Lars, but not Least

Absolution für Lizenz-Betrüger

16. März 2021, 9:12 Uhr | Lars Bube
© Nejron Photo - AdobeStock

In der vergangenen Woche sorgten Medienberichte über angeblich zehntausende aktuelle Vorladungen für Käufer von Windows- und Office-Lizenzschlüsseln für Aufregung. Dabei sind nicht nur die Zahlen völlig verdreht, sondern allzu gerne auch die Rollen von Opfern und Tätern.

Glaubt man aktuellen Berichten verschiedener Medien aus dem ITK-Umfeld, haben in den letzten Wochen Zehntausende unbescholtene Bürger überraschend Post von der Staatsanwaltschaft wegen illegaler Softwarekäufe im Internet bekommen. Im Rahmen von Ermittlungen wegen »leichtfertiger Geldwäsche« und »strafbarer Urheberrechtsverletzung« sollen sie sich für eine Vernehmung bei der örtlichen Polizei melden und dort Auskunft zu vermeintlichen Softwarekäufen im Internet Stellung beziehen. Sofort brandeten in entsprechenden Foren die üblichen Diskussionen darüber auf und mehrere Anwälte griffen das Thema auf, um den Betroffenen ihre Dienste anzubieten. Während einige Käufer, die etwa Lizenzschlüssel bei Lizengo erworben hatten, nun plötzlich Panik bekommen, wettern andere im Sinne der altbekannten David-gegen-Goliath-Rhetorik gegen den gierigen Softwareriesen Microsoft und rufen teils sogar unverhohlen dazu auf, weiterhin Lizenz-Keys aus dubiosen Quellen zu kaufen, um sich dagegen zu wehren.

Schaut man sich die Hintergründe allerdings etwas genauer an, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Ausgegangen waren die Berichte vom Blogger Lars Sobiraj, der auf seiner Seite Webseite tarnkappe.info über einen einzelnen Fall einer solchen Vorladung berichtete. Schnell griffen erste Kollegen das Thema auf und bauschten es dabei immer weiter auf. Einzig Golem kam dabei jedoch unmittelbar auf die journalistisch eigentlich verpflichtende Idee, die Geschichte auch zu verifizieren und fragte bei der Staatsanwaltschaft Koblenz nach. Die bestätigt auf Anfrage zwar tatsächlich, dass es derzeit einige sogenannte »Umfangsverfahren«, also gebündelten Verfahren mit großen Datenmengen und vielen Betroffenen, bezüglich solcher Software-Ver- und Einkäufe gibt und damit einhergehend Einzelfälle an die zuständigen Staatsanwaltschaften an den Wohnsitzen der Betroffenen weitergegeben wurden und werden. Ferner wird erklärt, dass im eigenen Zuständigkeitsbereich von solchen Ermittlungen und Weitergaben eine niedrige fünfstellige Zahl von Kunden betroffen war – in den letzten Jahren.

Diesen kleinen aber nicht unerheblichen Zusatz ließen jedoch zahlreiche Kollegen weg, während sie die Story in bester Flüsterpost-Manier von Portal zu Portal weitersponnen. So wurde aus dem ursprünglichen Einzelfall in der Berichterstattung dann plötzlich eine landesweite Vorladungswelle, die vermeintlich unbescholtene Softwarekäufer bedroht und somit ein klickträchtiger Skandal konstruiert. Tatsächlich gibt es derzeit zwar einige entsprechende Vorladungen, wie etwa auch Anwälte bestätigen, allerdings ist deren genaue Zahl bundesweit nicht bekannt. Dennoch dürfte sie eher in einem Bereich liegen, der um den Faktor Hundert kleiner ist, als die immer wieder genannten zehntausenden. Dabei wäre aber genau diese Dimension eigentlich sogar wünschenswert.

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