Exklusivinterview mit Prof. Dr. Rupert Scholz

Keine Gefahr für den Gebrauchtsoftwarehandel

12. Oktober 2015, 16:58 Uhr | Lars Bube
© fresnel6 - fotolia

Einige Softwarehersteller verunsichern den Handel mit der Behauptung, das TTIP-Abkommen mit den USA könnte den Handel mit gebrauchter Software in Europa aushebeln. Der Verfassungsrechtler und ehemalige Verteidigungsminister Prof. Dr. Rupert Scholz hält das für Humbug.

Nach zahlreichen turbulenten Jahren voller harter rechtlicher und verbaler Gefechte mit den Softwareherstellern hat sich der Handel mit gebrauchter Software seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Sommer 2012 und seiner Bestätigung durch den Bundesgerichtshof (BGH) inzwischen stabilisiert und etabliert (siehe: Zweistelliges Wachstum bei Gebrauchtsoftware). Für viele Behörden und Unternehmen gehören die Anbieter gebrauchter Software heute zu den festen Größen im Beschaffungswesen bei Ausschreibungen für IT-Projekte. Nachdem die Frage der Legalität eindeutig geklärt wurde und die Hersteller sich mit den neuen Gegebenheiten abgefunden hatten, war es daher in den letzten zwei Jahren vor allem die zunehmende Zahl schwarzer Schafe, die den Ruf des seriösen Gebrauchtsoftwarehandels mit dem Verkauf von Fälschungen bedrohte und die Kunden verunsicherte. Der aufsehenerregende Fall des Onlineshops PC Fritz , der mit gefälschten Microsoft-Programmen und zweifelhaften Marketing-Aktionen Millionen umgesetzt hatte, war hier nur die Spitze des Eisbergs. Sowohl die Hersteller als auch einige seriöse Händler sind in den letzten Monaten mehrfach erfolgreich gegen betrügerische Unternehmen vorgegangen, die sich durch den Verkauf von Raubkopien als vermeintliche Gebrauchtsoftware bereichern wollten.

Derzeit geht allerdings ein neues Gespenst im europäischen Markt für gebrauchte Software um, das Händlern wie Kunden neue Angst bereitet. Wie uns mehrere Gebrauchtsoftwarehändler und auch deren Kunden berichten, behaupten Vertreter von Softwareherstellern aus den USA in letzter Zeit ihnen gegenüber immer wieder, mit dem viel kritisierten transatlantischen Handelsabkommen TTIP zwischen den Vereinigten Staaten und der EU würde das Grundsatzurteil des EuGH ausgehebelt. Ihrer These zufolge würde mit TTIP für amerikanische Erzeugnisse auch in Europa das US-Recht gelten. Somit würde der vom EuGH bestätigte Erschöpfungsgrundsatz bei Software wegfallen und der Handel mit gebrauchter Software amerikanischer Hersteller sowie ihre Nutzung illegal.

CRN hat diese Behauptung zum Anlass genommen, mit einem ausgewiesenen Rechts- und Politikexperten zu sprechen. Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion (siehe Seite 2) erklärt der anerkannte Verfassungsrechtsexperte Prof. Dr. Rupert Scholz, der von 1990 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem Vorsitzender des Rechtsausschusses und Bundesminister der Verteidigung war, dass diese Auffassung seiner Ansicht nach rechtlich jeder Grundlage entbehrt. TTIP würde selbst in seiner aktuellen weitreichenden Fassung das Urteil des EuGH nicht anfechtbar machen und berühre damit den Gebrauchtsoftwarehandel nicht im Geringsten. »Das ist definitiv ausgeschlossen«, so Scholz klare Aussage. Bei aller aktueller und berechtigter Kritik am transatlantischen Handelsabkommen müssen sich also zumindest die Gebrauchtsoftwarehändler und ihre Kunden laut Prof. Dr. Scholz keine Sorgen um die Rechtssicherheit ihrer Geschäfte und IT-Assets machen.


  1. Keine Gefahr für den Gebrauchtsoftwarehandel
  2. Gebrauchtsoftware bleibt legal

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