Mitarbeiterüberwachung im „New Work“

Immer schön lächeln und fleißig tippen

9. Dezember 2021, 11:36 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Seventyfour

Reine Büroanwesenheit reichte bis dato vielen Firmen als Ausweis von Produktivität. Nun aber sollen Mitarbeiter zuhause nur nicht unkontrolliert bleiben. Mit ungeahntem Elan kommen Keylogger, Kameras und sonstige Überwachungstools zum Einsatz. Viele der Überwachten ziehen den Stecker.

Wer von acht Uhr bis 17 Uhr im Büro sitzt, erledigt seine Arbeitspflicht. Wer noch zwei, drei Stunden darauflegt, gilt als engagiert und wird befördert. Hauptsache man ist da und wird vom Chef – vor allem nach Büroschluss – gesehen. Karriere, die wird nach 17 Uhr gemacht! Bis zum März 2020 war die gute alte Präsenzkultur mit in den Abendstunden strategisch gesuchter Nähe zum Firmenpatriarchen intakt.

Dann kam Corona samt Homeoffice und schlagartig setzte beim Chef die Befürchtung ein, dass Mitarbeiter zuhause in der Nase bohren könnten (wobei sie das freilich auch im Büro könnten). Das Thema Mitarbeiterproduktivität, keineswegs neu, erhielt jedenfalls mit Homeoffice und „New Work“ schlagartig aktuelle Dringlichkeit und hat sie bis heute. Mit gravierenden Folgen, wie VMware nun in der Studie „The Virtual Floorplan: New Rules for a New Era of Work“ beschreibt.

Abstimmung mit den Füßen
Erstaunlich ist, mit welcher Energie und Dynamik das Thema Mitarbeiterkontrolle nun angegangen wird. 60 Prozent der deutschen Unternehmen haben laut Studie mit der Umstellung  auf hybride Arbeitsformen zugleich Maßnahmen zur Kontrolle der Mitarbeiterproduktivität eingeführt oder sind dabei sie umzusetzen. Dazu gehören der Studie zufolge das Monitoring von E-Mails, Collaboration Tools, Web-Browsing, Videoüberwachung oder der Einsatz von Webcams und Keylogger-Software.

Ob und wie viele Unternehmen solche Maßnahmen der Überwachung schon im Büro durchgeführt haben und sie jetzt auf die Rechner der im Homeoffice sitzenden Mitarbeiter portieren, dazu sagt die Studie nichts. Es ist zu vermuten, dass viele Unternehmen erst mit  zwangsläufigem Homeoffice ihrer Belegschaft auch solche Überwachungsszenarien eingeführt haben. Denn laut Studie laufen 34 bis 45 Prozent dieser Unternehmen die Mitarbeiter davon. Es ist die Rede von einer „erhöhten oder gar drastisch erhöhten Fluktuation“. Die Studienautoren mahnen Firmen, auf der Suche nach Leistungsmessung von Homeoffice-Mitarbeitern „ein sensibles Gleichgewicht“ zu finden.

Chance vertan
Nun ist vielen Mitarbeitern klar, dass Arbeitgeber kontrollieren, messen und bewerten dürfen. Wenn sie die Maßnahmen und Methoden transparent darlegen, im besten Fall mit einem Betriebsrat vereinbaren, wäre das nicht nur fair, sondern oft auch rechtlich verpflichtend. Sieben von zehn Arbeitnehmern haben laut der Vmware-Studie Verständnis für ihren Arbeitgeber, der neue Weg zur Überwachung und Quantifizierung der Mitarbeiterproduktivität habe gehen müssen, meinen sie. Entscheidend für eine Akzeptanz sei es, Transparenz herzustellen.

Die allerdings ist nicht selbstverständlich, denn viele Mitarbeiter wissen nicht, ob ihre Firma Systeme zur Überwachung der Produktivität auf ihren Geräten eingeführt hat. Hat es die Geschäftsleitung nicht und spricht nicht darüber, wäre eine Chance vertan, Mitarbeitern gegenüber klar zu kommunizieren, dass man auf ihre Fähigkeit der Selbstorganisation und Eigenverantwortung baue, ihnen vertraue und sie deshalb nicht aus der Ferne überwachen würde.

Nicht immer nämlich gilt der Lenin zugeschriebene Spruch aus der russischen Revolutionszeit, wonach Vertrauen gut, Kontrolle aber besser sei. So denken ungebrochen bis heute Diktatoren und bisweilen manche misstrauischen Chefs.

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