So bleibt man Bechtle-CEO bis zur Rente

So zuverlässig wie ein Schiffsdiesel

12. Februar 2021, 9:40 Uhr | Martin Fryba
Seit 2007 im Bechtle-Vorstand, seit 2009 als CEO und nun bis Ende 2026 weiter an der Spitze: Die längste Zeit seines Berufslebens hat Thomas Olemotz bei Bechtle verbracht und das Systemhaus behutsam aber bestimmt modernisiert
© Bechtle

Dritte vorzeitige Vertragsverlängerung: Bechtle-CEO Thomas Olemotz bleibt bei Deutschlands größtem Systemhaus bis Ende 2026. Was man mitbringen und worauf man künftig achten muss, um diesen Tanker auch durch Untiefen zu manövrieren.

Wenn Genetiker aus der Zelle eines Systemhauses zwei überdominante DNA-Stränge isolieren könnten, die für die Eigenschaften Bodenständigkeit und Beharrlichkeit stehen, dann würde es sich eindeutig um eine Probe von Bechtle handeln. Kein Jubiläumsband aus Neckarsulm, in dem diese beiden Grundtugenden des Systemhauses, Bodenständigkeit und Beharrlichkeit, nicht vorkommen. Sie charakterisieren die Unternehmerpersönlichkeit der beiden Gründer Gerhard Schick und Ralf Klenk. Bechtle-Vorstand Jürgen Schäfer, Mitarbeiter Nummer 24, hat sie mit der Muttermilch verabreicht bekommen. Die später dazu gestoßenen Vorstände Thomas Olemotz und Michael Guschlbauer haben instinktsicher verstanden, wie die Gründer wollen, dass Bechtle tickt. Wer es nicht kapierte oder kapieren wollte, wurde sofort entsorgt. So wie Karl-Heinz-Gosmann, der 2004 vom akquirierten Systemhaus PSB kam, es mit der Bewertung der Lagerbestände wohl nicht so genau nahm, Bechtles heilige Dezentralisierung noch vor CEO-Antritt im Hintergrundgespräch mit ICT CHANNEL in Frage stellte und sich deshalb keine vier Wochen im CEO-Amt hielt.


Diese »kulturelle Inkompatibilität«, wie es der spätere Bechtle-Kronprinz Olemotz im Interview mit dieser Zeitschrift sagte, war und ist dem seit zwölf Jahren an der Spitze stehenden CEO Warnung und Leitkultur bis zum heutigen Tag. Olemotz, promovierter Betriebswirt,  Banker und ehemals bei Delton, einer  Beteiligungsgesellschaft von Stefan Quandt, tätig, ist der am längsten amtierende Vorstandsvorsitzende bei Bechtle, seit das Systemhaus 2000 an der Börse notiert ist. (Bechtles heimlicher Börsenmacher).


Freilich: Es gab irritierende Zeiten, Zweifel sogar an der von den Gründern vorgelebten Bescheidenheit des schwäbischen IT-Hauses, die jene mit Biederkeit und Glanzlosigkeit gleichsetzten, die sich in der gefeierten IT-Branche auf jeder noch so kleinen Presse- und sonstigen Bühne feiern ließen. »Wir wollen Leistungen verkaufen für unsere Kunden aus dem professionellen Bereich. Die leben nicht von Emotionen, sondern von der grundsoliden Leistung, die Bechtle anbietet«, so Ralf Klenk bei der Stabübergabe 2009 an Olemotz.


Weckruf? »Brauchen wir ganz sicher nicht!«
Jahre später sorgte dann ausgerechnet Mitbegründer Gerhard Schick für Emotionen im Vorstand, als er 2013 ein Aktienpaket des schwäbisch-bayerischen Erzfeinds Cancom erwarb. Brauchte der brave Bechtle-Vorstand etwa einen Weckruf, wie Cancom-Gründer und CEO Weinmann das private Invest des Bechtle-Gründers interpretierte, weil man um diese Zeit fast nur noch von Cancom sprach? Weinmann verstand es glänzend, seinem Systemhaus das Image eines modernen, dynamisch den Hype um die Cloud umarmenden IT-Architekten umzuhängen. In den USA hatten er und Kollege Rudi Hotter, Vater der Cancom-Cloud, die von Herstellern propagierten IT-Technologie- und Marketing-Trends der Zukunft ins rückständige Deutschland geholt. Die Systemhauszentrale verlegte Weinmann aus der schwäbisch-bayerischen Provinz nach München in einen unübersehbaren Glastower. Man sprach bei der Einweihung viel über die sündhaft teure Ledertapete im Vorstandsstockwerk.


Und CEO Thomas Olemotz?


Man brauche ganz sicher keinen Weckruf, erklärte er damals gegenüber dieser Zeitschrift. Fast schon defensiv entschuldigend merkte er an, dass Cancom doch nichts anderes habe, was nicht auch Bechtle im Portfolio anbiete. 2013 trug man am Neckar noch brav Krawatte, wo der CEO an der Isar  schon den Knopf des Hemds offen ließen. Brillante Bechtle-Bilanzen, die Olemotz fleißig und mit der Zuverlässigkeit eines Schiffsdieselmotors abliefert, sind eben nicht alles in der öffentlichen Wahrnehmung.


Der Vergleich Bechtles mit einem zuverlässigen Tanker auf hoher See, der unbeirrbar Kurs hält und zu schnellen Manövern gar nicht geeignet ist, findet der CEO sehr treffend – auch wenn oder besser: gerade weil die bisweilen zur Orientierungslosigkeit verleitende Dynamik der IT-Branche dazu gar nicht passen will.


Keine »Glamour-Boys«
So wie  ein ausfallsicherer Dieselmotor funktioniert die Gelddruckmaschine Bechtle, auf die manche das schwäbische Systemhaus reduzieren. Nicht dass Weinmann Geld egal wäre, im Gegenteil. Er kann schneller Kopfrechnen als ein CFO Excel-Summen zieht. Er kann aber auch Glanz und ein bisschen Gloria inszenieren und Cancom ins rechte Licht eines führenden Cloud-Architekten rücken. In Bechtles DNA hingegen ist Prunk nicht verankert. »Weder Herr Klenk noch ich sind typische Glamour-Boys«, stellt Olemotz klar. Bechtle sei »von seiner Herkunft her ein sehr bodenständiges Unternehmen«, sagte er beim Amtsantritt, zeigte aber auch Sinn für Humor in eigener Sache: »Das sieht man uns manchmal – leider muss man sagen – ziemlich deutlich an«.


Öffnung und Emanzipation
Jahre später beginnt sich das Bild von Bechtle zu ändern, der Vorstand emanzipiert sich, ganz behutsam freilich,  von der Gründergeneration. Nicht nur die Krawattenpflicht fällt. Man wird auch mutiger, frischer in der Kommunikation, rüstet Personal für PR, IR und Marketing mächtig auf und spielt seitdem in allen, auch den sozialen Kanälen kräftig mit. Auf ein Bier mit Channeljournalist Hugenschmidt, für dieses Youtube-Video fliegt der Thomas von Stuttgart nach Zürich und gibt dem Christoph ein lockeres Kurzinterview in einer Bar. Olemotz wird es ganz sicher verbunden haben mit Bechtle Schweiz-Terminen. Die exklusive Einladung auf ihre Insel vor der Westküste der USA, die er von der schwerreichen Chefin eines mit Bechtle eng verbundenen Technologie-Herstellers erhalten hatte, sagt Olemotz ab. Mit der Compliance nicht zu vereinbaren, dem Aufsichtsrat ohnehin nicht vermittelbar.


Trifft man Bechtle-Führungskräfte auf einem Hersteller-Event in Las Vegas, geht ein Pressefoto gerade noch durch. In Nassau auf den Bahamas dagegen wollen sie sich nicht ablichten lassen, fürchten – völlig zu unrecht übrigens – Karrierenachteile, wenn die Channelpresse sie auf Partyfotos  in der Karibik veröffentlicht. Da ist sie wieder diese Bodenständigkeit und Bescheidenheit, die auch heute noch bei Bechtle vom Kopf bis zum Fuß verankert ist.

 

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