Fernunterricht an Schulen

Bitkom-Präsident platzt der Kragen

14. Dezember 2020, 13:27 Uhr | Martin Fryba
Bitkom-Präsident Achim Berg: »Jetzt ist Pragmatismus gefragt statt rückwärtsgewandtem Dogmatismus«
© Bertelsmann

Achim Berg rechnet mit Schulen und Datenschützern ab. Verwaltungen wirft er ein Festhalten am Präsenzunterricht vor, Datenschützer Verwirrung zu stiften und Bemühungen um Digitalisierung an Schulen abzuwürgen. Für ihn ein »bildungspolitischer Offenbarungseid«.

Selten hat man einen Bitkom-Präsident so aus der Haut fahren sehen, wie aktuell Achim Berg, wenn er auf die Schulverwaltungen angesprochen wird. Während die meisten Unternehmen aus der eigene Branche, die der ITK-Spitzenverband vertritt, durch Homeoffice, Videokonferenzen und beispielsweise Digitalisierung von IT-Services ihre Geschäftsaktivitäten am Laufen halten, hätten viele Schulverwaltungen keine Strategien für virtuellen Fernunterricht entwickelt. Am Faktor Zeit habe es nicht gelegen. »Die Corona-Pandemie ergriff Deutschland vor einem dreiviertel Jahr und so war genügend Zeit, Schulen, Schüler und Lehrer auf die aktuelle Situation vorzubereiten und zu innovativen, flexiblen und digitalen Bildungsformaten zu wechseln«, so Berg.


Seit fast fünf Jahren werde der Digitalpakt Schule diskutiert, von den 5,5 Milliarden Euro, die Bund und Länder für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung stellten, sei »nur ein Bruchteil davon abgerufen worden«, sagt Berg. Zwar laufen mittlerweile Projekte an, wie ICT CHANNEL aus dem Markt hört. Freilich hätte die IT-Modernisierung der Schulen viel schneller vonstatten gehen können.


Es sei ein »bildungspolitischer Offenbarungseid«, dass jetzt über verlängerte Ferien, Schulschließungen und einem zusätzlichen Schuljahr nachgedacht werde, sagt Berg. »Unfreiwillige Freizeit hatten unsere Schüler in diesem Corona-Jahr schon zur Genüge«.


Watschn für Datenschutzbeauftragte
Dass Schulen nicht so digital ausgestattet sind, wie sie können, dazu hätten auch viele Landesdatenschutzbeauftragte beigetragen, so Berg. Ihre Bedenken vor allem beim Einsatz von Microsoft 365, die handwerklichen Fehler und die Zerstrittenheit der Datenschutzkonferenz (DSK) ist ein Spiegelbild der, wie Berg sich ausdrückt, »Prinzipienreiterei«. Sie werde auf dem Rücken von Schülern, Lehrern und Eltern  ausgetragen. »Das muss ein Ende haben«. Denn so würden engagierter Lehrer und Schulleiter in ihren Digitalisierungsbemühungen zusätzlich gebremst, kritisiert Berg scharf.


»Absolut unlogisch« sei die Situation, dass Restaurants schließen müssen, aber Schüler und Lehrer »Tag für Tag in die Klassenzimmer zu zwingen«. »Statt die Schüler jetzt nach Hause zu schicken, sollte, wo es technisch möglich ist, auf digitalen Fernunterricht umgestellt werden, « fordert der Bitkom-Präsident.


Neben virtuellen Klassenzimmer gäbe es eine Vielzahl an Möglichkeiten, jenseits des Schulgebäudes Lernstoff über digitale Technologien zu vermitteln. Berg zählt Lern-Apps wie Duden Learnattack, AntonApp, StudySmarter, Scoyo oder Duolingo und Video-Tutorials wie Sofatutor, Bettermarks oder Simpleclub auf.  »Digitale Bildungsangebote müssen sich nicht hinter klassischem Unterricht verstecken, schon gar nicht in Pandemie-Zeiten«, erklärt Berg. Ein »Das können wir nicht« dürfe nach all den Monaten als Ausrede nicht mehr durchgehen.


Bundeseinheitliche Strategie gefordert
Die »massive« Verunsicherung bei Lehrern, Eltern und Schülern in Fragen des Datenschutzes müsse gestoppt werden. »Jetzt ist Pragmatismus gefragt statt rückwärtsgewandtem Dogmatismus«, sagt der ehemalige Microsoft-Deutschland-Chef. Die Bundesländer müssten klare, bundeseinheitliche Vorgaben machen, welche digitalen Lerntechnologien jetzt eingesetzt werden können und sie müssten umgehend Lizenzen für Lernsoftware bereitstellen, um digitalen Unterricht überall möglich zu machen.


Schulen, die kurzfristig keinen digitalen Unterricht ermöglichen könnten, sollten »projektbasiertes, eigenständiges Lernen von zu Hause anbieten und damit Kompetenzen wie Selbstständigkeit und Problemlösungsfähigkeit vermitteln. Die seien gerade in der digitalen Welt von großer Bedeutung, so Bitkom-Präsident Berg.

 

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