Produktivitätsmessung

Datenschützer wollen Amazons Überwachungssoftware stoppen

2. Dezember 2020, 13:57 Uhr | Martin Fryba
Ihr Bescheid gegen Amazons Überwachungssoftware im Logistik-Zentrum Wielen könnte eine Signalwirkung entfachen. Niedersachsens Datenschützerin Barbara Thiel
© Barbara Göttert

Amazon überwacht die Arbeit seiner Logistikmitarbeiter lückenlos. Im Amazon-Hub Winsen soll der Etailer diese Praxis nun unterlassen. Amazon fürchtet eine Signalwirkung und will den Bescheid nicht akzeptieren.

Der Grad zwischen Produktivitätsmessung und Mitarbeiterüberwachung ist schmal, er ist vor allem arbeitsrechtlich in der Plattformökonomie noch gar nicht geregelt und verstößt offensichtlich auch gegen den Datenschutz. So jedenfalls sieht es Niedersachsens oberste Datenschützerin Barbara Thiel. Sie nimmt bereits seit Ende 2017 Anstoß an der Praxis von Amazon in Winsen, einem der modernsten Amazon-Hubs in Europa, Mitarbeiter per Software lückenlos überwachen zu lassen. Nun hat ihre Behörde reagiert und Amazon den Einsatz der entsprechenden Software im Logistikzentrum Winsen untersagt, wie sie gegenüber dem ARD-Magazin Panorama bestätigte. Panorama hatte mehrfach über die Praxis der Überwachung von Amazon-Mitarbeitern berichtet, zuletzt am 15. Oktober 2020. Auch Tagesschau Nachtmagazin hatte an diesem Mittwoch berichtet.  Die Behörde geht davon aus, Amazon auch mit einem Bußgeld zu belegen.


Amazon bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Bescheids und will ihn nicht akzeptieren. Gegen den noch nicht rechtskräftigen Bescheid wolle man klagen, sagte ein Amazon-Sprecher auf Nachfrage von NDR. Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung bleibt die Software im Einsatz. Der Etailer befürchtet, dass vom Verbot der niedersächsichen Datenschutzbehörde  eine Signalwirkung auch auf andere Bundesländer ausgehen könnte, in denen Amazon Logistikzentren stehen hat. Auch dort wird mit der gleichen Software die Produktivität von Mitarbeitern aufzeichnet und analysiert. Die Ergebnisse werden zur Leistungsbeurteilung von Amazon-Mitarbeitern hinzugezogen. Befristet eingestellte Mitarbeiter können nicht mit einer Weiterbeschäftigung rechnen, wenn ihr Performance-Wert unter dem Durchschnitt liegt.


Automation hat für den US-Konzern in seiner gesamten Supply Chain eine sehr große Bedeutung. In den USA geht der Etailer soweit, automatische Kündigungsschreiben an unproduktive Mitarbeiter auszustellen, wie das Techportal The Verge 2019 berichtete.


»Workplace Analytics« bei Microsoft
Messung der Mitarbeiterproduktivität gewinnt für Unternehmen durch den Trend zum Homeoffice generell eine größere Bedeutung. Auch Microsoft wird in diesem Zusammenhang scharf  kritisiert. Der kürzlich eingeführte Produktivitäts-Score in seinen Office-Paketen kann die Tätigkeit von Mitarbeitern beim Einsatz von Office-Produkten überwachen. »Workplace Analytics« kann bis zu 800 Datenpunkte messen. Auch Lösungen anderer Softwarehersteller versprechen Kontrolle über die Mitarbeiterproduktivität. Der Einsatz solcher Tools dürfte sich in rechtlichen Grauzonen bewegen und wird wohl Datenschützer, Gerichte und Arbeitnehmervertretungen beschäftigen.

 

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