Was Systemhaus-Chefs treibt

Chance des Jahrhunderts

22. Oktober 2021, 11:02 Uhr | Martin Fryba
Telekom-Stand auf der Münchner Systems 2005: Noch war das Konzept Managed Service neu und von den meisten Systemhäusern kaum angeboten. 16 Jahre später steuert die IT-Branche auf X-as-a-Service zu - alles wird zum IT-Service.
© ICT CHANNEL/Fryba

Überraschtes Staunen über den Systemhaus-Coup des Jahres: An Rente denken Anton Braun und Martin Eickelschulte nach dem Verkauf ihrer Unternehmen an Cyberport noch lange nicht. Ihr Ausstieg ist vielmehr der Einstieg in eine neue IT-Ära.

Zur Strategie von Cyberport hätten Anton Braun und Martin Eickelschulte sehr viel sagen können. Aber Systemhaus-Chefs, die keine geschäftsführenden Gesellschafter mehr sind, überlassen die Antworten zur Zukunft ihrer Häuser dem neuen Eigentümer. Der hält sich noch bedeckt. Erst einmal kein Interview, teilt Cyberport ICT CHANNEL mit. Schaut man sich den Systemhausmarkt in den letzten Jahren an, muss man indes nicht lange rätseln, was der zum Burda-Konzern gehörende Etailer vorhat: Attraktiver werden für gewisse B2B-Kunden, sich als verlängerter sehr professioneller IT-Arm anbieten, wo der kleinere Mittelstand keine eigene IT-Abteilung hat, keine Fachkräfte findet, sie sich nicht leisten kann oder will oder nicht mehr bereit ist, seine IT von einem mehr schlecht als recht hantierenden Einzelkämpfer auf Zuruf bereuen  zu lassen.

Serverterminal und Virtualisierung,  ASP und Hosting, Cloud und Managed Services, das ist in aller Kürze und Unvollständigkeit der (begriffliche) rote Faden, wie sich IT-Infrastrukturdienste in den letzten rund 20 Jahren entwickelt haben. Die Zukunft bringen fast alle Hardwarehersteller auf die Formel X-as-a-Service. HPE beispielsweise will nächstes Jahr soweit sein, bislang noch auf dezidierter Hardware basierende IT-Aufgaben in seine Plattform Greenlake zu integrieren, die Partner dann als Service ihren Kunden verkaufen können. HPE-Partner wie Bizteam von Anton Braun und Martin Eickelschulte kennen diese Roadmap ihres Herstellers aus zahlreichen Partner-Events in den USA. Und sie kennen als Partner der Systemhauskooperation iTeam (Eickelschulte ist Gründungsmitglied von iTeam)  Frank Roebers.

Seine Evangelisierung in Richtung Cloud und Managed Services, seine Wellentheorie zu Untergang und Aufstieg des Fachhandels und der IT-Dienstleister aus mehr als 30-jähriger Erfahrung haben Braun und Eickelschulte zum Nachdenken über ihre Rolle und die ihres Systemhauses bewogen. Roebers Sicht auf die Branche, seine bisweilen pointierten Thesen („das eigene Unternehmen in die Luft sprengen“) und aufrüttelnden Appelle („wir haben keine Zeit mehr zu verlieren“) mögen viele Systemhaus-Chef für übertrieben halten. Ein Kölner mag sich zurücklehnen und Roebers Alarmismus achselzuckend kommentieren: „et hätt noch immer jot jejange“

Jahrhundert-Chance: 3.Welle
Die Bayern Braun und Eickelschulte sah man nach solchen Roebers-Vorträgen eher nachdenklich schweigen. Auch nachdem der Synaxon-Chef Cloud und Managed-Services als „die Chance des Jahrhunderts“ pries und längst am Franchise-Konzept Einsnullseins arbeitete und nun Managed-Services zum Festpreis mit vielen Franchise-Nehmern bundesweit ausrollt.

Martin Eickelschulte ist 101-Pilotpartner in München und weit davon entfernt, mit 50 Jahren in den Ruhestand zu gehen, nachdem er sein Systemhaus in Starnberg an Cyberport verkauft hat. Er ist noch viel zu jung und zu ehrgeizig, andere auf der gerade erst einsetzenden 3. Welle der IT-Erbringung (nach Roebers) reiten zu lassen. Mit Anton Braun hat er einen idealen Partner gefunden, Cyberport den Managed-Service-Weg zu bahnen. Nicht nur die beiden kennen sich lange und gut. Auch die Mitarbeiter beider Systemhäuser arbeiten seit Jahren in einzelnen Projekten eng zusammen. Ohne ein solches Team von insgesamt rund 50 erfahrenen Spezialisten der Bizteam und Eickelschulte AG hätte sich Cyberport auf das Wagnis kaum eingelassen, im B2B-Markt als IT-Dienstleister aufzutreten. „Unsere Mitarbeiter sind bis in die Haarspitzen motiviert“, sagt Braun.

Nachfolge bei Bizteam geregelt
Bei Anton Braun spielte zudem eine Rolle, dass er für seine 17 Mitarbeiter und für sich selbst eine Zukunftsperspektive schaffen wollte. Er ist 55 Jahre, die Zwillinge mit 17 Jahren noch zu jung zum Übernehmen, die Tochter, 31, ist zwar in einem IT-nahen Bereich tätig, aber „nicht in dem Geschäft drin, das wir betreiben“. Die Nachfolge geregelt zu haben, „aufgeräumt sein“, die Arbeitsplätze seiner Angestellten sicher zu wissen („fast keine Fluktuation seit Gründung 2004“) war ihm wichtig. Mit  80 Jahren als graue Eminenz in seinem Systemhaus durch die Gänge wandeln, „das ist nicht mein Weg“, sagt Braun.  

Was das „Ja“ zur Ehe für Bräutigam und Braut, ist für den Geschäftsmann die Unterschrift unter den Kaufvertrag beim Notar. Keine Frage: es ist ein emotionaler Moment, eine Zäsur, die Braun mit „einem lachenden und weinenden Auge“ erlebt. Die Jahrhundert-Chance des Branchenumbruchs in Richtung Service-Welt wird er mitgestalten, nur jetzt eben als angestellter Geschäftsführer, was aber seinen Stolz auf das bislang Geleistete nicht im Mindesten schmälert. Einen weiterer Punkt seiner Lebensplanung hat der Unternehmer Anton Braun „abgehakt“, ganz nach der Art eines anpackenden Chefs, der nach dem Motto arbeitet: „Get things done“. Das klingt aus dem Mund des Unternehmers Anton Braun nüchterner als es der Toni empfindet.

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