Die ITK-Branche hat die Corona-Krise vergleichsweise gut überstanden. Doch auch ITK-Unternehmen können in eine Schieflage geraten. Da trifft es sich gut, dass es eine neue Möglichkeit gibt, sich finanziell zu restrukturieren. Rechtsanwalt Ludwig J. Weber erläutert die „StaRUG“-Restrukturierung.
Seit dem 1. Januar 2021 gibt es für Unternehmen eine neue Möglichkeit, sich aus einer finanziellen Schieflage zu befreien. Restrukturierungen können mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz „StaRUG“, schnell und gezielt umgesetzt werden. Allerdings darf das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein. Mit dem StaRUG können sie selbst bestimmen, mit welchem ihrer Gläubiger sie sich – im Wesentlichen nicht öffentlich und ohne Insolvenz – restrukturieren möchten.
Kern einer StaRUG-Restrukturierung ist ein sogenannter Restrukturierungsplan. Hierbei handelt es sich um eine Art Vergleich mit den Gläubigern, mit dem Unternehmen in die Fälligkeit oder die Höhe bestehender Verbindlichkeiten ihrer Gläubiger eingreifen können – das Gleiche gilt für die Sicherungsrechte. Der große Vorteil einer StaRUG-Restrukturierung ist, anders als bei einer außergerichtlichen Sanierung ohne StaRUG, dass nicht alle Gläubiger zustimmen müssen. Sie stimmen in Gruppen ab, die vom Unternehmen gebildet werden. Dabei ist eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erforderlich – einzelne Gläubiger, die gegen den Plan sind, können also überstimmt werden.
Damit soll sichergestellt werden, dass Gläubiger, die bisweilen durch ihre Blockadehaltung besondere Vorteile für sich erzwingen wollen – sogenannte Akkordstörer –, eine wirtschaftlich sinnvolle Restrukturierung verhin-
dern. Es reicht also, die 75-Prozent-Mehrheit der Gläubiger für sich zu gewinnen. Dafür ist es aber, wie auch sonst in Sanierungsfällen, notwendig, die Gläubiger zum einen von der Notwendigkeit der geplanten Einschnitte, aber auch von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Maßnahmen zu überzeugen.
Kein Freifahrtschein
Die weitreichende Gestaltungskompetenz des StaRUG ist jedoch kein Freifahrtschein. Der Gesetzgeber hat für das Restrukturierungsverfahren eigene Haftungsregelungen geschaffen, die in die sogenannte Innen- sowie Außenhaftung unterteilt sind. Bei der Innenhaftung, die ab der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht greift, werden mögliche Ansprüche gegen den Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Gesellschaften vom (eigenen) Schuldnerunternehmen geltend gemacht. Bei der Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber Dritten – also etwa den Gläubigern. Wenn Geschäftsleiter die Haftungsregelungen im Blick haben, sind sie gleichwohl weniger ein Risiko, als vielmehr eine wichtige Leitplanke für eine geordnete Restrukturierung. Nachfolgend werden die wichtigsten Haftungsregelungen dargestellt und praxisnah eingeordnet:
Praxistipp:
Von ihrer Sorgfaltspflicht dürfen und sollten Geschäftsleiter weder aus eigenem Antrieb noch auf Weisung der Gesellschafter abweichen.
Praxistipp:
Die Dokumentation ihrer Entscheidungen und Entscheidungsfindung kann Geschäftsleitern auch dann helfen, wenn sie mit Haftungsansprüchen konfrontiert werden und beweisen müssen, dass sie pflichtgemäß gehandelt haben oder – falls nicht – der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln entstanden wäre. Dies ist insofern von Bedeutung, da im StaRUG zunächst davon ausgegangen wird, dass die Schuld für einen Schaden beim Geschäftsleiter liegt.
Praxistipp:
Im Gegensatz zu einer Insolvenz sind dem Schuldnerunternehmen in einer StaRUG-Restrukturierung Zahlungen nicht grundsätzlich verboten. Eine Option, die Reiz und Chance einer StaRUG-Restrukturierung ausmacht. Geschäftsleiter haben sich gerade nicht so zu verhalten, als sei ihr Unternehmen bereits insolvenzantragspflichtig.
Praxistipp:
Treten Zahlungsunfähig oder Überschuldung während einer StaRUG-Restrukturierung ein, müssen die Geschäftsleiter dies beim zuständigen Gericht anzeigen. Andernfalls drohen ihnen eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. In einem solchen (Insolvenz-)Fall greifen dann darüber hinaus die Haftungsregelungen der Insolvenzordnung, nach denen Geschäftsleiter für verbotene Zahlungen persönlich voll und unbeschränkt haften.
Außenhaftung der Geschäftsleiter bei haftungsbeschränkten Gesellschaften greift bei einer StaRUG-Restrukturierung, wenn Gläubiger etwa einen Schaden erleiden, da der Geschäftsleiter durch schuldhaft falsche Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, die eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre umfasst, oder Verwertungserlöse nicht ordnungsgemäß behandelt hat.
Orientieren sich Geschäftsleiter an diesen wichtigen Eckpfeilern und holen sie sich im Zweifelsfall sachverständige Dritte an die Seite, können ihnen die Pflichten der Haftungsregelungen als wichtige Leitplanken für eine ordentliche Restrukturierung dienen und sollten den Restrukturierungsbemühungen des betroffenen Unternehmens nicht im Wege stehen.