Insolvenz

Software-Händler Lizengo: Aus der Traum

25. November 2020, 15:03 Uhr | Martin Fryba
© ICT CHANNEL

Edeka sprang früh ab, ICT CHANNEL berichtete von Ungereimtheiten, Microsoft klagte, eine Razzia und Ermittlungen folgten. Dann schaltete Lizengo seine Webseite »vorübergehend ab«. Sie wird nicht wieder online gehen. Wer der Drahtzieher hinter der Lizengo-Kulisse ist. (Update vom 26.11.2020)

Montag, 16:14 Uhr: Der Softwarehändler Lizengo GmbH & Co. KG ist insolvent, das Amtsgericht Köln hat am vergangenen Montag einen vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt. Persönlich haftender Gesellschafter ist die Lizengo Verwaltungs-GmbH, vertreten durch Geschäftsführer Tobias Marcus Zielke. Der ehemalige Oracle-Manager führte auch das operative Geschäft des umstrittenen Softwarehändlers. Seit einem Bericht von ICT CHANNEL über viele Ungereimtheiten und Vertrieb von Microsoft-Software, die mutmaßlich und wahrscheinlich teilweise illegal verkauft worden war, geriet Lizengo immer stärker unter Druck. Das belegten die Testkäufe unserer Redaktion 2019 und die Prüfung der Lizenz-Schlüssel.


Auch nach einer Razzia und Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft, die sich »aus ermittlungstaktischen Gründen« zu einer Anfrage von ICT CHANNEL nicht äußern wollte, hielt Lizengo offiziell daran fest, als Zeuge in dieser Angelegenheit  vernommen zu werden. Lizengo-Chef Zielke ist nur eine Figur in dieser Causa.

Betrug bei PC-Fritz

Ähnlich wie bei PC-Fritz und anderen dubiosen Softwarehändlern wirken die  Drahtzieher hinter den Kulissen. Mit illegaler oder gefälschter Software kann man viel und vor allem schnell Millionen verdienen. Bei PC-Fritz waren es am Ende rund neun Millionen Euro, die unwiederbringlich von Deutschland nach Osteuropa flossen. Ein Großteil davon auf die Krim. Die Marionette, der angeblich wegen Krebs bald sterbende und die Sau nochmals so richtig herauslassende Computermillionär Maik M. (Bild, RTL und andere berichteten und sorgten für kostenfreie Bekanntheit), ging für sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis.


Drahtzieher
Ob sich Lizengo-Chef Zielke in einem Strafverfahren verantworten muss, ist nicht bekannt. Im Geflecht zahlreicher neu gegründeter und kurz danach wieder liquidierter oder umfirmierter GmbHs im Zusammenhang mit Lizengo tauchen immer wieder die gleichen Namen auf, darunter vor allem Nick Bremicker.


Der ehemalige Geschäftsführer der Lizengo Verwaltungs GmbH nahm sich und später auch seine Frau aus der Schusslinie. Im April 2019 legte Bremicker die Geschäftsführung nieder, seine Frau habe Insidern zufolge den Job als Marketingleiterin bei Lizengo quittiert und habe vor Mitarbeitern damals geäußert, sich beruflich neu zu orientieren.  Ihre Nachfolge trat Torsten H. Er stieß zu Lizengo Ende 2019, als Medien bereits über eine bevorstehende Klage von Microsoft gegen Lizengo berichtet hatten.


Zu erreichen ist H. aktuell nicht, wie uns Youtuber versichern, die eine Markenpartnerschaft mit Lizengo geschlossen haben. »Die Zusammenarbeit werde ich beenden, da ich einen guten Ruf zu verlieren habe«, sagte ein Werbepartner noch vor zwei Wochen gegenüber ICT CHANNEL, der anonym bleiben will. Er habe seinen Lizengo-Ansprechpartner immer wieder mit entsprechenden Vorwürfen des illegalen Softwarehandels und der Klageandrohung von Microsoft konfrontiert. »Es wurde beschwichtigt und gesagt, Lizengo würde lediglich als Zeuge vernommen«.


Nachdem ICT CHANNEL erstmals im September 2019 über Ungereimtheiten bei Lizengo berichtet hatte, meldeten sich auch ehemalige Mitarbeiter anonym bei uns. Ein »Ex-Lizengone« bot Informationen an zu »Lizenzarten, deren Herkunft und die Tricks« sowie »Modus operandi - Personal, Marketing, Strategie«. ICT CHANNEL drang auf Belege und bot Gespräche gegen Zusicherung des Quellenschutzes an. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Recherchen von ICT CHANNEL dauern an. Die Aufarbeitung wird wohl auch trotz erfolgter Insolvenzmeldung weiter gehen.


Microsoft und seine seriösen Vertriebspartner aus dem Channel haben einen preisbrechenden  Wettbewerber weniger. Die nächsten GmbHs, unter denen Software zu phantastischen Preisen angeboten werden wird, sind indes schon gegründet.

Update vom 26.11.2020
Lizengo GmbH & Co. KG ließ uns folgende Stellungnahme zum Artikel »Lizengo: Aus der Traum« vom 25.11.2020 zukommen:

"Die Geschäftsführung der Lizengo GmbH & Co. KG sah sich gezwungen, beim AG Köln einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen.

Über Tragfähigkeit und Legalität des Geschäftsmodells steht ein Gerichtsurteil noch aus. Die rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Rechteinhabern ließen uns jedoch zur Vermeidung von Schäden keine andere Wahl als den Shop temporär offline zu stellen.

Gemeinsam mit dem durch das Gericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter werden wir alle Optionen prüfen, um das Geschäft wieder auf sichere Füße zu stellen. In diesem Zusammenhang gilt unser Augenmerk zunächst einmal der Sicherstellung und zügigen Zahlung der Gehälter unserer Mitarbeiter."


ICT CHANNEL beruft sich auf die auch am 26.11.2020 auf der Webseite von Lizengo zu lesende Information, wonach der Onlineshop wegen »Serverwartung« nicht zu erreichen ist:

»Liebe Kundinnen und Kunden,
die bestmögliche Absicherung gegen Datenmissbrauch und Cyberangriffe ist das Ziel von lizengo. Insbesondere COVID-19 führt weltweit zu erhöhtem Angriffsvolumen durch Hackerinnen und Hacker.
Auch wenn unsere Systeme bisher von einem solchen Zugriff verschont blieben, wollen wir Ihre Daten bei uns noch sicherer machen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, eine größere interne Systemumstellung vorzuziehen.
Auch wenn dies bedeutet, dass Ihnen unsere Angebote derzeit nicht zur Verfügung stehen können, so ist es doch unser Anliegen, Ihnen nicht nur den gewohnten erstklassigen Support, sondern auch die größtmögliche Sicherheit Ihrer Nutzungsdaten zu bieten.
Bitte schauen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorbei.«

 

 

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