Lars, but not Least

Autohersteller: Die digitalen Neandertaler

20. September 2021, 15:16 Uhr | Lars Bube
© charles taylor - AdobeStock

Während die Automobilindustrie immer lauter nach mehr Chips ruft, können die Halbleiterhersteller darüber nur zunehmend entnervt den Kopf schütteln. Immerhin ist ein Großteil des Problems selbstgemacht, etwa durch den Einsatz veralteter Technologien und allzu knapper Prozesse.

Trotz einer stetig steigenden Nachfrage gehören stillstehende Produktionsbänder in vielen Automobil- und Zulieferwerken schon seit Monaten zum Alltag. Der Grund dafür ist allerdings nicht die Corona-Pandemie, sondern der scheinbar nicht enden wollende Mangel an Chips. Doch alle Versuche, diese Lage über direkte Gespräche mit den Halbleiterherstellern oder Unterstützung aus der Politik zu lösen, sind bisher gescheitert. Warum das so ist, wurde zuletzt am Rande der IAA wieder deutlich: Entgegen der eigenen Einschätzung sind die milliardenschweren Konzerne schlichtweg als Kunden nicht wichtig genug für die Chiphersteller. Nicht wenige hochrangige Auto-Manager konnten deshalb mit ihrem dringenden Anliegen nicht einmal bis in die Spitzen-Ebene ihrer Halbleiterlieferanten vordringen, sondern mussten mit deren Vertretern verhandeln. Für manch einen der erfolgsverwöhnten und hierzulande gerne schwer umgarnten Bosse sicherlich eine fast schon demütigende Erfahrung.

Dabei liegt diese schlechte Verhandlungsposition nicht einmal unbedingt primär an den georderten Mengen, auch wenn die altindustriellen Giganten hier nicht ansatzweise mit ITK-Konzernen wie Apple oder Samsung mithalten können. Während die IT- und TK-Hersteller jeweils knapp ein Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion aufkaufen, gehen an die Automobilindustrie nur etwas mehr als 10 Prozent. Damit ist die Fahrzeugbranche aber immerhin ein ähnlich großer Abnehmer wie die Unterhaltungselektronik. Ein viel wichtigerer Faktor ist jedoch die Art der von den Autoherstellern gewünschten Produkte. Denn während aktuell bei leistungsfähigen ITK-Geräten Fertigungsgrößen zwischen 5 und 10nm für CPUs, GPUs, SoCs und ähnliches Standard sind, werden in den Fahrzeugen noch immer vorwiegend Chips mit vergleichsweise riesigen Strukturen von mehr als dem Zehnfachen der aktuellen Spitzenklasse eingesetzt. Aus Sicht der Chipindustrie arbeitet die Automobilbranche also mit Uralt-Technik von vor knapp 20 Jahren.

Wäre diese Ausgangslage in anderen industriellen Bereichen eine optimale Gelegenheit für gute Geschäfte mit der Resterampe, ist sie für die Chip-Produzenten ein echtes Problem. Sie brauchen angesichts der allgemeinen Verknappungen und der rasant wachsenden Nachfrage sowohl ihre Fabs als auch die darin enthaltene Produktionstechnik dringend, um neuere, deutlich aktuellere Chip-Generationen herzustellen. Das ist mit einem kompletten Wechsel verbunden, sodass die alten Architekturen nicht einfach in der Fertigung mitlaufen können. Neue Fabriken für die außer von der Automobilindustrie kaum noch benötigten Chips zu bauen, lohnt sich somit erst recht nicht. Aus dem gleichem Grund würde hier auch der Ausbau der europäischen Chip-Fertigung nichts nützen, da diese kaum auf Uralt-Standards setzen dürfte.

Gleichzeitig würde die Automobilbranche gerne möglichst spontan bedient werden, um ihre schlanken Lieferketten aufrechterhalten zu können. So stornierten die Hersteller zum Beginn der Corona-Pandemie in Erwartung einer nachlassenden Konjunktur und Nachfrage zunächst zahlreiche Bestellungen. Als sie wenig später merkten, dass die Nachfrage statt einzubrechen sogar weiter nach oben ging, wollten sie plötzlich sogar mehr Chips als ursprünglich geplant. Nur waren die äußerst begrenzten Produktionskapazitäten schon vergeben und bieten zudem keinen großen Spielraum für einen erhöhten Ausstoß.

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