Systemhäuser auf dem Weg zum MSP

„Man muss jetzt anfangen, in drei Jahren ist es zu spät“

13. September 2022, 13:38 Uhr | Stefan Adelmann
"Es geht nicht darum, der Schnellste zu sein. Du musst nur schneller als der andere sein": Mike Bergmann, Coach und ehemaliger Systemhaus-Chef
© Mike Bergmann

Die Zeit drängt, Systemhäuser sollten ihr Geschäft schnellstmöglich in Richtung Managed Services und wiederkehrende Einnahmen entwickeln, mahnt Mike Bergmann. Den wenigsten fällt das aber leicht, oft fehlt es an Perspektive oder unternehmerischen Fähigkeiten. Alternativen gibt es aber kaum.

Service-Konzepte auf dem Vormarsch, niedrige Hardware-Margen, Lieferengpässe, Fachkräftemangel, aber auch allgemein die Digitale Transformation der Wirtschaft – der Systemhaus-Markt befindet sich in einem Umbruch, der sich in den vergangenen zwei von der Covid-19-Pandemie geprägten Jahren nochmals beschleunigt hat. Es sei ohne Frage eine Zeit der Extreme, sagt auch Mike Bergmann im Gespräch mit ICT CHANNEL. Bergmann berichtet aus Erfahrung, immerhin hat er mit Exabyters selbst ein IT-Systemhaus aufgebaut – und vor vier Jahren an Telcat verkauft. Sein Know-how gibt er jetzt weiter, als auf IT-Dienstleister spezialisierter Software-Anbieter, vor allem aber als Berater und Coach. Und in dieser Rolle findet er aktuell vor allem zwei Situationen bei seinen Kunden vor: „Der eine sagt, dass sein Geschäft regelrecht explodiert. Der andere macht sich hingegen enorme Sorgen.“ So habe ein Kunde zuvor riesige Projekte betreut – heute sagt er: „Wir brauchen dringend wiederkehrende Einnahmen!“

Die Gründe für diesen Handlungsdruck überraschen kaum, prägen sie doch seit mehr als zwei Jahren das Business. Zum einen fällt die fehlende Verfügbarkeit vieler Produkte ins Gewicht, zum anderen aber vor allem die niedrige Bereitschaft vieler Unternehmen, in größere und vor allem längerfristige IT-Infrastrukturprojekte zu investieren. Die Antwort auf diese Probleme sind laut Bergmann Managed Service-Konzepte bis hin zu umfassenden All-Inclusive-IT-Flatrates. Diese würden Unternehmenskunden nicht nur mehr Planungssicherheit geben, sondern auch die Liquidität in turbulenten Zeiten zusammenhalten. Und das Systemhaus? Der Coach ist überzeugt: „Systemhäuser mit einem hohen Managed Services-Anteil haben die letzten zwei Jahre sehr gut überstanden“. Entscheidend sei, mit den Services einen Kostendeckungsgrad von 140 Prozent zu erreichen. „Dann ist man auf der sicheren Seite. Dann gehen die Ampeln auf Grün.“

Ziel in weiter Ferne

Noch liegt dieses Ziel für viele Systemhäuser aber in weiter Ferne. Die Transformation ist komplex, oft fehlt es an Zeit, Know-how und Fachkräften. Andernorts laufen das Projektgeschäft sowie das klassische IT-Feuerwehr-Konzept hingegen nach wie vor blendend – warum also etwas ändern? „Es gibt schon noch einige Systemhäuser, die noch gar nicht mit dieser Entwicklung angefangen haben“, berichtet Bergmann. Und einige werden dies wohl auch nicht mehr tun. Immerhin wurden zahlreiche der heute in Deutschland aktiven Systemhäuser Mitte der 90er Jahre in der Hochphase von Windows 95 und Windows 98 gegründet. Diese Generation plant heute oft den unternehmerischen Exit, sucht Wege für Nachfolge oder Verkauf. Das Geschäftsmodell jetzt hingegen nochmals komplett auf den Kopf zu stellen, dürfte nur für die wenigsten Systemhaus-Chefs in dieser Situation attraktiv sein. „Viele wollen gar kein neues Geschäftsmodell mehr machen“, erklärt Bergmann. Gleichzeitig seien sie aber oftmals überrascht, dass sich entweder überhaupt kein Käufer findet oder aber der Preis deutlich unter den Erwartungen liege.

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Mike Bergmann
Im Rahmen seiner Akademie hat Mike Bergmann acht Aspekte erarbeitet, die Systemhäuser auf dem Weg zum Managed Service-Geschäft in den Fokus rücken müssen. Entscheidend ist laut dem Coach unter anderem eine grundlegende Unternehmensvision, aus der sich wiederum Wunschkunden und Servicekonzepte ableiten lassen. Aber auch das Vertragswerk und somit die rechtlichen Aspekte wie beispielsweise Haftung sind entscheidend. Ein Punkt, mit dem sich viele Systemhaus-Chef schwertun. Darüber hinaus sieht Bergmann im Online-Marketing einen Pain Point, den Unternehmen oft vernachlässigen. Dabei sei er nicht nur wichtig, um neue Kunden zu gewinnen, sondern auch entscheidend für die Ansprache von potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
© Mike Bergmann

Vor dem Verkauf also nochmal anzupacken, kann sich mehr als lohnen. Der Coach aus Uelzen berichtet von Eigentümern, die den Wert ihres Unternehmens in zwei Jahren verfünffacht haben. Entscheidende Voraussetzung: Die Umstellung auf Service-Modelle und wiederkehrende Einnahmen.

Es ist also allerhöchste Eisenbahn, unterstreicht der ehemalige Systemhaus-Chef. Man müsse jetzt anfangen, denn in drei Jahren sei es zu spät. Irgendwann würden Mitarbeiter und Kunden abhauen, man nur noch Brände löschen. Doch auch wenn der Wille in den meisten Systemhäusern vorhanden ist, tun sich viele der Unternehmen nach wie vor schwer mit der Transformation und den ersten Schritten. Sie suchen Schablonen und fertige Konzepte – doch die gibt es laut Bergmann nicht, jeder Prozess ist individuell. Daher hat der Coach zumindest acht grundlegende Elemente (siehe Kasten) definiert, die Systemhäuser auf dem Weg zum Managed Service-Modell dringend beachten sollten und die als Eckpfeiler dienen können. Sie reichen weit über die schlichte Ausgestaltung von Service-Angeboten hinaus. So empfiehlt Bergmann unter anderem, eine klare Unternehmensvision zu definieren. Sie soll nicht nur für die eigenen Mitarbeiter, sondern auch für die Kunden die Attraktivität steigern und dient letztlich als Ausgangspunkt, um ein passendes Produktportfolio zu erarbeiten und die Frage nach Zielgruppen und Wunschkunden zu beantworten. Fest steht: Auf dem Weg zum MSP müssen zahlreiche Aspekte auf den Prüfstand: Prozesse, Strukturen, Verträge, Vertriebs- und Marketing-Strategie.


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  2. Überzeugte Techniker

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