Rabiater russischer Roboter

Schachcomputer bricht Kind den Finger

26. Juli 2022, 11:08 Uhr | Lars Bube
© Alexander Limbach - AdobeStock

Bei einem Schachturnier in Moskau hat ein umfunktionierter Industrieroboter einen Finger seines erst siebenjährigen Kontrahenten zerquetscht. Jetzt wird darüber gestritten, wer die Schuld am Unfall trägt – Mensch oder Maschine.

Im Schachsport sind Computerspieler in Form entsprechender Software oder Geräte schon seit Jahrzehnten feste Bestandteile der Ausbildung. Spätestens seit Deep Blue 1996 erstmals den Groß- und Weltmeister Garri Kasparov besiegt hat, ist zudem klar, die Rechner den menschlichen Spielern ernsthaft gefährlich werden können. Bislang bezog sich das allerdings ausschließlich auf den Ausgang der Partien. Bei einem Schülerturnier in Russland zeigte sich nun jedoch, dass die Blechgesellen auch schnell zum Risiko für die körperliche Integrität menschlicher Opponenten werden können. In einer Simultanpartie gegen vier Kinder brach ein umgerüsteter Industrieroboter einem siebenjährigen Jungen am Tisch einen Finger. Als der Junge nach einer Figur griff, drückte der Roboter seinen Finger mit dem Greifwerkzeug am Ende des Gelenkarms so fest auf das Schachbrett, dass es zu der Verletzung kam.

Im Anschluss kam es zum Streit, wer für diesen Unfall verantwortlich ist. Die Organisatoren des Schachverbands sehen den Jungen selbst in der Verantwortung, weil dieser die Sicherheitsregeln missachtet und nach seinem Zug nochmals zu den Figuren gegriffen habe, bevor der Computer seinen Gegenzug ausgeführt hatte. Das habe zur bedauerlichen Fehlfunktion des Roboters geführt, mit dem es bei zahlreichen Einsätzen bisher noch nie Probleme gegeben habe. Die Eltern des Jungen hingegen beklagen, dass die Maschine nicht ausreichend abgesichert gewesen sei. Dafür spricht etwa, dass der Roboter offensichtlich nicht über entsprechende Sensoren verfügt, um solche Vorkommnisse optisch oder über den Druckpunkt zu erkennen und verhindern. Auch eine Not-Abschaltung fehlte offenbar. Auf einem Video des Vorfalls ist zu sehen, dass mehrere herbeigeeilte erwachsene Helfer rund 15 Sekunden brauchen, um den Roboterarm manuell anzuheben und den Jungen so aus der misslichen Lage zu befreien. Immerhin konnte der verletzte Bub das Turnier am nächsten fortsetzen, wenn auch mit einem menschlichen Helfer, der fortan die Züge für ihn ausführte. Altmeister Kasparov kommentierte den Unfall auf Twitter mit „Ich habe versucht euch zu warnen!“.

In jedem Fall zeigt der Vorfall deutlich, warum in der industriellen Robotik so klar zwischen normalen Robotern und Cobots unterschieden wird. Während erstere einen abgesicherten Arbeitsbereich benötigen, um Gefahren für Menschen zu vermeiden, sind Cobots dank integrierter Sicherheitstechnik für die direkte Unterstützung ihrer menschlichen Kollegen geeignet. Eine Unterscheidung, die der russische Schachverband allem Anschein nach fahrlässig ignoriert hat.

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