Lars, but not Least

Herdentrieb der smarten Thermostate

29. Juli 2022, 9:42 Uhr | Lars Bube
© ArchiVIZ - AdobeStock

Statt Probleme wie Leistungsspitzen in den Strom- und Gasnetzen abzufedern, bewirken smarte Steuerungssysteme manchmal das genaue Gegenteil. Das liegt genauso an der Software, wie an überforderten Hobby-Administratoren im smarten Zuhause.

Nachdem die Hersteller seit nunmehr fast zehn Jahren nimmermüde die Vorteile smarter Steuerungsgeräte für vernetzte Heime und Firmengebäude predigen, kommen die entsprechenden Geräte nun allmählich auch in der Realität an – allerdings im doppelten Sinne. Einerseits nimmt das Wachstum bei den Verkaufszahlen seit etwa drei Jahren zunehmend Fahrt auf. Das ist nicht zuletzt der Starthilfe durch Amazons Alexa und ihre Mitbewerberinnen zu verdanken, die dem Thema Smart Home zum Durchbruch in der Masse verhelfen. Aber auch die aktuellen Krisen rund um Gas und Energie befeuern das Interesse an möglichen Spareffekten durch kluge Steuerungen. Andererseits jedoch zeigen sich damit auch immer deutliche einige Schwächen, welche die smarten Stellwerke teils ziemlich dumm aussehen lassen.

Altbekannt ist hier etwa der in der Natur der Sache liegende Umstand, dass die meisten Smart Meter vor allem den Energieanbietern selbst Vorteile wie eine bessere Netzsteuerung und Echtzeitdaten liefern, während die Nutzer kaum davon profitieren. Auf deren Seite sollen Devices wie smarte Thermostate für Optimierungen sorgen, die direkt den Verbrauchern zugutekommen. Doch auch das klappt nur sehr bedingt. Die Probleme beginnen bereits damit, dass manche der Geräte im eigentlichen Sinne erst gar nicht smart sind, sondern lediglich programmierbar. Zwar machen sie Einstellungen wie automatische Absenkungen während der Nacht oder den Arbeitszeiten einfacher, grundsätzlich wäre das jedoch meist auch über die Heizungsanlage direkt machbar – und im Falle einer übergreifenden Absenkung der zentralen Heizanlage sogar effizienter als mit mehreren einzelnen zwischengeschalteten Zusatzgeräten, die zudem oft nicht an allen Heizkörpern vorhanden sind.

Und selbst die wirklich smarten Geräte verhalten sich dabei manchmal reichlich tumb und sogar kontraproduktiv. Auch dafür ist ausgerechnet wieder die nützliche Paradefunktion der Nachtabsenkung der Heizleistung ein typisches Beispiel. Denn wie jetzt Forscher der Cornell University in der Studie „Unbeabsichtigte Folgen von intelligenten Thermostaten beim Übergang zur elektrischen Heizung“ belegen, geschieht diese keineswegs sonderlich individuell, sondern ebenfalls wieder zu den typischen Stoßzeiten. Bei der Auswertung der Daten von rund 2.200 smarten Thermostaten im Bundesstaat New York stellte das Team um May Zhang und Zachary E.Lee fest, dass ein Großteil von ihnen im Winter pünktlich um 6 Uhr damit beginnt, die Heizung hochzufahren. Das spart zwar über Nacht durchaus Energie und reduziert damit den CO2-Ausstoß, führt in der Betrachtung des Gesamtnetzes jedoch im Endeffekt zu einer noch konzentrierten Lastspitze im Strom- und Gasnetz als zuvor bei der manuellen Regelung oder der individuellen Automatik-Einstellung an der Heizungsanlage. „Die Daten der intelligenten Thermostate zeigen sowohl eine Zunahme der Häufigkeit der täglichen Heizungsspitzen, als auch eine Zunahme der Höhe des gesamten Spitzenbedarfs“, erklärt Lee den überraschenden Befund. In südlicheren Gefilden drohen ganz ähnliche Probleme mit Klimaanlagen.

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