Cancom-Chef Klaus Weinmann im Interview

»Wir wollen das größte Systemhaus in Deutschland werden«

4. Oktober 2013, 17:17 Uhr | Martin Fryba
Klaus Weinmann: »Eine Hassliebe haben sie zu allen Herstellern« (Foto: Cancom)

Wer Visionen hat, muss zum Arzt. Oder seinen Firmensitz am künftigen Silicon Valley Deutschlands aufschlagen, kräftig für das Cloud-Geschäft trommeln und nervöse Systemhäuser übernehmen. Wie Cancom-Chef Klaus Weinmann Bechtle und Computacenter abhängen will.

CRN: Wenn man auf der meist befahrenen Straße Europas fährt, blickt man von der Donnersbergerbrücke auf das neue Firmengebäude mit dem großen Schriftzug Cancom. War das der Grund, in München die Konzernzentrale anzusiedeln?

Weinmann: München spielt natürlich eine wesentliche Rolle für die Zukunft von Cancom. Wir haben aber schon immer das Dienstleistungsgeschäft hier konzentriert. Das hat sich historisch aus unseren Zukäufen so entwickelt. Der neue Standort ist ideal, um junge Talente zu bekommen, die zentral in der Stadt wohnen und arbeiten wollen. Ein iPad ist den jungen Menschen wichtiger als ein Auto – und kurze Wege zur Arbeit. Außerdem hat das neue Stadtviertel in München das Potential, das Silicon Valley Deutschlands, wenn nicht sogar Europas zu werden. Google baut hier gerade ein 24.000 Quadratmeter großes Firmengebäude. Überall wo Google sich niederlässt, sehen wir eine rasante Entwicklung. Das war in London nicht anders. Wir haben deshalb auch das hohe Mietniveau in Kauf genommen.

CRN: Wartet Cancom schon auf den Auftrag, Googles Rechenzentrum zu bauen oder Cloud-Dienste zu hosten?

Weinmann: Das wird Google wohl selber in die Hand nehmen. Anbieten könnten wir beides, weil Cancom ja mittlerweile auch ein Hosting-Unternehmen ist. Sogar mit SAP-Goldpartner-Status, was kaum bekannt ist. Warten müssen wir aber nicht, denn wir haben schon viele Kunden für unsere Cloud-Dienste und es werden immer mehr.

CRN: Cloud Computing ist seit geraumer Zeit in Cancoms Außenkommunikation das überragende Thema. Sind die Umsätze hier aber nicht eher bescheiden?

Weinmann: Cloud ist nur der Begriff für das, was wir schon immer anbieten, nur hieß das früher anders. ASP hat Cancom schon vor zehn Jahren angeboten, heute haben wir die AHP Privat Cloud, also Applikation Hosting Plattform. Damit setzen wird derzeit regelmäßige monatliche Umsätze von über einer Million Euro um und haben viele neue Cloud-Projekte in der Pipeline. Die bringen uns im Schnitt pro Auftrag zusätzliche Einnahmen im Monat von 50.000 Euro. Das Geschäft wächst sehr schnell. Sie müssen bedenken, dass sich Erlöse aus Cloud-Verträgen über einen längeren Zeitraum verteilen. Das ist der Recurring-Effekt, der in der Presse zu wenig beachtet wird. Wichtiger als der Umsatz ist im Cloud-Geschäft der Gewinn. Mit einer Marge von rund 30 Prozent trägt unser Cloud-Geschäft überproportional zum Gewinnwachstum bei. Immer nur auf den Umsatz zu blicken, ist zu kurz gedacht.

CRN: Im Handelsgeschäft verliert Cancom deutlich an Umsatz. Warum?

Weinmann: Das mag auf dem Papier so sein, stimmt aber nicht. Unsere Umsätze im E-Commerce sind nicht etwa mit einer Amazon zu vergleichen, weil wir hier nach Kunden ausweisen, deren Umsätze sich aus Dienstleistungen und Produktverkauf zusammensetzen. Wenn diese Kunden sich in Richtung IT-Services entwickeln, werden diese Kunden und ihre gesamten Umsätze unserem IT-Lösungsgeschäft zugeschlagen. Es findet also ein Wechsel statt. Wir sagen heute, der Produkthandel ist ein Ad-On zum höherwertigen Dienstleistungsgeschäft, früher war das umgekehrt. Außerdem ist an der Börse Handel wenig sexy.

CRN: Ist neben Bechtle und Computacenter überhaupt noch Platz für ein drittes Systemhaus im B-2-B-Produkthandel, das Cloud Computing mehr liebt als den Handel?

Weinmann: Wir betreiben den Handel seit 20 Jahren mit Erfolg. Ich sehe keinen Grund, warum wir das nicht weiter erfolgreich machen sollten. Zumal sich die Preise zwischen den Anbietern kaum unterscheiden. Der Handel muss sich aber weiter entwickeln. Die niedrigen Prozesskosten, die nur die Großen haben, werden künftig noch wichtiger werden. Bechtle steht hier, das muss man klar sagen, besser als wir da. Ich sage aber auch: Wer den Handel liebt, muss sich in vielleicht in fünf Jahren fragen lassen, ob er nicht von gestern ist. Wir bei Cancom lieben die IT.

CRN: Apropos Zärtlichkeiten: Ist die Hassliebe zu Apple mittlerweile in eine Scheidung gemündet?

Weinmann: Eine Hassliebe haben sie zu allen Herstellern. An Apple allerdings haben wir uns schon besonders gerieben. Das Apple-Geschäft ernährt heute nur noch fünf Prozent unseres Personals. Was uns bei Apple massiv enttäusch hat, ist die Tatsache, dass wir diesem Hersteller in schweren Zeiten die Stange gehalten haben. Als der Kuchen dann besonders groß wurde, hat Apple halt wieder an den kleinen Schräubchen gedreht, damit wir schneller laufen und dafür weniger bekommen. Der große Gewinn ist bei Apple geblieben.

CRN: Befürchten Sie, dass es bei Microsoft zu einer ähnlichen Entwicklung kommen könnte?

Weinmann: Microsoft ist nicht besser oder schlimmer als Apple. Der Weg hin zu einer Hardware-Company ist ein spannender Shift. Surface ist für uns im Windows-Umfeld ein sehr interessantes Produkt. Schade ist aber, dass auch die neue Gerätegeneration von Surface nicht die neueste Mobilfunktechnologie in Europa integriert. Das macht es schwer, die Geräte in einer Stückzahl zu verkaufen, die sich Microsoft vorstellt. Wenn diese Fehler behoben sind, wird es spannend.


  1. »Wir wollen das größte Systemhaus in Deutschland werden«
  2. Feindbild wieder intakt

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+