ICT CHANNEL-Interview zum Bildungsmarkt

„Die Mittel sind vorhanden, werden aber nicht abgerufen“

21. April 2022, 8:57 Uhr | Michaela Wurm
Jan Moll, Geschäftsführer der Dtm Group
© Dtm Group

Die Digitalisierung der Schulen ist auch im dritten Pandemiejahr noch lange kein Selbstläufer. Nachfrage ist da, aber auch jede Menge Hindernisse. Jan Moll, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Dtm Group, sieht Hersteller, Distributoren und Reseller in der Pflicht, Berührungsängste zu nehmen.

ICT CHANNEL: Noch im vergangenen Jahr galt der Bildungssektor als aussichtsreicher Wachstumsmarkt für den IT-Channel. Seitdem ist es um das Thema eher still geworden. Was hat sich geändert?

Jan Moll: Im Projektgeschäft können wir diese Beobachtung bisher nicht bestätigen. Im Gegenteil: Wir sehen noch immer viele Ausschreibungen im Markt. Mag sein, dass die mediale Aufmerksamkeit abgenommen hat, nicht aber die Nachfrage. Hinzu kommt: Wir sprechen in aller Regel von langfristigen Infrastrukturprojekten. Eine Schule über den gesamten Prozess hinweg zu begleiten – von der Planung über die Umsetzung bis hin zur Inbetriebnahme – ist nicht in einem Jahr gemacht. Das kann sich gut und gerne über zwei bis drei Jahre hinziehen. Für uns ist der Bildungssektor daher nach wie vor ein attraktiver Markt.

 

ICT CHANNEL: Die Corona-Pandemie hat viele Missstände in der Digitalisierung von Schulen aufgedeckt. Aber hat sie auch den Digitalisierungsprozess als solchen beschleunigt?

Moll: Mit Sicherheit. Aber es wartet noch immer ein gutes Stück Arbeit auf uns. Viele Entscheidungsträger sind dem Irrglauben verfallen, dass sich die Digitalisierung zu einem Selbstläufer entwickeln würde, sobald die entsprechenden Finanzmittel bereitstehen. Das ist nicht der Fall. Vielmehr ist jetzt die Zeit gekommen, kritisch Bilanz zu ziehen und die nächsten Schritte vorzubereiten. Was hat funktioniert? Was nicht? Was können wir verändern? Ich denke hier beispielsweise an den Fernunterricht. Das mag gegenwärtig nicht das große Thema sein, kann es aber schnell wieder werden. Umso wichtiger also, jetzt das Feedback von Schülern und Lehrern einzuholen, Checklisten zu erstellen und verbindliche Standards zu definieren. Etwa mit Blick auf die Ausstattung. Mit Sicherheit müssen keine riesigen Videokonferenzsysteme aufgebaut werden. Und genau so wenig wird jede Lehrkraft einen Gigabit-Synchronanschluss für das Heimnetz benötigen. Aber für den Fall der Fälle, sollte jede Lehrkraft jederzeit Zugriff auf einen Laptop mit aktueller Software und gültigen Lizenzen haben. Sie sollten auf die internen Laufwerke ihrer Schule kommen, ein gutes Mikrofon haben, eine anständige Kamera und natürlich eine saubere Internetverbindung. Und ich muss mir frühzeitig Gedanken über den Datenschutz und die Datensicherheit machen. Wo liegen die Daten, wie werden sie ausgegeben und wie kommen sie zurück? Ich habe volles Verständnis dafür, dass auf die Schnelle einige Dinge hemdsärmelig und mit kostenfreien Cloud-Diensten gemacht werden mussten. Jetzt aber haben wir die Zeit und die Erfahrung, um nach sauberen und langfristig tragbaren Lösungen zu suchen.

 

ICT CHANNEL: Wichtige Instrumente für die Digitalisierung von Schulen und Bildungseinrichtungen sind die millionenschweren Förderprogramme vom Bund. Werden diese Mittel derzeit ausgeschöpft?

Moll: Eben nicht. Und das ist auch der eigentliche Kern der Problematik. Die Mittel sind vorhanden, werden aber nicht abgerufen. Dieses Problem hat uns von Beginn an begleitet. Mittlerweile gibt es aber auch Fortschritte beim Abruf der Mittel. Derzeit haben rund 50 Prozent der Schulen Fördergelder beantragt. Noch vor einem Jahr waren es lediglich 25 Prozent. Diese Entwicklung ist eng mit der hohen medialen Aufmerksamkeit rund um das Thema Digitale Schule verbunden. Jetzt gilt es, dieses Interesse auch aufrechtzuerhalten, das Thema weiterhin in den Medien zu pushen und nicht zuletzt auch die Schulen selbst in die Pflicht zu nehmen.

 

ICT CHANNEL: Dennoch sind 50 Prozent der Schulen diesen Schritt nicht gegangen. Warum?

Moll: Die erste und größte Hürde ist noch immer der Medienentwicklungsplan. Ohne technische Expertise kann so ein Konzept nicht gelingen. Aber woher sollen die Schulen dieses Wissen nehmen? Schulen waren mit dieser Herausforderung lange auf sich selbst gestellt – mit entsprechendem Ergebnis. Zum Glück wurde hier inzwischen aber nachgebessert. Mittlerweile werden auch externe Beratungsleistungen gefördert. Und die sollten Schulen auch in Anspruch nehmen. Sie sollten unbedingt mit einem externen Fachplaner zusammenarbeiten und gemeinsam einen aussagekräftigen Medienentwicklungsplan erstellen, der auf die Fördermaßnahmen zugeschnitten ist. Positiv ist hier auch zu erwähnen, dass es möglich ist, in einem ersten Schritt die Planung fördern zu lassen und erst im Anschluss die Maßnahmen. Schulen müssen also nicht das Risiko eingehen, hohe Summen in das Konzept zu investieren, dann aber die Maßnahmen womöglich nicht umsetzen zu können.

 

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. „Die Mittel sind vorhanden, werden aber nicht abgerufen“
  2. „Die meisten Stolpersteine liegen in der Bürokratie"

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Dtm Group

Weitere Artikel zu nLighten

Weitere Artikel zu dtm Datentechnik Moll GmbH

Weitere Artikel zu Education

Matchmaker+