Neuer Dr. Kimble auf der Flucht

Mit dem Nasenring durch die Manege

21. August 2020, 16:40 Uhr | kopfnuss@crn.de
CRN-Kopfnuss-Interview einmal anders: in der kasachischen Wüste
© Daniel Bockwoldt/dpa

Der einzige Digitalheld Deutschlands zeigt, wie man ein ganz großes Rad dreht. Digitalsierungsgedöns oder Gelaber über Entrepreneurship Education hin oder her.

Latein in der Schule endlich abschaffen, dafür Programmierung einführen. So applaudieren in den Sozialen Kanälen sogar stolze Besitzer des großen Latinums der besorgten Unternehmerin Miriam Wohlfarth. Die Gründerin eines Fintechs macht sich vehement für Ideenumsetzer und Problemlöser der Zukunft stark. Und die müssten nun einmal schon im Grundschulalter Programmieren lernen und sich später als Schüler in Algorithmen vertiefen statt in tote Sprachen. Ohne »digital readiness«, ohne »Mindset-Chance«, ohne »Entrepreneurship Education«, keine Zukunft am Arbeitsmarkt.


Why sowas?


Fragen wir also Dr. Kimble, zuletzt gesehen in Aschheim bei München. Der hatte schließlich mit 19 Jahren schon ein Softwareunternehmen gegründet, kannte sich mit dem WAP-Protokoll für den damals gehypten Mobile Commerce bestens aus, bekam die Stelle bei einem noch vor kurzem Weltmarktführer für bargeldlose Zahlungen und hatte den Milliarden- Konzern  schließlich in den DAX geführt. Schon in der Grundschule war der spätere Vorstand auffällig gewesen. Er hatte Mitschüler erfolgreich ums Pausengeld gebracht – ganz ohne App und Ahnung vom Abendland und seinem kulturellen Erbe.


Wie er ein erfolgreicher Digital-Entrepreneur geworden sei? Wir treffen Dr. Kimble, vermutlich ihn,  oder einen der für ihn zu sprechen autorisierten Schauspieler irgendwo in der kasachischen Wüste. Alles Quatsch dieses zeitgeistige Gelaber von neuen Technologien, Fintechs oder Borndigitals, klopft er sich auf die mit feinstem Tuche gekleideten Schenkel. »Pfeif doch auf analog, virtuell oder sonst einen noch zu erfindenden Aggregatzustand!« Mit dem Nasenring durch die Manege müsse man die Welt ziehen und nicht Ovid oder gar C++ studieren.


Was für ein Drehbuch dieser neue Dr. Kimble auf der Flucht hingelegt hat! In Wien geboren, Matura sausen lassen, im trostlosen Münchner Osten groß geworden, dort schließlich gefallen, von Geheimdiensten und SEKs weltweit gejagt, von blinden Behörden und Controllern verflucht. Es ist ein Plot über unseren einzigen Digitalhelden Deutschlands, der zwar nicht vor der Giftspritze fliehen muss, die ihm die halbe Anlegerwelt herzlichst gönnen würde. Uns aber ermutigt der Bluff des Jahres mit der Erkenntnis: Es braucht weder Digitalisierung noch Deklination, um ein ganz großes Rad zu drehen.

 

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