Corona-Kontaktnachverfolgung

Lauter Darth Vader unterwegs

27. Oktober 2020, 13:21 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Heiko Küverling

Das Münchner Startup Socialwave hat dem uneinsichtigen Anonymus den Kampf angesagt und verspricht ein Ende der fehlerhaften und unkontrollierten Zettelwirtschaft bei der Corona-Kontaktnachverfolgung. Statt Phantasienamen könnte beim Tarnen ein bisschen Excel-Logik helfen.

Seltene Ausnahme im Klosterstüberl Andechs. Wer den bei Touristen beliebten Biergarten oder die Schenke auf dem Heiligen Berg besuchen will, muss ein Kontaktformular ausfüllen und einen Ausweis vorzeigen. Phantasienamen wie Mickey Mouse, beliebt bei Menschen, die kein Verständnis aufbringen können für behördliche Kontaktnachverfolgungen zur Eindämmung von Corona-Infektionsketten, scheiden schon mal aus. Nicht so bei Straße und Hausnummer, die in keinem Reisepass stehen. Der Willkür bei Telefonnummer und/oder Email-Adresse ist erst recht keine Grenze gesetzt. Außerdem können Gäste, die aus welchen Gründen auch immer, partout anonym bleiben und sich durch keine noch so sinnvolle Hygienauflage ihre Freiheitsliebe wegregulieren  lassen wollen, auf wenig organisierte Gastonomen bauen. Per Zettelwirtschaft protokollieren ist das eine, die Listen im Falle eines Falles vollständig parat zu haben, das andere. Von Datenschutz einmal ganz abgesehen. Noch nie war es leichter als heute, ganze Listen mit Namen, Anschriften und Mailadressen schnell mit dem Smartphone zu fotografieren.


Wider die Zettelwirtschaft
Socialwave will es anderes machen. Vor sieben Jahren startete das junge Münchner Unternehmen, um Wlan-Hotspots Gastronomen und anderen Filialisten schmackhaft zu machen und sie schließlich beim Marketing zu unterstützen, wenn man schon einmal die Teilnehmerdaten der Gast-Wlan-Surfer gesammelt hat. Dann kam der Lockdown und der einstweilige Ruhestand vom Hauptzweck des Startups: »Bewertungen sammeln, Marketing automatisieren, Umsatz steigern«.


Eine neue Idee musste das »technische Genie« finden, so die Selbstbezeichnung von Gründer Mario Schilling. Im Juni überstand das Startup Corona und, so Schilling, kehrt mit seinen 19 Mitarbeitern und einem größeren Büro »stärker als zuvor zurück«. Jetzt sagt Socialwave all den Darth Vaders den Kampf an, die unter diesem usurpierten Namen und dem Chaos der unkontrollierten Zettelwirtschaft anonym ihr Bier trinken oder in Fitnessstudios ihre Muskeln stählen.


Socialwave will sie mit »datenschutzfreundlichen und aufwandsoptimierten Erhebungswegen« zur Vernunft bringen. Sprich: Digitale Lösungen müssen her, DSGVO-konform versteht sich. Vor allem aber müsse mindestens eine Kontaktangabe des Gasts an Ort und Stelle verifiziert werden.  Die Lösung von Socialwave: Registrierung per QR-Code in einer separaten Datenbank, die eine Bestätigung per E-Mail oder Handynummer verlangt. »Falschangaben und Plausibilitätskontrollen sind bei durchdachten Digitallösungen grundsätzlich kein Thema, weil mindestens eine Kontaktmöglichkeit zum Gast verifiziert ist«, so Socialwave.


Werde ein Betrieb durch das Gesundheitsamt aufgefordert, Gäste-Kontaktdaten wegen einer nachgewiesenen Corona-Infektion zu übermitteln, würden die Daten einfach als Excel-Datei exportiert oder man könne einen Export per Mail bei Socialwave anfordern.


Online-Registrierungen seien im Vergleich nicht nur günstiger, sondern würden von Gästen besser angenommen, glauben die Münchner. Ob das alle Corona-misstrauischen Micky Mouses und Darth Vaders auch so sehen?


Excels fatale Folgen
Und da wäre noch die Sache mit dem Excel-Export der Daten für die Gesundheitsämter. Dass beim Datenaustauch gehörig was schief laufen kann, kommt immer wieder vor. Mit fatalen Folgen.


Forscher in England haben kürzlich zwei Dutzend Genen neue Namen gegeben. So sollte der  Name für das Gen »Membrane Associated Ring-CH-Type Finger 1« ursprünglich den Code »MARCH1« erhalten. Die automatische Excel-Formatierung machte daraus die Datumsangabe »1. März«. Die Namen von 27 Genen wurden daraufhin so geändert, dass sie für die Excel-Verarbeitung kompatibel sind. Das Gen mit dem Code »MARCH1« heißt künftig etwa »MARCHF1«.

 

Das von Socialwave gelöst geglaubte »Darth Vader-Problem« könnte also an anderer Stelle wieder auftauchen, sollte Anonymus bei der digitalen Registrierung die Excel-Formatierungslogik im Hinterkopf haben.

 

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