Scripten statt schuften

Müßiggang dank Automatisierung

18. Januar 2022, 9:36 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Olivier de Moal

IT-Spezialist „Throwaway59724“ verdient 90.000 Dollar, ohne über ein Jahr lang auch nur einen Strich tun zu müssen. Unverschämt? Die Story eines Automation Hero und eines großen Missverständnisses.

Auf Reddit hat sich „Throwaway59724“ geoutet und wird als Held der Arbeit ohne Arbeit gefeiert. Der IT-Experte sollte für eine Anwaltskanzlei jeweils relevante Dokumente für Gerichtsverhandlungen zusammenstellen und diese per Cloud-Zugriff Anwälten zur Verfügung stellen. Mehr als die digitalen Akten stets aktuell zu halten, dafür aber fürstliche 90.000 Dollar pro Jahr zu kassieren, wurde von ihm nicht erwartet. Also tat er, was gemeinhin bei Routine-Tasks zum Einsatz kommt: „Throwaway59724“ programmierte ein Scrip, das lokale Laufwerke durchforstet und per Hash-Werte zusammenstellt, was zusammen gehört. Und das läuft und läuft und läuft, während sich der IT-Experte im Home-Office Freizeitvergnügungen hingibt.

Kein großes Hexenwerk also, werden jetzt Techniker neidisch auf den Kollegen zeigen, die das Pech haben, dass bei ihrem Systemhaus solche Scripte längst bekannt und im Einsatz sind. Für die Kanzlei unseres IT-Spezialisten dagegen ist bereits ein ausfüllbares PDF Digitalisierung auf hohem Niveau. Von Robotic Process Automation (RPA) hat man dort noch nie gehört.

Nun kann man dem Mann schwerlich einen Vorwurf machen, viel Geld für Müßiggang zu verdienen. In der unseren doch so aufgeklärten rationalen Berufswelt hält sich immer noch hartnäckig die Vorstellung, dass Adam im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen habe (1.Mose 3, 19). Ein derartiges Arbeitsethos des protestantischen Kapitalismus ist mit Blick auf die Realitäten längst überholt, wo doch Geld an der Börse Geld akkumuliert, ganz ohne stetige Eigenleistung. So wie die Software unseres cleveren IT-Spezialisten eben die Dinge erledigt, die ihren sich von der Plage der Arbeit selbst befreiten Schöpfer nicht schlecht nährt.

Er solle übrigens kein schlechtes Gewissen haben, rät ihm ein Kommentator, sondern seinen Lohn als Subscription Fee betrachten. Er werde schließlich für das bezahlt, wofür er eingestellt sei.

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