Oje je - Internationaler Tag des Selfie

Kein Bitkom-Bedenktag heute

22. Juni 2021, 12:12 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Helivideo

Das Smartphone hat es möglich gemacht: Selfies für alle. Die Selbstbespiegelung feiert Hochkonjunktur: Doch anders als der Meister seines Faches, kann das Selbstporträt für den Smombie in einer Tragödie enden.

Jeder Tag des Jahres ist mittlerweile mit gleich mehreren  - mal mehr, mal weniger sinnvollen Aktionen belegt. Am 9.9. ist Wiener Schnitzel-Tag, dem Welttierschutz gedenkt man am  4.10. oder Buchhalter schmelzen am 17.10. dahin – da ist Tag der Tabellenkalkulation. Heute wird der Internationale Tag des Selfies begangen. Der Bitkom feiert ihn mit einer Pressemitteilung, scheut auch sonst keine Mühen und Kosten, um das ureigene Bedürfnis vieler Menschen ins rechte, digitale Licht zu rücken: sich seiner selbst zu versichern.

1.004 Personen in Deutschland ab 16 Jahren hat der ITK-Verband zum Selfie-Tag über ihre Praxis der Selbstbespiegelung befragt. So liest man eben, dass „79 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones Selfies machen".  Junge (täglich) mehr als Alte (eins die Woche).  Mehr Männer als Frauen veröffentlichen Selfies unverfälscht ohne Filter in sozialen Medien. Aktuell sei das Motiv  „Impfie“ sehr beliebt, also die noch im Oberarm steckende Spritze eines Corona-Impfstoffs. Solche Infos sind es allemal wert,  wie wir finden, in das Handbuch des nutzlosen Wissens aufgenommen zu werden.

Es hätte neben dem Tag des Selfies freilich auch ein kleiner Bitkom-Bedenktag werden können, um der Pressemitteilung wenigstens ein klein wenig Bedeutung und Brisanz zu geben. Denn das Selfie hat eine durchaus anthropologisch relevante Vorgeschichte und im digitalen Smartphone-Zeitalter eine gefährliche, ja lebensgefährliche Stufe erreicht.

Selfies sind eine logische Fortentwicklung der Fotografie und eine zeitgemäße Variante des in der Kunst schon früh etablierten Selbstporträts. Albrecht Dürer und andere Künstler der Renaissance waren diesbezüglich Vorbilder und Profis in der Selbstbespiegelung. Und sie waren schließlich Trendsetter und »Influencer« in eigener Marken-Sache. Schwer reich auch ganz ohne Sozial Media und vor allem: Ohne sich beim Porträtieren den Hals zu brechen!

Und heute? 100 und mehr Menschen jährlich verunglücken beim Hochseilakt tödlich, ein Selfie zu schießen. Beim Versuch, sich immer spektakulärer in Szene zu setzen, werden Hochhäuser und Felsvorsprünge erklommen oder Brückenpfeiler geentert – quer durch alle sozialen Schichten. Der Selfietrieb macht selbst vor Konzernchefs nicht halt. 2018 bezahlte der Chef des chinesischen Großkonzerns HNA, Wang Jian, mit seinem Leben, als er beim Fotografieren in Südfrankreich eine hohe Mauer hinabstürzte.

Die Wahrscheinlichkeit, Smartphone-bezogenen zu verunglücken, ist höher als von einem Hai gefressen zu werden, titelten Zeitungen. Ärzte warnen schon länger vor „Smombie“-Unfällen vor allem bei Jugendlichen, die wie Zombies mit dem Smartphone herumlaufen und dabei, bildlich  gesprochen, in die Grube fallen.

Morgen ist übrigens Internationaler Tag der Witwen.

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