Lars, but not Least

Durchschläge faxen und Digitalisierung predigen

25. Oktober 2021, 17:50 Uhr | Lars Bube
© Arsenii - AdobeStock

Während Deutschland selbst bei der Digitalisierung höchstens Mittelmaß ist, will es jetzt gemeinsam mit den G7-Partnern von anderen Staaten größere Bemühungen fordern. Zumindest die Lacher dürfte man damit auf seiner Seite haben.

Die G7-Staaten rufen die Welt zu einer Digitalisierungsoffensive auf, die insbesondere den globalen Handel auf ein neues Level bringen soll. Bei einem Treffen in London haben die Handelsminister der nach eigenem Ermessen wichtigsten westlichen Industrienationen der Welt einen entsprechenden Forderungskatalog erarbeitet. Neben wichtigen Prinzipien wie Datensicherheit und offenen Märkten ist einer der zentralen Punkte dabei der Abbau der Formular- und Papierberge. „Um Bürokratie abzubauen und mehr Unternehmen in die Lage zu versetzen, Handel zu treiben, sollten Regierungen und Industrie die Digitalisierung handelsbezogener Dokumente vorantreiben. Dazu gehört auch die Beseitigung rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hindernisse für die Digitalisierung von Papierprozessen“, heißt es dazu in der Erklärung.

Als Mitglied in diesem exklusiven Club der vermeintlich auch digitalen Weltwirtschaftselite ist Deutschland einer der Unterzeichner des Papiers. Betrachtet man jedoch die eigenen Fortschritte, klingen derlei Forderungen etwas paradox, gibt es doch in Sachen digitaler Wandel noch mehr als genug vor der sprichwörtlichen eigenen Haustüre zu kehren. Zwar wird hierzulande seit Jahrzehnten emsig über die Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft geredet, in vielen Bereichen produziert aber gerade die formularverliebte deutsche Bürokratie weiterhin gigantische Papierstapel und noch nicht einmal der Ausbau der als Grundlage benötigten Breitbandinfrastruktur kommt nennenswert voran. Große E-Government-Projekte wie die elektronische Gesundheitskarte, der elektronische Personalausweis und die Digitalisierung des Bildungswesens bleiben regelmäßig weit hinter den Erwartungen zurück und erweisen sich damit letztlich als Rohrkrepierer. Stattdessen wird es im Jahr 2021 als Fortschritt gefeiert, wenn man – zumindest mancherorts – sein Fahrzeug online ummelden und sein Servus auf dem Amt per Spezial-Tablet unter die später vom Beamten auszudruckenden Dokumente setzen kann.

Kein Wunder also, dass Deutschland im aktuellen „Digital Riser Report“ des Berliner European Center for Digital Competitiveness (ECDC) weiter zurückgefallen ist. Unter den G7-Ländern schneidet nur Japan im Digitalindex noch schlechter ab. Während die Bestrebungen des G7-Katalogs laut der Vergleichsstudie bei den anderen Unterzeichnern USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien inzwischen auf gutem Wege sind, fordern Deutschland und Japan damit von Dritten etwas ein, das man selbst trotz jahrelanger Bemühungen und Milliardeninvestitionen nicht ansatzweise gestemmt bekommt. Und das liegt keineswegs nur an der kleinen Vergleichsgruppe oder ihrem allgemein hohen Digitalisierungsniveau. In der Erweiterung um die wichtigsten Schwellenländer (G20) ist Deutschland Drittletzter – mit einigem Abstand. Ein ähnlich schlechtes Zeugnis bekommt die Bundesrepublik von den Experten im innereuropäischen Vergleich, auch hier reicht es nur noch für den vorletzten Platz vor Albanien. Da zeugt es doch von einiger Chuzpe, anderen Staaten Digitalisierungshausaufgaben ins Buch zu schreiben.

Vielleicht ist es aber auch als hoffnungsvoller Handlungsauftrag an die kommende neue Regierung zu verstehen, sich dieser Probleme endlich ernsthaft anzunehmen. Immerhin schaffen wir es selbst nach dem vielbeschworenen Digitalisierungsschub durch die Pandemie bis heute noch nicht einmal, die aktuellen Infektionszahlen zuverlässig und homogen in digitaler Form zu sammeln und auszuwerten. Stattdessen werden Auswertungen – sehr zum Amüsement anderer Staaten, die dafür teils aus Deutschland stammende digitale Lösungen einsetzen – per Fax von den Gesundheitsämtern ans Robert Koch-Institut und andere Stellen übermittelt. Insofern darf man sich wohl nicht wundern, wenn manch eines der vom G7-Papier angesprochenen Länder uns nun mit Fug und Recht antwortet: „Go, fax Yourself!“

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