in der Public Cloud wie Microsoft Onedrive, Google Drive, Dropbox und Co. – bringen gegenüber dem Dateiaustausch per E-Mail oder USB-Stick zwei entscheidende Vorteile mit sich: Erstens steigt die Produktivität durch vereinfachte und schnellere Arbeitsabläufe um ein Vielfaches, da Mitarbeiter von überall und mit jedem Device auf die Dateien zugreifen und Dokumente live gemeinsam bearbeiten können.

Der zweite wichtige Vorteil liegt in der höheren Sicherheit. Für die Unternehmensführung ist mit einer Filesharing-Lösung jederzeit gewährleistet, dass Dateien nur mit berechtigten Personen geteilt oder ausgetauscht werden. Damit ist das Risiko der unkontrollierten Weitergabe, wie es bei E-Mails, USB-Sticks oder FTP-Servern besteht, von Anfang an eliminiert. Ein Link auf eine Datei kann mit einem Passwort geschützt und mit einem Verfallsdatum versehen sowie jederzeit »durchschnitten« werden.

Bei einer On-Premises-Lösung wie Owncloud kommt noch ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber Cloud-Lösungen wie Onedrive hinzu: Die Datei liegt immer und ausschließlich auf dem Unternehmensserver und damit unter der Kontrolle der Unternehmensführung. Die Daten sind dadurch vor unbefugten Zugriffen zum Beispiel durch ausländische Regierungen geschützt. Aufgrund des offenen Quellcodes und der Installation im eigenen Rechenzentrum ist Owncloud außerdem viel flexibler in eine vorhandene IT-Umgebung integrierbar.

Insgesamt gehen die Funktionen von modernen Lösungen wie Owncloud mittlerweile deutlich über das reine »Sharing« hinaus, weswegen die Branche mittlerweile den Begriff »Content Collaboration« etabliert hat.

CRN: Auch große Cloud-Anbieter wie Amazon, Google und Microsoft, aber auch Spezialisten wie Dropbox und Box bringen sich als einfache und vor allem sichere Alternative für den Austausch von Daten im Unternehmensbereich in Stellung. Sie haben europäische Tochterunternehmen gegründet, nutzen Rechenzentren in Europa und bieten eine Verschlüsselung der Daten. Reicht das nicht?

Gerlinger: Leider nein, wie die öffentliche Diskussion der letzten Wochen zeigt: Die von Ihnen genannten US-amerikanischen Anbieter sind durch ein eigenes Gesetz, den US Cloud Act, dazu verpflichtet, im Falle einer strafrechtlichen Ermittlung oder wenn die nationale Sicherheit betroffen ist, den US-Sicherheitsbehörden Zugriff auf sämtliche Kundendaten einzuräumen, die in ihren Rechenzentren gespeichert sind – auch wenn die Server außerhalb der USA stehen.

Im Endeffekt bedeutet das, dass sensible Daten nicht in amerikanische Clouds gehören – das ist ein absolutes No-Go. Und es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen zu den amerikanischen Clouds gäbe – neben Owncloud gibt es viele weitere erfolgreiche europäische Open-Source-Anbieter wie Kopano mit ihrer Groupware-Lösung oder OpenXchange mit ihrer Office-Suite.

Generell müssen wir uns als Europäer fragen: Wollen wir dauerhaft Dienste von Anbietern nutzen, deren Verständnis von Datenschutz und Datensicherheit sich so fundamental von unserem unterscheidet – oder ist uns unsere digitale Souveränität wichtig genug, dass wir sie langfristig durch den Einsatz, die Förderung und die Weiterentwicklung eigener Technologien bewahren wollen?

Europa war bei der Digitalisierung meist Vorreiter: So wurde das WWW von Mitarbeitern des Teilchenbeschleunigers CERN entwickelt, das MP3-Format vom deutschen Fraunhofer Institut und der Linux-Kernel in Finnland, um nur drei wegweisende Technologien zu nennen. Leider sind US-Unternehmen besser und schneller darin, das Potenzial neuer digitaler Technologien zu erkennen und sich die mit ihnen verbundene Wertschöpfung zu sichern. Auch den Wert der Datenhaltung haben die Amerikaner viel früher erkannt als die Europäer und Unternehmen und Behörden weltweit mit einfach nutzbaren Software-as-a-Service-Angeboten in ihre Clouds gelockt.

Ich bin dennoch zuversichtlich, dass sich die Geschichte hier nicht wiederholt, denn es findet gerade ein Aufwachen und Umdenken statt. So bauen wir mit Owncloud gerade mehrere Clouds für ausländische Regierungen auf, die das Risiko der Nutzung der amerikanischen Clouds erkannt haben, und auch im Unternehmensumfeld steigt die Nachfrage stark an.


  1. »Sensible Daten gehören nicht in amerikanische Clouds«
  2. »Maximale Benutzerfreundlichkeit sorgt für Akzeptanz und Produktivität«
  3. »Enterprise File Sharing spielt eine zentrale Rolle in der Digitalisierung«

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