E-Patientenakte (ePA)

ePA-Tragödie, nächster Akt

30. Dezember 2021, 11:23 Uhr | Martin Fryba
Ab 1. Januar 2021 müssen gesetzliche Krankenkassen eigentlich allen ihren Versicherten Zugang zur ePA verschaffen. Die Nutzung indes ist freiwillig.
© AdobeStock/MQ-Illustrations

Von ungewöhnlicher Seite soll nun Schwung in die Digitalisierung des Gesundheitswesens kommen. Bislang jedenfalls schauen die meisten der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in weitgehend leere digitale Patientenakten. Nicht einmal das E-Rezept bekommt Deutschland hin.

Seit Jahren gibt es zwischen Datenschützern, Krankenkassen, der für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständigen bundeseigenen Gesellschaft Gematik und weitere Köche der elektronischen Patientenakte Streit um die Ausgestaltung dieser ePA. Es ist ein Mammutprojekt, das in der Praxis einfach nicht gelingen will. Die ePA, die für 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherte eine bessere Gesundheitsversorgung durch Digitalisierung und Vernetzung aller an der medizinischen Versorgung beteiligter Akteure leisten soll, kommt nur in homöopathischen Schritten voran. Es droht sogar ein Scheitern des Milliardenprojekts ePA, gelingt es der Gamatik nicht, eine endlich von allen Versicherten akzeptierte Daten-Grundlage einer elektronischen Patientenakte auf den Weg zu bringen (ICT CHANNEL berichtete).

Nun wollen ausgerechnet Verbraucherschützer der vor sich in Testphasen hin dümpelnden ePA neuen Schwung verleihen. „Die bisherigen Nutzerzahlen haben noch ganz viel Luft nach oben“, sagte der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Die bislang größte Hürde aus Sicht der Datenschützer scheint lösbar zu sein: Die ePA solle mehr Funktionen bekommen, unter anderem „sollen Patienten nun auch in verfeinerter Form für jedes einzelne Dokument festlegen können, welcher Arzt es sehen kann“, schreibt dpa.

Patient soll nun über Zugriff Dritter entscheiden können
Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ galt bislang als größte Hürde auf dem Weg, Deutschlands Gesundheitswesen endlich durch eine elektronische Patientenakte effizienter und transparenter zu machen. Krankenkassen hatten bislang vehement gefordert, dass in eine ePA sämtliche ärztliche Dokumente gehörten, ohne dass der betroffene Patient Zustimmungen zur Einsichtnahme erteilen würde, wenn Dritte Behandelnde einzelne Dokumente aufrufen wollten. Der Bundesdatenschützer hatte sich ebenso vehement dafür ausgesprochen, dass Nutzer solche Zustimmungen in  jedem Einzelfall geben müssten.

Umstellung auf Einwilligung zur ePA
Eine weitere Hürde für die Akzeptanz einer ePA steht offenbar auch vor dem Fall: Die Nutzung der ePA will die Ampelkoalition in Berlin vom „Opt-in-Verfahren“ auf das „Opt-Out-Prinzip“ umgestellten. Demnach müsste ein Nutzer aktiv der ePA widersprechen, statt wie bisher der Nutzung ausdrücklich zustimmen. „Das jetzige Opt-in-Verfahren legt den Nutzern durch das mehrstufige Zustimmungsverfahren unnötig Steine in den Weg“, zitiert dpa den Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Nun müsste es laut Baas gelingen, dass Ärzte die Akte dann auch befüllten - und als Voraussetzung alle Praxen und Krankenhäuser dazu technisch in der Lage seien.

Nicht einmal Termin für  E-Rezept steht
Und genau das sind sie noch lange nicht, wie die erneute Verzögerung allein bei der Einführung des E-Rezepts zeigt. Am 1. Oktober sollte in Deutschland zunächst einmal die Testphase des elektronischen Rezepts beginnen. Doch ohne Hardware in den Praxen und ohne Anpassungen der vielen Patientenverwaltungssoftware kann keine Testphase starten, geschweige denn ein Realbetrieb des E-Rezepts als kleiner Baustein einer elektronischen Patientenakte. Es sei deutlich geworden, das „die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen“, heißt es in einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums, das der dpa vorliegt und auf den 20. Dezember datiert ist. Nun soll „der kontrollierte Test- und Pilotbetrieb in den kommenden Wochen schrittweise fortgesetzt und ausgeweitet werden“.

Ein neuer Termin, ab dem die Pflicht für das E-Rezept greift, steht noch nicht fest. Ob dereinst die Tragödie ePA doch noch mit Happy End umgeschrieben werden wird und sie von den 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten fleißig genutzt und geschätzt wird, vermag heute niemand seriös einzuschätzen.

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