Wegen Softwarewartung

Bestattungen in Berlin-Mitte pausieren

19. November 2021, 15:09 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Frank Middendorf

Wegen einer Softwarewartung fallen auf den Friedhöfen in Berlin-Mitte die Bestattungen aus. Ein verwaltungstechnischer Akt, der Berliner längst nicht mehr wundert („Dit is Berlin“). Was ist los im Land, das einst stolz auf Industriepioniere wie Siemens war?

Mitten in der schlimmsten Phase der Corona-Pandemie teilt die Friedhofsverwaltung Berlin-Mitte mit, dass auf ihren Friedhöfen vom 15. Dezember drei Wochen lang keine Beerdigungen mehr stattfinden können. Menschen, die Angehörige bestatten wollen, müssen warten oder auf Friedhöfe anderer Bezirke ausweichen. Wenn Angehörige letzteres nicht wollen, weil sie die lange Dauer bis zur Bestattung emotional zu sehr belastet oder weil auch Toten zugestanden werden kann, in der Nähe ihres Wohnortes bestattet zu werden, müssen bei einer Erdbestattung die Leichname bis dahin in einem Kühlraum aufbewahrt werden, wie das Magazin zibb berichtet.

Nun kann man der öffentlichen Hand in Berlin viel nachsehen (Pannen-Flughafen BER, Pannen-Wahlen), allein schon deswegen, weil man der Witze über die Verwaltungen der Bundeshauptstadt und dieses Bundeslandes längst schön überdrüssig ist. Und auch wenn der Steuerzahlerbund Verschwendung von Steuergeldern wie gewohnt anprangert, denkt man sich: Okay, es ist „nur“, wenn auch viel Geld. Aber wegen Softwarewartung drei Wochen keine Bestattungen ermöglichen? Angehörige von Toten drei Wochen warten lassen und dies mit einem verwaltungstechnischen Akt zu begründen?

Man muss sich zwangsläufig fragen, ob neben der organisatorischen Inkompetenz in einer Verwaltungseinheit zuvor nicht schon ein erheblicher Verlust an Empathie bei den Mitarbeitern eingesetzt hatte und hat. Über den Hauptmann von Köpenick kann man ja herzlich lachen. Im Falle der Bestattungsverschiebungen wegen Softwarewartung bleibt einem die Spucke weg.

„Nur nicht überall das tötende Wort ‚Es geht nicht‘ aussprechen“, hat uns Industriepionier Werner von Siemens überliefert. Kein Mutiger findet sich in der Friedhofsverwaltung Berlin-Mitte, der dieses Zitat kennt und sich mutig auf die Hinterbeine stellt. Wie es überhaupt  sehr viele Mängel in der Digitalisierung von Staat, Land und Kommunen hierzulande gibt.

Lanline-Autor Wilhelm Greiner beschreibt sie. Und er fragt, ob das „derzeitige Herumgeeiere der Politik beim Bemühen, die eskalierende vierte COVID-19-Welle in den Griff zu bekommen, nicht ein gewisses Verwandtschaftsverhältnis aufweist mit den oft ebenfalls eher unstrukturiert erscheinenden politischen Bestrebungen, Deutschland ins digitale Zeitalter zu hieven“.

Es sind solche sichtbaren strukturellen Mängel, hinter denen einfache wie hohe und gehobene Verwaltungsbeamte ihr Menschsein verstecken können,  ja verstecken müssen. Denn so kalt kann doch kein Herz sein, um trauernde Angehörige wegen technischer Angelegenheiten zu vertrösten.

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