„StaRUG“-Restrukturierung

So kommen Unternehmen finanziell wieder auf die Beine

15. Dezember 2021, 16:34 Uhr | Ludwig J. Weber, Michaela Wurm
© Gina Sanders | AdobeStock

Die ITK-Branche hat die Corona-Krise vergleichsweise gut überstanden. Doch auch ITK-Unternehmen können in eine Schieflage geraten. Da trifft es sich gut, dass es eine neue Möglichkeit gibt, sich finanziell zu restrukturieren. Rechtsanwalt Ludwig J. Weber erläutert die „StaRUG“-Restrukturierung.

Seit dem 1. Januar 2021 gibt es für Unternehmen eine neue Möglichkeit, sich aus einer finanziellen Schieflage zu befreien. Restrukturierungen können mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz „StaRUG“, schnell und gezielt umgesetzt werden. Allerdings darf das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein. Mit dem StaRUG können sie selbst bestimmen, mit welchem ihrer Gläubiger sie sich – im Wesentlichen nicht öffentlich und ohne Insolvenz – restrukturieren möchten.

Kern einer StaRUG-Restrukturierung ist ein sogenannter Restrukturierungsplan. Hierbei handelt es sich um eine Art Vergleich mit den Gläubigern, mit dem Unternehmen in die Fälligkeit oder die Höhe bestehender Verbindlichkeiten ihrer Gläubiger eingreifen können – das Gleiche gilt für die Sicherungsrechte. Der große Vorteil einer StaRUG-Restrukturierung ist, anders als bei einer außergerichtlichen Sanierung ohne StaRUG, dass nicht alle Gläubiger zustimmen müssen. Sie stimmen in Gruppen ab, die vom Unternehmen gebildet werden. Dabei ist eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erforderlich – einzelne Gläubiger, die gegen den Plan sind, können also überstimmt werden.

Damit soll sichergestellt werden, dass Gläubiger, die bisweilen durch ihre Blockadehaltung besondere Vorteile für sich erzwingen wollen – sogenannte Akkordstörer –, eine wirtschaftlich sinnvolle Restrukturierung verhin-
dern. Es reicht also, die 75-Prozent-Mehrheit der Gläubiger für sich zu gewinnen. Dafür ist es aber, wie auch sonst in Sanierungsfällen, notwendig, die Gläubiger zum einen von der Notwendigkeit der geplanten Einschnitte, aber auch von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Maßnahmen zu überzeugen.

Kein Freifahrtschein

Die weitreichende Gestaltungskompetenz des StaRUG ist jedoch kein Freifahrtschein. Der Gesetzgeber hat für das Restrukturierungsverfahren eigene Haftungsregelungen geschaffen, die in die sogenannte Innen- sowie Außenhaftung unterteilt sind. Bei der Innenhaftung, die ab der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht greift, werden mögliche Ansprüche gegen den Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Gesellschaften vom (eigenen) Schuldnerunternehmen geltend gemacht. Bei der Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber Dritten – also etwa den Gläubigern. Wenn Geschäftsleiter die Haftungsregelungen im Blick haben, sind sie gleichwohl weniger ein Risiko, als vielmehr eine wichtige Leitplanke für eine geordnete Restrukturierung. Nachfolgend werden die wichtigsten Haftungsregelungen dargestellt und praxisnah eingeordnet:

  • Ordentlich und gewissenhaft: Die Innenhaftung verpflichtet Geschäftsleiter dazu, die Restrukturierung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu betreiben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren – ein Sorgfaltsmaßstab, der vielen Geschäftsführern ohnehin bekannt sein dürfte, da er in weiten Teilen den allgemeinen Sorgfaltspflichten von GmbH-Geschäftsführern und Vorständen entspricht. Ein Geschäftsleiter sollte in einer Restrukturierung also wie ein selbstständiger, treuhänderischer Verwalter agieren, der für die Gläubiger tätig ist und ein fremdes Vermögen verwaltet. Grund dafür ist, dass das Schuldnerunternehmen in einer StaRUG-Restrukturierung – die ja hauptsächlich außergerichtlich abläuft – dazu verpflichtet ist, die Gläubiger-interessen zu wahren.

Praxistipp:
Von ihrer Sorgfaltspflicht dürfen und sollten Geschäftsleiter weder aus eigenem Antrieb noch auf Weisung der Gesellschafter abweichen.

  • Dokumentation ist das A und O: Ist die Rechtslage unklar oder haben die Geschäftsleiter bei der Auswahl der gebotenen Handlungsweise mehrere Optionen, dürfte ihnen in gewissem Umfang ein Auswahlermessen zugestanden werden. Geschäftsleiter, die vor einer solchen Entscheidung stehen, sollten ihre Aufklärungsbemühungen, die Einbindung sachverständiger Dritter als auch ihre Entscheidungsfindung dokumentieren – diese Empfehlung gilt allgemein für die gesamte Dauer einer StaRUG-Restrukturierung. Bei einer StaRUG-Restrukturierung haften die Geschäftsleiter für schuldhaftes Handeln oder Unterlassen. Sind mehrere Geschäftsleiter involviert, haften diese gesamtschuldnerisch.

Praxistipp:
Die Dokumentation ihrer Entscheidungen und Entscheidungsfindung kann Geschäftsleitern auch dann helfen, wenn sie mit Haftungsansprüchen konfrontiert werden und beweisen müssen, dass sie pflichtgemäß gehandelt haben oder – falls nicht – der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln entstanden wäre. Dies ist insofern von Bedeutung, da im StaRUG zunächst davon ausgegangen wird, dass die Schuld für einen Schaden beim Geschäftsleiter liegt.

  • StaRUG ist keine Insolvenz: Ziel einer StaRUG-Restrukturierung ist es, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen Leistungsfähigkeit der Unternehmen eine praktikable Lösung ermöglicht wird, die für die Gläubiger wirtschaftlich sinnvoll ist und durch die sie einen möglichst großen Anteil ihrer Forderung erhalten. Das Vermögen des Schuldnerunternehmens darf dabei nicht reduziert werden – das gilt sowohl bei einer StaRUG-Restrukturierung als auch in einer Insolvenz.

Praxistipp:
Im Gegensatz zu einer Insolvenz sind dem Schuldnerunternehmen in einer StaRUG-Restrukturierung Zahlungen nicht grundsätzlich verboten. Eine Option, die Reiz und Chance einer StaRUG-Restrukturierung ausmacht. Geschäftsleiter haben sich gerade nicht so zu verhalten, als sei ihr Unternehmen bereits insolvenzantragspflichtig.

  • Konsequenzen und Ansprüche: Geschäftsleiter sollten einen besonderen Blick auf ein mögliches Worst-Case-Szenario legen. Denn wenn die StaRUG-Restrukturierung nicht erfolgreich ist, muss in der Regel ein Insolvenzantrag gestellt werden. Oftmals prüft der Insolvenzverwalter dann die Ansprüche aus der Innenhaftung gegen den Geschäftsleiter und macht sie – falls diese berechtigt sind – geltend. Zeichnet sich – während der StaRUG-Restrukturierung – ab, dass das Unternehmen auf eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zugeht, sollten die Geschäftsleiter spätestens dann dafür Sorge tragen, dass sich das Vermögen des Unternehmens nicht (weiter) verringert.

Praxistipp:
Treten Zahlungsunfähig oder Überschuldung während einer StaRUG-Restrukturierung ein, müssen die Geschäftsleiter dies beim zuständigen Gericht anzeigen. Andernfalls drohen ihnen eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. In einem solchen (Insolvenz-)Fall greifen dann darüber hinaus die Haftungsregelungen der Insolvenzordnung, nach denen Geschäftsleiter für verbotene Zahlungen persönlich voll und unbeschränkt haften.

Außenhaftung der Geschäftsleiter bei haftungsbeschränkten Gesellschaften greift bei einer StaRUG-Restrukturierung, wenn Gläubiger etwa einen Schaden erleiden, da der Geschäftsleiter durch schuldhaft falsche Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, die eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre umfasst, oder Verwertungserlöse nicht ordnungsgemäß behandelt hat.

Orientieren sich Geschäftsleiter an diesen wichtigen Eckpfeilern und holen sie sich im Zweifelsfall sachverständige Dritte an die Seite, können ihnen die Pflichten der Haftungsregelungen als wichtige Leitplanken für eine ordentliche Restrukturierung dienen und sollten den Restrukturierungsbemühungen des betroffenen Unternehmens nicht im Wege stehen.

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