In der Firma kann man einem Kollegen aus dem IT-Support wenigstens zufällig über den Weg laufen, im Homeoffice eher nicht. Nicht nur technische Probleme beim Remote-Working frustrieren viele Arbeitnehmer.
Es gibt einen schönen Aufkleber aus einer Zeiten, in der man noch keine Login- oder Telemetriedaten sammeln und auswerten konnte, um zu sehen, ob ein Mitarbeiter fleißig ist und zu Höherem berufen werden kann: »Karriere wird nach 17 Uhr gemacht« - und zwar im Büro, muss man heute explizit hinzufügen. Wenn also weit nach 17 Uhr immer noch Licht im Büro brennt, fragt man nicht nach Müllers Produktivität. Präsent zu sein in der Firma und sich genehm machen: So spült es Müller nach oben – besser gesagt: spülte. Jetzt aber ist Corona, Müllers Büro sein Zuhause und der Chef hat immer noch nicht virtuell vorbeigeschaut.
Technische Probleme bei der Fernarbeit
Die Müllers und ihre Chefs – sie beide tun sich mit »New Work« auch ein Dreivierteljahr nach Ausbruch der globalen Pandemie noch immer sehr schwer. Die Botschaft von Davis Mills mag ihnen nicht fremd sein. Der Chef von Ricoh stellt nämlich fest, dass viele Organisationen im Augenblick »im Überlebensmodus« agieren und seinen Rat in diesen Corona-Zeiten noch nicht so recht befolgen: »You need to work smarter, not harder«.
Aber wahrscheinlich glauben all die Müllers und ihre Chefs, nach der Pandemie nahtlos dort anknüpfen zu können, wo sie in der Bürokultur alten Schlags sozialisiert und diszipliniert wurden. Sich daher mit Tools, Teams und all dem Tamtam für eine nur temporär zu errichtende IT für das Homeoffice beschäftigen zu sollen und dafür auch noch Geld auszugeben, das halten sie für überflüssig.
Folgen dieser Haltung: Technische Probleme bei der Fernarbeit schlagen sich negativ auf Produktivität, Motivation und die Qualität der Kundenbetreuung nieder, Mitarbeiter im Homeoffice sind unkonzentriert und demotiviert. Das ergab eine Umfrage von Ricoh. Der Hersteller hat rund 600 europäische Büroangestellte in Unternehmen mit 250 bis 999 Beschäftigten zu ihren Remote-Working-Erfahrungen befragt.
Fast ein Viertel gab an, dass ihnen im Homeoffice nicht die nötigen Tools zur Verfügung stünden, um Kunden entsprechende Ergebnisse liefern zu können – »eine wesentliche Voraussetzung in einer Zeit, in der Betriebskontinuität der Schlüssel zur Liquidität ist«, sagt Ricoh. Zudem gaben über ein Viertel der Befragten an, dass sie nicht das erforderliche Equipment hätten, um außerhalb des Büros angemessen mit Kollegen zusammenzuarbeiten.
Weitere Herausforderungen im Hinblick auf Remote Work: Sicherheit und Compliance. 27 Prozent der Befragten gaben an, dass es schwierig sei, bei der Telearbeit die Vorschriften ihres Unternehmens einzuhalten, weil die vorhandene Technik dies nicht ermögliche. Dies könne schwerwiegende Folgen für Organisationen haben, die branchenspezifische Compliance-Verfahren einhalten oder allgemeine rechtliche Vorgaben, wie die DSGVO, erfüllen müssen, mahnt Ricoh an.
IT-Support, wo bist Du?
Eine beachtenswerte Kontinuität aus der alten Bürowelt, die sich in die neue Homeofficekultur gerettet hat, bildet eine sonst eher nicht so wohl gelittene Abteilung in vielen Firmen: Der IT-Support. Die Ricoh-Studie belegt, dass 30 Prozent der befragten Arbeitskräfte nicht die Unterstützung bei technischen Problemen erhalten, die sie benötigen. Es sei schwierig, den IT-Support zu erreichen, weil dieser häufig zu beschäftigt sei, berichten PC-Nutzer aus dem Homeoffice. Diesen Frust aus dem New Work zuhause kennt jeder aus dem klassischen Büro. Nach 17 Uhr ist es dort bekanntlich zappenduster, nur das Licht in Müllers Büro brennt noch.