Misstrauen gegenüber Digitalisierung

„Der Preis für den Fortschritt wird als zu hoch empfunden“

30. Mai 2022, 9:22 Uhr | Martin Fryba
Wenn Technologie zu Vertrauens- und Kontrollverlust führt. Vmware-Studie: Konsumenten wissen nicht, wer Zugang zu ihren persönlichen Daten hat und wie sie verwendet werden.
© AdobeStock/Ok-Foto

Sag mir wo die Daten sind? Nicht einmal Experten überblicken, wer wann über wen Daten sammelt und was mit ihnen passiert. Kein Wunder, dass Vmware tiefes Misstrauen bei Verbrauchern gegenüber der Digitalisierung feststellt. Die Lösung: recht simpel, aber wohl eher aussichtslos.

6.000 Verbraucher in Europa, darunter über 1.000 aus Deutschland, befragte Vmware zum Thema Datenökonomie und Technologie-Innovationen. Ein Fragenkomplex betraf auch die Erhebung und Verwendung persönlicher Daten, und hier ein erstaunliches Teilergebnis: Mehr als die Hälfte (59 Prozent) der deutschen Konsumenten wisse nicht, wer Zugriff auf ihre persönlichen Daten hat und wie sie verwendet werden, so Vmware. Man hätte hier eigentlich eine Quote vermutet, die sonst nur auf  chinesischen Volkskongressen erzielt werden: 100 Prozent. Wer kann schon genau sagen, wer wann über wen Daten sammelt. Klar ist jedem, dass dies Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Amazon, Apple oder das mit Kameras übersäte China tun. Zu welchem Zweck persönliche Daten gesammelt werden  ist hinlänglich bekannt: im harmlosesten Fall personalisierte Werbung, im schlimmsten Fall Bürgerüberwachung und –disziplinierung sowie cyberkriminelle Schädigung.

Misstrauen der Verbraucher ist mehr als berechtigt, wie die Studienergebnisse von Vmware und die täglichen Nachrichten über Cyberattacken, Datenmissbrauch und Datenpannen belegen, bedauert Björn Brundert, Principal Technologist bei Vmware. Er kann die Schattenseiten freilich nicht ausblenden, über die Medien nach dem Motto berichten, dass nur schlechte Nachrichten gute sind.

Deutsche sind gar nicht so fortschrittsfeindlich
Jeder technologische Fortschritt wird von Rückschlägen begleitet: Unglücke im beginnenden Zeitalter der Eisenbahn, tödliche Unfälle der ersten Flugpionieren, über 19.000 Verkehrstote 1970 auf Deutschlands Straßen (2.569 in 2021) oder havarierte Atomkraftwerke. Bei allem den Deutschen nachgesagtem Misstrauen gegenüber technologischen Neuerungen muss man indes feststellen, dass Innovationen vielleicht gebremst, aber nicht gestoppt werden können. Und so innovationsfeindlich, wie manche Historiker und Soziologen den Deutschen attestieren, sind sie gar nicht. Die Mehrheit der von Vmware befragten Deutschen habe Interesse an digitalem Fortschritt und sei überzeugt, „dass Technologie zum digitalen Fortschritt Deutschlands beitragen kann, indem sie neue Arbeitsplätze schafft, und 63 Prozent wünschen sich Investitionen in technologische Innovationen, um unsere Welt nachhaltig zu beeinflussen“.

Vmware-Manager Brundert sieht aber eine besorgniserregende Kluft zwischen dem digitalen Interesse der Konsumenten und ihrem tief sitzenden Misstrauen, wie ihre Daten verwendet werden. „Das könnte das Potenzial der Technologie für möglichen Fortschritt untergraben“. Regierungen aber auch die Industrie müssten Brundert zufolge jetzt wichtige Schritte unternehmen, damit Konsumenten auf die gemeinsame Nutzung von Daten vertrauen könnten, um die Möglichkeiten der Digitalisierung voranzutreiben.

Regulatorische Maßnahmen wie die vor vier Jahren in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung in der EU (DSGVO) sind zwar ein erster Schritt. Doch Unternehmen und der für die IT-Industrie sprechende Bitkom beklagen, dass das „Bürokratiemonster DSGVO“ die Datenökonomie eher bremse statt Transparenz im  Umgang mit persönlichen Daten zu schaffen.

Bewusstsein für positiven Fortschrittsglauben schaffen

Was also tun? Björn Brundert wüsste es und ginge es nach ihm, er würde lieber viel mehr über die Errungenschaften sprechen, die mit der Erfassung und Analyse von Daten schon erreicht sind. Die gibt es ohne Zweifel beim Klimaschutz, in der Medizin, im Energie-Sektor oder beim Transport- und Verkehrswesen – Stichwort Smart Cities. „Wir sind an einem entscheidenden Punkt angelangt, an dem technologische Innovationen und digitale Erfahrungen unser Leben, unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und unseren Planeten positiv beeinflussen können“, sagt er. Helfen würde mehr positive Medienberichterstattung also, ohne die Gefahren technologischer Innovationen in der Datenökonomie aus den Augen zu verlieren. Verordnen lässt sich so eine mediale Berichterstattung freilich nicht. Erst recht nicht, weil immer noch viele Unternehmen und Behörden wegen laxer Datenhaltung Anlass zu negativer Kritik bieten.

Es ist ein Kipppunkt erreicht, den der Vmware-Manager spürt. Denn die Bürger seien nicht bereit, notwendige Daten zu teilen. Es mangele ihnen „an Bewusstsein für die Art von Daten, die benötigt werden, um diesen Fortschritt voranzutreiben“. Der Preis, den sie für den Technologiewandel zu zahlen hätten, sei ihnen zu hoch, so Vmware-Manager Björn Brundert. Es wird nicht zuletzt auch die Aufgabe seiner Industrie sein, an diesem Bewusstsein für einen positiven Fortschrittsglauben zu arbeiten.

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