New Work

Sinnlose Domestizierung

28. Januar 2020, 12:18 Uhr | Martin Fryba
Mit seinem Buch "Neue Arbeit, neue Kultur" (1984) wurde Frithjof Bergmann Urvater des heute inflationären Begriffs "New Work"
© Michael Reitz

Vielen Menschen scheint der Sinn ihrer Arbeit abhanden gekommen zu sein. Obwohl man viel über Mitarbeiterzufriedenheit, »New Work« und rosige Zukunft spricht, steht so manches Unternehmen fest gemauert in der Vergangenheit.

Viele Angestellte haben in ihrem Unternehmen kein eigenes Büro und auch keinen festen Schreibtisch mehr. Stattdessen gilt es in Zeiten von »New Work« oder »Future Work«, sich je nach Projekt wechselnde Arbeitsorte und -Teams zu suchen. Aber verbessern die von der Digitalisierung angetriebenen Veränderungen im Büroalltag die Zufriedenheit der Mitarbeiter? Und geht das lediglich mit einem gut ausgestatteten Arbeitsplatz, Desksharing und flexiblen Arbeitszeiten?

 

Nicht unbedingt, meint der Chemnitzer Professor für Organisations- und Arbeitspsychologie Bertolt Meyer. »Die Zufriedenheit von Mitarbeitern ist dann besonders hoch, wenn sie in ihrer Tätigkeit Sinn erkennen und die Arbeit ihre Bedürfnisse befriedigt«, sagt er vor Beginn der Bildungsmesse Learntec in Rheinstetten.

 

Auf dieser Messe von Dienstag bis Donnerstag (30.1.) werden die Begriffe »New Work« oder wahlweise »Digital Workplace« wieder besonders strapaziert, werden kollaborative und ultramobile Organisationskonzepte diskutiert. Es wäre auch eine Gelegenheit, sich daran zu erinnern, was der Wortschöpfer von »New Work«, der Philosoph Frithjof Bergmann, im Blick hatte. Das war weit mehr als nur die Umgestaltung von Arbeitsplätzen und –abläufen oder gar die propagierte Abschaffung der Lohnarbeit. Die ist ja in Teilen tatsächlich verwirklicht und schreitet massiv voran.

 

Ganz anders freilich, als Kapitalismuskritiker Bergmann in den 80er Jahren voraussehen konnte. Heute wandelt der digitale Kapitalismus traditionelle Lohnarbeit millionenfach in vermeintliches Unternehmertum. Die  Gig Economy mit ihren digitalen Plattformen vereint aus beiden Modellen das Schlechteste: die Unfreiheit der Angestellten mit der Unsicherheit von Freelancern (Colin Crouch). So entstehen prekäre Arbeitsplätze. Neoliberale Lobbyisten und einschlägige Industrieverbände sprechen von Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.

 

Schein statt Sein
Bergmann erkennt noch eine weitere aktuelle Fehlentwicklung, die mit seinem ursprünglichen New-Work-Konzept lediglich den Namen dieses Trends teilt. Was Unternehmen heute als »New Work« anbieten, sei mehr Schein als Wirklichkeit, sagte Bergmann im vergangenen Jahr in einem Interview des »Handelsblatts«. Vielerorts machten Unternehmen die Lohnarbeit nur attraktiver, sympathischer und netter.

 

Und noch nicht einmal das. Es gibt gar nicht so wenige Unternehmen, die sich nicht einmal die Mühe machen, sich einen Anstrich als moderner Arbeitgeber zu verpassen, wenn das Management davon überzeugt ist, dass die Moden von »New Work« schlicht zu teurer seien und nichts zur Produktivitätssteigerung beitrügen. Doch auch solche Argumente sind in vielen Fällen nur vorgetäuscht. In autoritär geführten Unternehmen, die einen partizipativen Führungsstil rundum ablehnen, fürchtet man Bergmanns »neue Radikalität« wie der einstige Adel den Volksaufstand.

 

Nach Bergmanns Überzeugung sehnen sich Mitarbeiter nach sinnstiftender Arbeit. Das hat viel mit Persönlichkeit und gar nichts mit Domestizierung zu tun, wie er im Interview mit dem Handelsblatt ausführt:

 

»Unsere Idee ist radikal neu, ein anderer Begriff vom Menschsein: dass er kein Raubtier ist, das gezähmt werden muss. Dass kein Egoismus in ihm herrscht, den man bändigen muss. Sondern dass wir jetzt den Punkt erreicht haben, wo wir die Menschen entwickeln und stärken können. Es braucht einen neuen Durchbruch, eine neue Radikalität.«

 

Die wichtigste Botschaft des »New Work«-Denkers Bergmann scheint heute aktueller zu sein als in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts. Wie man Menschen entwickelt und stärkt, vielleicht sogar Sinn stiftet, ohne dabei gleich die Arbeitsverhältnisse zu revolutionieren, könnte so funktionieren, wie es Thomas Erfort, Leiter Personalentwicklung bei Bechtle, gegenüber CRN erläutert: »Positive Unternehmenskultur setzen und klug in moderne Arbeits- und Weiterbildungskonzepte investieren«. Das ist noch nicht einmal sonderlich radikal, sondern wäre ein guter Anfang in ein »New Work«.

 

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