Fehlende Milliarden

Explosives Gemisch bei Wirecard

19. Juni 2020, 9:26 Uhr | Lars Bube
© Wirecard

Weil die Wirtschaftsprüfer von EY erhebliche Bedenken an den Bilanzen von Wirecard vermeldet haben, konnte das Unternehmen erneut keinen Jahresabschluss vorlegen. Der Aktienkurs brach daraufhin um fast 75 Prozent ein. Das Unternehmen fühlt sich betrogen.

Seit Monaten zieht sich der Krimi um den Jahresabschluss 2019 von Wirecard hin, jetzt hat wohl das große Finale begonnen. Anders als zuvor stets von Unternehmenschef Markus Braun prognostiziert, wollten die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) der Bilanz diese Woche kein uneingeschränktes Testat ausstellen, da sie darin noch erhebliche Unsicherheiten sehen. In erster Linie geht es dabei um ein angebliches Treuhand-Guthaben Wirecards von 1,9 Milliarden Euro bei zwei Banken in Asien, das alleine schon knapp ein Viertel der Bilanzsumme ausmachen soll. EY konnte jedoch bislang keine gesicherten Beweise für die Existenz dieser Sicherheit finden. Ganz im Gegenteil: Laut den Abschlussprüfern gibt es Hinweise, dass ihnen von einem Treuhänder und Banken unrichtige Saldenbestätigungen vorgelegt wurden, wohl um die Existenz des Geldes vorzutäuschen. Durch das fehlende Testat kann Wirecard nun nicht nur weiterhin keinen Jahresabschluss für 2019 vorlegen, wodurch nun zwei Banken ihre Kredite über insgesamt zwei Milliarden Euro fällig stellen könnten.

Wirecard kündigte umgehend an, diese Vorbehalte möglichst schnell ausräumen zu wollen. »Wir stehen in Kontakt mit dem Treuhänder vor Ort. Zuvor ausgestellte Bestätigungen der Banken wurden von der Revisionsstelle nicht mehr anerkannt. Alle Beteiligten bemühen sich, die Angelegenheit so schnell wie möglich zu klären«, versprach Braun. Laut Wirecard sieht EY bei anderen Punkten wie Umsatzwachstum und Mittelzuflüssen keine Probleme. Während einige Anleger und Fonds Brauns sofortigen Rücktritt forderten, entließ das Unternehmen den Vorstands Jan Marsalek, der für das organisatorische Geschäft verantwortlich zeichnete. Des Weiteren sieht Braun wieder einmal das Unternehmen selbst als mögliches Opfer. »Derzeit ist unklar, ob es zu betrügerischen Transaktionen zum Nachteil der Wirecard AG gekommen ist. Die Wirecard AG wird Anzeige gegen Unbekannt einreichen.«

Für viele Aktionäre stellt sich die Lage indes genau umgekehrt dar. Sie reagierten schockiert und verkauften schleunigst ihre Anteile, der Aktienkurs ist seither um mehr als 70 Prozent eingebrochen. Darüber hinaus drohen dem Unternehmen weitere Klagen von Aktionären. Auch die Deutsche Börse prüft nach eigenen Angaben die Einleitung eines Sanktionsverfahrens wegen der nicht fristgerechten Lieferung des Jahresabschlusses. In München ermittelt nach einer Klage der Bafin weiterhin die Staatsanwaltschaft gegen Braun und seine drei Vorstandskollegen wegen des Verdachts auf Marktmanipulation durch falsche Angaben bei Börsenpflichtmitteilungen.

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