Öffentlicher Sektor

KI-Projekte pilotieren – und dann fliegen lassen

27. April 2022, 9:40 Uhr | Sabine Narloch
© Pixabay

Im behördlichen Umfeld gibt es genügend zeit- und personalintensive Aufgaben, die sich mit KI-basierten Lösungen wesentlich schneller umsetzen ließen. Doch noch sind KI-Projekte dort rar.

Angebote kundenfreundlicher zu gestalten und die eigenen MitarbeiterInnen zu entlasten: Das sollten moderne Technologien in der Arbeitswelt generell leisten – ob in einem Ladengeschäft, einem Büro oder in der öffentlichen Verwaltung. Diese Erwartungshaltung ist auch im Hinblick auf KI-basierte Technologien angebracht und bereits im Strategiepapier zur Künstlichen Intelligenz der Bundesregierung aus dem Jahr 2018 festgehalten. Dort heißt es: „Der Einsatz von KI bietet im Bereich der öffentlichen Verwaltung die Chance, Informationen und Leistungen zielgerichteter, passgenauer und niedrigschwelliger für Bürgerinnen und Bürger sowie verwaltungsintern bereitzustellen“. Wie das aussehen kann, zeigt die Studie „KI im Behördeneinsatz“ des Kompetenzzentrums Öffentliche IT sowie des Fraunhofer-Instituts aus dem Dezember 2020. Darin sind zwölf Fallbeispiele zusammengetragen, bei denen KI-Systeme im öffentlichen Sektor bereits eingesetzt werden. Bei einem der beschriebenen Projekte geht es um die automatisierte Erkennung von Studienbescheinigungen, diese müssen zur Beantragung von Kindergeld zwei Mal jährlich vorgelegt werden. Das händisch zu bewältigen und die eingereichten Dokumente zu prüfen ist ein enormer Aufwand. Per OCR (Optical Character Recognition) hingegen wird der Text der Studienbescheinigung extrahiert und dem System zur Klassifikation übergeben. Bei einem anderen Projekt kommen neurolinguistische Verfahren der Texterkennung zum Einsatz; diese werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) genutzt. Dabei werden Gesprächsprotokolle gefiltert, um möglicherweise enthaltene Hinweise auf terroristische Vereinigungen aufzuspüren. Dieser punktuelle Blick auf einzelne Projekte, so heißt es im Studienreport, war durchaus der Tatsache geschuldet, dass der Einsatz von KI im öffentlichen Sektor aktuell noch recht überschaubar sei.

Fehlende Daten bremsen KI-Projekte aus

Genauer beziffert diesen Mangel an Beispielen die Studie „IT-Trends Public Sector 2021“ von Capgemini. Demnach würden sich lediglich elf Prozent der Behörden intensiv oder sehr intensiv mit intelligenten Technologien wie Machine Learning auseinandersetzen – in der Wirtschaft sind es 16 Prozent. Das Fehlen der Daten werde laut Report „am häufigsten als Argument dafür genannt, warum der öffentliche Sektor keine intelligenten Technologien einsetzt. Da Behörden sehr viele Daten besitzen, sind diese entweder nicht bekannt oder sie sind nicht nutzbar, weil sie in Silos gespeichert und nicht zugreifbar sind. Oder es ist unklar, ob und in welchem Umfang sie genutzt werden dürfen. Die Erschließung dieser Daten für Analysen wäre ein großer Schritt in Richtung datengetriebenen Verwaltungshandelns“.

Die Krux der Daten, die entweder nicht verwertbar vorliegen oder ganz fehlen, lässt sich wohl nicht so schnell beheben. Allerdings kann KI dabei helfen, Daten zu aktualisieren oder überhaupt zu generieren, wie die folgenden beiden Beispiele zeigen. Denn im behördlichen Umfeld schlummern mitunter jahrzehntealte Daten in den vielfach vorhandenen Archiven. Dies war auch die Ausgangslage beim Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN). Dort werden regelmäßig Luftbilder von Niedersachsen erstellt und auf dieser Basis beispielsweise Katasterkarten des Bundeslandes aktualisiert. „Bisher erfolgt die Aktualisierung der Katasterkarten manuell. Das ist ein sehr zeitaufwendiger Prozess, der historische Fehler nicht korrigiert“, erläutert Marcel Ziems, Leiter der Stabsstelle für Innovationen im
Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) gegenüber funkschau. „In unserem Projekt setzen wir KI ein, um die Fortführung zu beschleunigen und in einem zweiten Schritt, mit der
sogenannten Homogenisierung, auch historische Fehler zu korrigieren.“

Angesichts der zu analysierenden 50.000 Quadratkilometer des Flächenlandes Niedersachsen weist Ziems auf die Wichtigkeit hin, dass die eingesetzte KI-Lösung robust und schnell zu sein hat. Man habe letztlich „eine Lösung umgesetzt, die den Open Source Algorithmus YOLO (You Only Look Once) in Verbindung mit Watson Machine Learning und anderen KI-Komponenten nutzt.“ Hätte es eine Alternative zum KI-basierten Ansatz gegeben? Hier nennt Ziems die rein manuelle Bearbeitung. Doch das hätte den „Einsatz hunderter Fachkräfte über Jahrzehnte hinweg“ erfordert, insbesondere, um die historischen Fehler zuverlässig zu korrigieren.

„Hierfür stehen weder die finanziellen Ressourcen noch die Fachkräfte selbst zur Verfügung. Eine weitere Alternative stellt Crowd Sourcing dar, das heißt die Aktivierung tausender Freiwilliger. Hierfür wären jedoch unter anderem die Probleme Incentivierung und Qualitätssicherung zu lösen“, so Ziems. Die jahrzehntelange Beschäftigung ganzer Hundertschaften von Fachkräften wäre somit nur eher theoretisch ein gangbarer Alternativweg gewesen.

 

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