eGovernment Monitor 2022

Verwaltungsdigitalisierung für Bevölkerung nicht sichtbar

12. Oktober 2022, 10:30 Uhr | Sabine Narloch
© Gina Sanders - fotolia.com

Digitale Verwaltungsdienstleistungen sollen BürgerInnen vieles erleichtern. Doch die Realität scheint anders auszusehen. Auch wenn einige Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung gestellt wurden – viele Angebote werden weiterhin analog in Anspruch genommen.

Digitale Verwaltungsleistungen stagnieren in Deutschland auf Vorjahresniveau – das ist eines der Ergebnisse der Studie eGovernment Monitor 2022. Denn während laut Studie in Österreich 72 Prozent und in der Schweiz 61 Prozent digitale Verwaltungsleistungen nutzen, gaben dies in Deutschland 54 Prozent der Befragten an. 57 Prozent der Befragten würden demnach Verwaltungsleistungen, an denen sie Bedarf haben, immer noch analog nutzen. Dies wird auch als digitale Nutzungslücke bezeichnet. Am größten sei diese Diskrepanz bei der Ummeldung des Wohnsitzes; 79 Prozent mit Bedarf nutzen diese Leistung offline. Die geringste Nutzungslücke sei demnach bei der Abwicklung der Einkommenssteuererklärung zu verzeichnen (27 Prozent). In diesem konkreten Beispiel lasse sich laut Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat erkennen: „Gut konzipierte Lösungen kommen in der Bevölkerung an und werden intensiv genutzt – selbst wenn es dabei um komplexe Vorgänge und sensible Daten geht. Dies ist ein Ansporn für uns, die Daueraufgabe Digitalisierung weiter gemeinsam anzugehen und Lösungen zu entwickeln, die konsequent aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht sind“, so Faeser.

Föderale Strukturen und Medienbruch als Hemmschuhe

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Nutzung digitaler Verwaltungsdienstleistungen seien laut Studienautoren größer geworden. Variierten sie im Vorjahr noch um 13 Prozentpunkte, so liegen zwischen dem Bundesland mit der höchsten und dem mit der geringsten Nutzung jetzt 17 Prozentpunkte.

Die höchsten Werte weisen Hamburg (64 Prozent) und Bremen (60 Prozent) auf, gefolgt von den Flächenländern Schleswig-Holstein (59 Prozent), Saarland (57 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (56 Prozent).

Zuwachs im Vergleich zum letzten Jahr verzeichneten demnach Schleswig-Holstein (um 9 Prozentpunkte) und das Saarland (um 7 Prozentpunkte). Anders als im letzten Jahr zeichnen sich vor allem die neuen Bundesländer durch geringere Nutzung aus – nur Brandenburg liegt mit 55 Prozent im vorderen Mittelfeld.

Nicht wirklich weiter geht es auch bei der Nutzung der Online-Ausweisfunktion (eID) in Deutschland. 10 Prozent der PersonalausweisbesitzerInnen nutzen derzeit die eID; im Vorjahr waren es 9 Prozent. Damit bleibe Deutschland weiterhin weit hinter Österreich (64 Prozent, +10 Prozentpunkte) und der Schweiz (63 Prozent, +1 Prozentpunkt) zurück. Prof. Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München kommentiert: „Die Bundesregierung hat das Potenzial der eID erkannt. Sie spricht ihr in der Digitalstrategie eine entscheidende Hebelwirkung für digitale Angebote von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu. Allerdings sehen wir, dass diese Möglichkeit in Deutschland kaum genutzt wird. Erst mit einem wahrnehmbaren Mehrwert für die Bürger*innen kann die eID ihr Potenzial auch entfalten. Das heißt: Wir brauchen mehr und bekanntere Anwendungsmöglichkeiten.“

Für die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote sehen die Befragten mehr Barrieren im Weg als noch im Vorjahr; dieser Befund zieht sich laut Studie durch alle drei Vergleichsländer. Vor allem komplizierte und nicht medienbruchfreie Abwicklungen (Deutschland: 47 bzw. 46 Prozent) von Behördenleistungen seien einschneidende Nutzungshindernisse (Deutschland: +7 bzw. +5 Prozentpunkte). Auch undurchschaubare Strukturen staatlicher Behördenangebote nehmen die Befragten in Deutschland wahr (46 Prozent, +5 Prozentpunkte). Mehr als die Hälfte der Befragten in Deutschland empfindet zudem den Kontakt mit Behörden und Ämtern als sehr anstrengend (54 Prozent).

„Die Studie zeigt eine zunehmende Frustration der Bürger*innen angesichts des Stillstands auf dem Weg zu einem leistungsstarken, digitalen Staat. Sichere und einfach nutzbare digitale Verwaltungsdienste können das Zutrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates stärken. Deswegen sind die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern insbesondere wichtig, um das Vertrauen der Menschen in den Staat und seine Institutionen zu stärken“, ordnet Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, die Ergebnisse der Studie ein.

Zur Erhebung: Der eGovernment Monitor 2022 ist eine repräsentative Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München. Die Befragung erfolgte online vom 19. April 2022 bis zum 11. Mai 2022. Befragt wurden Personen ab 16 Jahren in Haushalten, die das Internet privat nutzen (Deutschland: 8.112 Personen, Österreich: 1.002 Personen, Schweiz: 1.002 Personen). Die Studie wurde vom Marktforschungsinstitut Kantar durchgeführt.

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