Kostenfalle Cloud im IT-Vertrieb

Zu wenig Amazonisierung bei MSPs

21. November 2022, 9:42 Uhr | Martin Fryba
Seit Tom Schröder 2021 DACH-Chef von Cloudblue wurde, spricht der mit Systemhäusern und Distributoren über deren Herausforderungen im Vertrieb. Wer Cloud-Marktplätze betreibt, wird um stetige Automation nicht herumkommen.
© Cloudblue

Im schlechtesten Fall steigen mit jedem Euro mehr für Managed Services und SaaS auch die Prozesskosten bei einem MSP oder Distributor stärker an. Ein Abo wie Microsoft-Office-365 kann zur Kostenfalle werden, warnt Tom Schröder von Cloudblue.

Digitale Lösungen und Cloud-Services sind insbesondere während der Pandemie stark angewachsen. Insbesondere der IT-Channel stand und steht aktuell vor der Herausforderung, sich aufgrund der schnellen Expansion des eigenen Geschäfts mit ineffizienten Prozessen und versteckten - aber  vermeidbaren Kosten auseinandersetzen zu müssen. Tom Schröder, Head of DACH bei Cloudblue, erklärt im Interview mit ICT CHANNEL, wo sich Kosten im IT-Channel-Vertrieb verbergen, wie man sie vermeiden kann und was Managed-Service-Provider und der IT-Fachhandel beachten sollten, um im Wettbewerb beim Verkauf digitaler Lösungen mithalten zu können.


ICT CHANNEL: Herr Schröder, Sie sprechen von versteckten Kosten im IT-Vertrieb: Wer genau ist davon betroffen?

Tom Schröder: Der komplette Vertrieb, beziehungsweise die Partnerlandschaft im IT-Markt. Egal ob es sich um Managed-Service-Provider, Reseller oder Distributoren handelt. Die große Herausforderung liegt darin, dass viele Partner – egal welcher Größe – mit mehreren Vertriebskanälen und -Systemen arbeiten. Insbesondere durch den Wachstumsschub im Bereich Cloud und digitale Lösungen stoßen hier einige an ihre Grenzen und haben mit eigentlich vermeidbaren Ressourcen und Kosten zu kämpfen.

Wo genau verstecken sich die Kosten?

Schröder: Häufig werden bares Geld und Ressourcen verschwendet, will die Verarbeitungsprozesse von Bestellungen bei vielen Partnern ineffizient und teilweise nicht mehr zeitgemäß sind. Beispiel:  Standardbestellung bis zur Abrechnung beim Verkauf eines Microsoft-Office-365-Abos. Hierbei stellt sich der klassische ‚manuelle‘ Verkaufsprozess als sehr aufwändig dar, weil der Bestellvorgang hier häufig eine Kaskade von Prozessschritten durchlaufen muss: von der Anfrage über die Zuordnung hin zur Angebotserstellung, deren Überprüfung und Umwandlung in einen Auftrag. Ganz zu schweigen von einer nachfolgenden Bestellung desselben Microsoft-Office-365-Abos für einen weiteren Nutzer beim Endkunden. Insbesondere bei Software und Cloud-Lösungen ist das ein riesiger Aufwand.

Das geschieht nicht automatisiert?

Schröder: Leider nein, wie wir oft beobachten, Dabei ist es doch so, dass ein digitaler Verkaufskanal um so vieles effizienter und damit kostengünstiger gestaltet werden kann. So laufen die genannten Prozessschritte über eine digitale Plattform ohne Personalaufwand automatisiert im Hintergrund ab. Insbesondere bei den Dauerdienstleistern aus dem MSP-Bereich ist das ein Prozessaufwand, der bares Geld und Ressourcen kostet. Das spart nicht nur operative Kosten in der Abwicklung, sondern lässt sich auch viel einfacher skalieren, um so größere Volumina abwickeln zu können.

Wie gut sehen Sie den deutschen Channel im Bereich des digitalen Vertriebs aufgestellt?

Schröder: Wir haben noch einige Meter vor uns, um im Zeitalter des digitalen Vertriebs anzukommen. Traditionell tut sich insbesondere der Channel schwer damit, auf einen komplett digitalen Vertrieb umzustellen. Was auch nicht verwunderlich ist, da sich hier der persönliche Kontakt und bisher gut funktionierende Vertriebsmodelle etabliert haben.

Aber Prozessautomation ist doch gerade bei der Distribution überlebenswichtig, und sie wird es zunehmend auch bei MSPs werden, die in einem harten Wettbewerb stehen. Wir haben nicht den Eindruck, dass dieses Thema vernachlässig wird – zumal die Branche aufgrund des Fachkräftemangels gar nicht anders kann als ihre Business Prozesse zu automatisieren.

Schröder: MSPs, Distributoren und Reseller nutzen häufig eine eigene selbst entwickelte Lösung zur Bereitstellung technologischer Angebote und Services, für das Beziehungsmanagement zu Partnern und Endkunden oder die Datenverwaltung im eigenen Haus. Eine solche Software mag zwar zu Beginn gut funktionieren, aber dessen Wartung und Upgrades gestalten sich auf lange Zeit hin schwierig. Auch die Herausforderung des internen Wissenstransfers darf hier nicht übersehen werden. So zwingt eine hohe Fluktuation innerhalb der Belegschaft Unternehmen oft dazu, das Backend rückwirkend zu untersuchen und dann eigene Software zu entwickeln, was sehr kostspielig ist. Der Channel ist ja per Definition ein großes, miteinander verwobenes Ökosystem, das einem stetig wachsenden Cloud-Markt nur gerecht werden kann, wenn die Prozesse und Technologien für den organisationsübergreifenden Vertrieb aufeinander abgestimmt sind.

Mit der Folge, dass die die Vertriebskosten ohne Automation stärker steigen würden als das Wachstum im Cloud-Geschäft?

Schröder: Definitiv. Die Expansion in einen neuen Markt ist nicht linear und die Kosten sind es entsprechend auch nicht. Partner, die bereits global tätig sind, gehen oft davon aus, dass der finanzielle Aufwand für eine Erweiterung ihrer Geschäftstätigkeit in eine andere Region, etwa zwischen den USA und Europa, mehr oder weniger gleich hoch sein werden. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass ein solcher Prozess mit anderen Währungen, Sprachen, unterschiedlichem Konsumverhalten, Vorschriften sowie lokalen Eigenheiten in einer bestimmten Region verbunden ist. Diese Hürden bringen offensichtliche, aber auch versteckte Kosten mit sich.

Wie kann man es besser machen?

Schröder: Die Automatisierung und der digitale Vertrieb versprechen Abhilfe. Heutige Plattformen wie die von CloudBlue adressieren hier alle Probleme und Ineffizienten manueller Prozesse. Ob Order2Cash-Prozess oder Skalierung ins Ausland – aktuelle Sales-Lösungen vermindern den Einsatz von Personal, schonen Ressourcen durch automatisierte Prozesse und punkten beim Endkunden mit flexiblen und zeitgemäßen Angebotsmodellen.

Sie sprechen von Abonnements?

Schröder: Absolut. Netflix und Amazon haben es uns vorgemacht. Verbraucher wollen digital, schnell und flexibel bestellen. Diesen Trend hat auch der B2B-Vertrieb mittlerweile erreicht. Heutige Entscheidungsträger in Unternehmen präferieren bereits Abomodelle. Die erfolgreichsten Softwarehersteller verkaufen ihre Nutzungsrechte heute fast vollständig über Abomodelle. Der Channel sollte daher auch im B2B-Geschäft den Trend hin zu Abo- und Lizenzmodellen nicht verschlafen, sondern ihn über einen eigenen digitalen Marktplatz für Bestands- und Neukunden entsprechend mitgestalten. Und auch hier werden Kosten gespart, insbesondere bei der Verwaltung von Abomodellen.

Wie muss so ein Marktplatz für B2B-Abos mit flexiblen Laufzeiten im Backend aufgesetzt sein?

Schröder: Unternehmen, die Abonnementmodelle anbieten, müssen mehrere Transaktionen gleichzeitig und in Echtzeit abwickeln, wobei jeder Kunde individuelle Abrechnungszeiträume hat. Die Erstellung manueller Rechnungen ist hierbei in keiner Weise praktikabel, da es die Auftragsabwicklung verlangsamt und dadurch zu Unmut bei den Kunden führt. Deshalb ist der Einsatz einer Lösung, die auch die Rechnungsstellung automatisiert, absolut zielführend. Kunden sollten innerhalb weniger Minuten nach einer Bestellung eine Kopie der Rechnung erhalten.

Eine der Haupteinnahmequellen innerhalb des Abonnementgeschäfts ist die Verlängerung temporärer Verträge. Bei herkömmlichen Abrechnungsmodellen und manuellen Vorgängen kann es zu Problemen kommen, wenn Zahlungserinnerungen versäumt werden. Ein Abo-Abrechnungstool hilft dabei, automatische Verlängerungen für Kunden einzurichten, was den zeitlichen Aufwand verringert und Konsumenten einen schnellen Überblick hinsichtlich des nächsten Abrechnungszyklus bietet. Wenn etwa personalisierte E-Mail-Benachrichtigungen an Endkunden versendet werden sollen, ist es wichtig, dass alle relevanten Formate im Automatisierungstool angepasst oder, falls notwendig, ein neues Format erstellt werden kann. Die Möglichkeit, eigene Logos, Platzhalter oder CTA-Buttons in E-Mails einzufügen, verstärkt das eigene Branding und erhöht den Erfolg des Aussandes.

Und im Frontend?

Schröder: Auf ähnliche Weise sollten auf dem eigenen Marktplatz auch der Produktkatalog, Pläne, Kopf- und Fußzeilen sowie andere wichtige Seitenelemente angepasst werden können. Darüber hinaus sollte ein Tool eine Möglichkeit bieten, die Checkout-Seite, je nach Bedarf, anzupassen. Zudem ist es wichtig, dass eine Plattform APIs und Webhooks unterstützt, mit denen die Anbindung an weitere Marktplätze und Ökosysteme – ohne Programmieraufwand – leicht eingerichtet werden kann.


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