Schlechte Zeiten für Respekt und Wertschätzung

Trumpisierung in den Führungsetagen

27. August 2018, 10:03 Uhr |
Wertschätzung und Respekt sind auf dem Rückzug - nicht nur in der Politik

In vielen Betrieben ist der Umgangston rauer, bisweilen emotional verletzender geworden. Das wirkt sich negativ auf die Identifikation und Motivation von Mitarbeitern aus. Mittel- bis langfristig sinkt deren Leistung und schadet dem Unternehmen.

In Seminaren lernen Führungskräfte, dass sie einen wertschätzenden, von wechselseitigem Respekt geprägten Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen sollen. Im Arbeitsalltag ist davon aber wenig zu spüren. In den Fluren vieler Firmen herrscht nicht selten ein eher rauer Ton, und selbst die einfachsten Benimm-Regeln werden oft vergessen.

Da geht zum Beispiel ein altgedienter Mitarbeiter in den Ruhestand, ohne dass ein Vorgesetzter vorbeischaut, ihm die Hand schüttelt und ein Wort des Dankes zur Verabschiedung sagt. Da wird eine hochqualifizierte und engagierte Fachkraft, die in einem Meeting sachliche Bedenken gegen die Planungen ihres Vorgesetzten äußert, von diesem vor versammelter Mannschaft angeraunzt: »Wollen oder können Sie nicht? In beiden Fällen sind Sie hier fehl am Platz.« Da erhält beispielsweise eine Controllerin von ihrem Chef, der zwei Zimmer weiter sitzt, zehn Minuten vor Feierabend per Mail die Anweisung, sie müsse bis nächsten Morgen eine Präsentation vorbereiten, obwohl dieser weiß: Sie muss ihr Kind pünktlich vom Hort abholen.

Den Letzten beißen die Hunde
Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Die bitteren Anekdoten aus dem Betriebsalltag, die man als Trainer in Seminaren hört, sind zahlreich. Regelmäßig hört man von Teilnehmern: »Das Klima in unserem Betrieb hat sich verschlechtert. Der Umgangston wird immer rauer.«

Das fängt bei den sogenannten mittleren Führungskräften an. Sie sind um ihre »Sandwich-Position« als Mittler zwischen den »Chefs ganz oben« und den »Werkern« auf der operativen Ebene nicht zu beneiden. Denn sie bekommen die Nervosität und Hektik, die in den Chefetagen vieler Unternehmen herrscht, meist unmittelbar zu spüren. Und weil sie selbst unter einem enormen Druck stehen, geben sie diesen nicht selten ungefiltert an ihre Untergebenen weiter. Dabei gilt die Faustregel: Der Umgangston wird umso rüder und rauer je weiter man in der Unternehmenshierarchie nach unten kommt und je einfacher die Mitarbeiter aufgrund ihrer (geringen) Qualifikation durch andere Personen zu ersetzen wären.

Denn auch in vielen Unternehmen gilt: Den Letzten beißen die Hunde. Oder wie es ein Personalmanager einmal unverblümt formulierte: »Unsere Top-Führungskräfte und -Spezialisten hofieren wir, den Rest unserer Kernmannschaft pflegen wir. Und das Fußvolk? Das gliedern wir soweit möglich aus und minimieren die Kosten.«


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