Kopfnuss - Kundenorientierung

Ab in den Container

25. September 2020, 14:28 Uhr | kopfnuss@ict-channel.de
© ICT CHANNEL/Collage

Sachbücher über »den Kunden« verstauben in der Deutschen Nationalbibliothek, wo sie ungelesen bis in alle Ewigkeit lagern. Da helfen keine konstruierten Titel, wonach König Kunde angeblich unser Gehalt zahlt.

Manch ein Autor der Sachbuchgattung Kundenorientierung  wird genau drei Exemplare seines Werkes los: Eines überreicht er stolz der  Ehefrau (die es lobend empfängt und so dann in die Altpapiertonne wirft) und zwei Bücher gehen als Pflichtabgabe in die Deutsche Nationalbibliothek, wo sie im nationalen Gedächtnis des Schriftguts verstauben. Die wenigsten Titel dieser König-ist-Kunde-Weisheiten sind Bestseller, da hilft es auch nicht, sich dem potenziellen modernen Leser auf  Englisch anzudienen und, in deutscher Sprache schreibend, auf jeder Seite etwas von »Customer Centric« oder »Customer Journey« zu berichten. Jeder Reissack in China kann interessanter umfallen als das, was uns beim Lesen solcher Fachbücher über »den Kunden« zugemutet wird.

 

Die Fibel eines gewissen Herrn Balus zum Beispiel, die uns Linkedin im unendlichen Flow auf mysteriöse Weise unterschiebt. Während wir bei einsetzendem Gähnen wegdämmern, meditieren wir über die wenigen Worte des Titels: »Meeein Gehaaaaalt zaaaaahlt, der Kuuuundeeeeee!«. Wer es geschafft hat, im Halbschlaf diesen Titel in weniger als 30 Sekunden auszusprechen, kann diese Epistel aus der Kopierwerkstatt des Herrn Balus wegwerfen. Er hat die Kernbotschaft erfasst. Wer den Titel trotz mächtig einsetzender Narkose kürzer aussprechen konnte, auch.

 

Aber Halt! Dämmert es plötzlich dem schon dahinschnarchendem Kopfnuss-Schreiber. »Der Kunde zahlt mein Gehalt«? Man fängt an, sich an Primärerfahrungen zu erinnern, wo jemand diesen Satz schon einmal jemandem um die Ohren gehauen hat – und erinnert sich an die amüsanten Folgen.


Ort des Geschehens: Eine Entsorgungsanlage unter der Obhut eines Wertstoffhof-Diktators, der in seinem Abfall-Reich jeden in der Sortierkunst nicht so kundigen Bürger vorbildlichst nach allen Regeln der Banalität des Bösen zur Schnecke machte. Wer denn wohl sein Gehalt zahle, wagte sich ein »Kunde« vor den kommunalen Dienstleister hinzustellen, seine Antwort vorwegnehmend: sein Gehalt speise sich  schließlich aus den Steuern, die er, »Kunde«, brav entrichte. Man fand den mutigen »Kunden« wenig später samt seiner Biotonne im Grüngutcontainer.

 

Zusammenhänge zwischen Kunden und Gehalt über einen Kamm scheren, ist brisant und schlich falsch. Journalisten zum Beispiel beziehen im besten Fall Gehalt für Inhalt, nicht für Auftragsproduktionen. Wäre es bei uns Kopfnuss-Autoren anders, wir hätten sonst »Der Kunde zahlt mein Gehalt« in den höchsten Tönen loben müssen - sehr zum Gefallen mancher Verleger. Wir würden dann allerdings zusehen müssen, wie am nächsten Tag Steckerlfische in unserere ungelesene Doppelseite eingepackt werden.

 

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