Gastkommentar

Denkfehler bei der Digitalisierung

10. Juli 2017, 16:27 Uhr | Daniel Dubsky
Bernhard Kirchmair, Chief Digital Officer bei Vinci Energies Deutschland

Nach Einschätzung von Bernhard Kirchmair, Chief Digital Officer bei Vinci Energies Deutschland, werden Digitalisierungsprojekte hierzulande nicht pragmatisch genug angegangen. Dadurch werden sie oft zu groß und zu teuer.

Deutschland leidet an Innovationsarmut, zu dieser nüchternen Erkenntnis kommen die Marktforscher der Bankengruppe KfW in ihrem kürzlich veröffentlichten Innovationsbericht für den Mittelstand 2016. Demnach ist der Anteil der Innovatoren im Mittelstand gegenüber der Vorperiode um knapp 7 Prozentpunkte auf 22 Prozent zurückgegangen und hat damit den niedrigsten Wert seit dem Start des KfW-Mittelstandspanels erreicht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben der niedrigen Gründungstätigkeit und zu wenigen mutigen Gründern, dem zunehmenden Preiswettbewerb und der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit werden nach wie vor große Schwierigkeiten bei der Innovationsfinanzierung sowie fehlende Kompetenzen und Ressourcen angegeben. Der starke Wirtschaftsstandort Deutschland hat aber sicher kein Finanzierungsproblem, vielmehr haben wir in unserem Land ein Planungsproblem. Einerseits auf der Verwaltungsseite, andererseits in den Unternehmen. Vielfach werden Innovationsprojekte zu groß und damit zu teuer zugeschnitten.

Hinter Innovationen stecken heute meist Digitalisierungsmaßnahmen. So ein Vorhaben denken Unternehmen häufig viel zu groß, und sie gehen es methodisch falsch an. Das macht Neuentwicklungen langsam und teuer. Es ist daher falsch ist, den großen digitalen Wurf wie ein F&E-Projekt nach allen Regeln der deutschen Ingenieurskunst perfektionistisch zu planen. Der digitale Traum von der eierlegenden Wollmilchsau platzt, wenn die einzigartige Schönheit der technischen Lösung im Mittelpunkt steht. Vielmehr geht es um den Nutzen, der den Mitarbeiter und Kunden überzeugt.

Diese Herausforderungen meistert nur, wer agil entwickelt, pragmatisch vorgeht, seine Strategie kontinuierlich anpasst und von Startups lernt. »Learning by doing« oder »Trial and error« sind die empfehlenswerte Methoden, um die Unsicherheit auf neuem digitalem Terrain zu überwinden. So zahlt es sich beispielsweise aus, für einen erkannten Bedarf rasch fünf Prototypen in kleinen Teams zu entwickeln, im nächsten Schritt drei davon zu verfeinern und schlussendlich zwei Anwendungen erfolgreich zu machen. Ein riesiges Projekt, an dem ein großes Team arbeitet, dauert zu lange, verschlingt viel Budget und führt nicht selten zum teuren Misserfolg. Der digitale Wandel bringt eine immense Dynamik mit sich, und wer zu viel Zeit in die Entwicklung eines Entwurfs steckt, riskiert, dass dieser bei der Fertigstellung bereits wieder obsolet ist.


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