Alternative Nearshoring

Lösungsvarianten gegen den Fachkräftemangel

18. Dezember 2019, 14:30 Uhr | Folker Lück
Nearshoring-Berater Vallendar
© IT-Impulse s.r.o.

IT-Impulse mit Sitz in Mainz ist ist ein Spezialist für IT-Outsourcing und Nearshoring. Das Unternehmen betreibt eigene Entwicklungszentren in der Slowakei und Spanien. CRN sprach mit Geschäftsführer Albert Vallendar.

CRN: Fachkräftemangel spielt in nahezu allen Bereichen eine Rolle. Welche Möglichkeiten haben mittelständische Unternehmen, insbesondere aus der IT-Branche, damit klar zu kommen?

Vallendar: Mittelständische Unternehmen können aus einem breiten Spektrum an Lösungsvarianten gegen den Fachkräftemangel auswählen. Neben traditionellen Maßnahmen der Personalbeschaffung, wie etwa das eigene Recruitment oder die interne Ausbildung von Mitarbeitern, können sie hierfür auch spezialisierte Dienstleister beauftragen oder kurzfristig Freelancer beschäftigen. Eine vierte Strategie, Nearshoring, ist besonders geeignet für Unternehmen, die nicht nur lokal denken. Unter Nearshoring versteht man das Outsourcing in das europäische Ausland. Im Gegensatz zum Offshoring beschäftigen Nearshoring-Dienstleister ihre Mitarbeiter also zum Beispiel an Standorten in Südost- oder Südeuropa. Gerade für mittelständische Betriebe, die traditionell langfristiger planen und agieren, ist eine nachhaltige, partnerschaftliche Zusammenarbeit, wie sie einige Nearshoring-Dienstleister anbieten, sehr attraktiv. 

CRN: Sind die Unternehmen in der IT-Branche flexibel oder zu zögerlich?

Vallendar: Das lässt sich kaum verallgemeinern, weil die Branche zu vielfältig ist. Aber es gibt zwei Markttrends neben dem hohen Anpassungsdruck durch Gesetze und EU-Verordnungen: Die zunehmende Internationalisierung von Geschäftsfeldern sowie die fortschreitende Digitalisierung von Produkten und Prozessen bringen neue Herausforderungen mit sich.

Wenn Sie zum Beispiel ein Unternehmen führen, dessen Umsatz einen hohen Exportanteil aufweist, werden sie erfahrungsgemäß mehr unerwartete Anfragen von Kunden erhalten, worauf ihr Unternehmen dann schnell reagieren muss. Die Folge ist ein höherer Ressourcen- und Personalbedarf. Wer nun bei Bedarf auf den Personalpool eines Dienstleisters zurückgreifen kann, wird seine Produkte auch schneller auf dem Markt bringen können, weil sich etwaige Engpässe von vermeiden lassen. Es zahlt sich nicht nur bei Absatzspitzen sondern auch langfristig aus, wenn Unternehmen externe Personalressourcen zu relativ geringen Kosten flexibel nutzen können. Sie werden auch insgesamt flexibler agieren können.

CRN: Welche Unterschiede bestehen bei der Personalbeschaffung im Bereich der Softwareentwicklung? Wo liegen die Vorteile der einzelnen Outsourcing-Modelle?

Vallendar: Die Auftragsentwicklung ist vorteilhaft, wenn für den Auftraggeber die organisatorische Trennung wichtig ist, die Leistung zeitlich befristet ist und die Inhalte vertraglich fixierbar sein müssen. Von Nachteil kann sein, dass Unternehmen als Auftraggeber fachliche Vorgaben erteilen müssen, die Qualität der Leistung unklar ist und das externe Know-How schließlich auch außerhalb des Unternehmens bleibt. Skill-Zukauf hat den Vorteil, wenn es darum geht, Nachfragespitzen abzudecken. Kapazitätsmängel und Engpässe lassen sich flexibel ausgleichen, und es besteht die Möglichkeit, agil zu entwickeln und agile Managementmethoden einzusetzen. Insgesamt profitieren die Unternehmen auch von geringen Fixkosten. Allerdings hat Skill-Zukauf den Nachteil, dass die Qualität schwer steuerbar ist, häufige Mitarbeiterwechsel die Regel sind und auch keine Bindung zwischen dem Auftragnehmer und dem Unternehmen besteht. Nach dem Ende der Zusammenarbeit ist das Know-how verloren.

CRN: Wo liegen die Vorteile von Nearshoring, welche Risiken gibt es?

Vallendar: Der Kostenvorteil und die langfristige Zusammenarbeit zählen zu den Hauptargumenten für Nearshoring. Als Nachteile sind zum einen der Aufwand für die Steuerung des Nearshoring-Dienstleisters zu nennen, weil man eben enger zusammenarbeitet, und zudem das Auslastungsrisiko, wenn der Dienstleister die Mitarbeiter exklusiv bereitstellt. Ein weiterer Vorteil von Nearshoring besteht darin, dass das Know-how sicher im Unternehmen bleibt. Für Unternehmen, die in einem harten Wettbewerb um Innovationen stehen, ist dies ein strategischer Faktor (und, wie erwähnt, weder beim Modell der Auftragsentwicklung noch beim Skill-Zukauf möglich). Als weitere Pluspunkte sind zu nennen, dass Unternehmen die Qualität steuern und über den Dienstleister einen Einfluss auf die Skills beziehungsweise Fähigkeiten der Mitarbeiter ausüben können.

CRN: Kann das auslagernde Unternehmen diesen Einfluss wirklich geltend machen oder vertraglich ausgestalten? 

Vallendar: Ja, wenn das Unternehmen sich hierfür einen Full-Service-Dienstleister sucht, der zulässt, dass es sehr viel Einfluss auf die Personalpolitik nehmen kann und gleichzeitig hierfür nur wenig eigenen Aufwand zu betreiben braucht. Natürlich sind hier auch am Anfang einige Hürden zu nehmen. Sind diese mit Hilfe eines Partners überwunden, bekommt ein Unternehmen im Vergleich zu Deutschland kompetente Mitarbeiter zu sehr interessanten Konditionen. Außerdem ist es auch aus der Sicht des Nearshoring-Dienstleisters von Vorteil, offen und transparent zu arbeiten. Die Transparenz gegenüber dem Auftraggeber kann sich beispielsweise von Informationen über die Vergütungsstrukturen mit den Mitarbeitern über Investitionen in deren Ausbildung bis hin zur eigenen Betriebskalkulation erstrecken. Denn es hat sich gezeigt: Transparente Berichte zur Mittelverwendung und Abrechnungen sowie eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik führen dazu, dass die Zusammenarbeit langfristig erfolgreich bleibt.

CRN: Inwieweit lohnt sich die Auslagerung im Bereich Software-Entwicklung für junge Unternehmen?

Vallendar: Bei der Auslagerung ist besonders wichtig zu beachten, welche Art des Outsourcings man möchte. Hier gibt es verschiedene Ansätze, zum Bespiel gibt es die Möglichkeit „Work Packages“ von einem Dienstleister herstellen zu lassen. Bei diesem Modell sind die Beschreibung des Gewerkes, das Controlling und umfangreiche Abnahmetests besonders wichtig. Ein Outsourcing Partner, der einem nur hilft, Auslastungsspitzen abzufedern, erscheint in diesem Kontext als kritisch, da sich Qualität und Know-how nur schwer sicherstellen lassen. Der strategischen Ansatz in Form von Nearshoring ist mittlerweile eine gängige Variante, die auf lange Sicht gesehen zukunftsorientiert ist und sich auch für junge Unternehmen eignet. Mit kostengünstigen Entwicklungsressourcen zusammenarbeiten zu können, die eine hohe Qualität liefern, ist in der Startup-Phase wettbewerbsentscheidend.

CRN: Wie sieht Ihrer Einschätzung nach das Arbeiten der nahen Zukunft aus? 

Vallendar: Die globale Zusammenarbeit wird in Zukunft immer wichtiger werden: „Collaboration is key“. Der Mangel an qualifiziertem Personal wird sich weiter verschärfen. Die gefragtesten Experten werden an verschiedenen Orten leben, sodass sich Unternehmen auf Alternativen einlassen müssen. Wer hier frühzeitig den Grundstein legt, erzielt im Nachgang einen großen Wettbewerbsvorteil. Die Vertragsformen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der bereits heute gegebenen technischen Möglichkeiten ist es ohne weiteres möglich, zum Beispiel dezentral nach der agilen Methodologie zu arbeiten: etwa beim Entwickeln und Testen von User Interfaces von komplexen Geräten und Apps. Collaboration-Tools wie Videokonferenzen, Screensharing, etc. erfahren deswegen gerade einen Boom. Der persönliche Kontakt im Büro ist heutzutage zwar nicht mehr so erforderlich wie in der Vergangenheit – doch gleichzeitig sollte man als Unternehmen nicht vergessen wie wichtig die sozialen Kontakte im Unternehmen sind und diese nach Möglichkeit sehr pflegen.

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