Kommentar

Made in Germany zu eng gedacht

7. Oktober 2022, 9:55 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Jürgen Flächle

Komponenten kommen aus Asien oder USA, Innovationen oft aus dem Silicon Valley, Kapital sitzt dort viel lockerer als hierzulande, die Risikobereitschaft von US-Investoren ist höher als bei deutschen Mittelstandsbanken. Was bedeutet das für Softwareschmieden wie Mateso und den Claim Made in Germany?

Kürzlich bei den Mateso-Distributoren stand das Telefon nicht mehr still. Es herrschte Aufregung, weil Netwrix aus den USA bei der deutschen Security-Softwareschmiede eingestiegen ist. „Es hat tatsächlich kritische Rückfragen von Kunden gegeben, die sich explizit für den Mateso Passwordsafe wegen des Gütesiegels Made in Germany entschieden haben“, berichtete uns Oliver Lorenz, Chef bei der Kelobit IT-Experts. So ging es vielen anderen auch, aber auch die Distis wurden von der Akquisition überrascht. Der neue Käufer aus den USA ist zwar nicht börsennotiert, bestand aber offensichtlich darauf, alle zeitgleich zu informieren. Made in Germany, inhabergeführter Mittelstand, mit rund 40 Mitarbeitern, klein, aber fein und Platzhirsch hierzulande bei Enterprise-Lösungen für das Passwortmanagement. Nun hat Netwrix, mehr als zehnmal so viele Mitarbeiter und wohl auch viel mehr Kapital und globale Ambitionen, das Sagen bei den bayerischen Schwaben. Zwei Fragen muss man klären, die über den aktuellen Merger hinaus zu bedenken sind.

Erstens: Verfängt Made in Germany noch, wenn Investoren außerhalb Deutschlands einsteigen? Wenn in allen ITK-Netzwerken, Rechenzentren und Clients zwangsläufig Komponenten wie Chips und Software für Virtualisierung von nicht deutschen Anbietern zum Einsatz kommen? Klärungsbedarf gibt es allemal. Zweitens: Die Sorgen um die Sicherheit und Integrität von Daten, im Mateso-Fall von so sensiblen wie Passwörtern, sind berechtigt. Sysob-Chef Thomas Hruby gibt aus technologischer Sicht Entwarnung (Seite 8). Klar ist aber auch, dass Made oder Hosted in Germany Datensicherheit suggeriert, die es in der digitalen Welt nun einmal nicht zu 100 Prozent geben kann.

Hinzu kommt, wie Manager Hruby zu bedenken gibt: Wie wettbewerbs- und zukunftsfähig kann ein deutscher Hersteller wie Mateso bleiben mit beschränkten Mitteln für Entwicklung und internationale Expansion? Innovationen treibt nun einmal vor allem das Silicon Valley an, dort sitzt auch das meiste Geld und die Risikobereitschaft ist deutlich ausgeprägter als in einer deutschen Mittelstandsbank.

Würde Made in Germany eine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Bitkom sein, der deutsche ITK-Branchenverband müsste mehr als der Hälfte seiner Mitgliedschaften und Personen im Hauptvorstand kündigen. Viele arbeiten nämlich für Konzerne wie Cisco, Google, HP, Huawei, Intel, IBM, Microsoft, NTT oder Wipro. Die ITK-Industrie ist global, anders wäre die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft gar nicht möglich.

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